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Verkehrssenatorin Bettina Jarasch möchte aus der Friedrichstraße noch einen Gang rausnehmen – und plant eine reine Fußgängerzone.

© Simulation: SenUMVK

Update

Senatorin wünscht sich eine „Piazza“: So könnte die Berliner Friedrichstraße als reine Fußgängerzone aussehen

Die Verkehrsverwaltung legt ihre Bilanz zur autofreien Friedrichstraße vor: Rad- und Fußverkehr habe zugenommen. Doch es gibt auch Selbstkritik – und neue Ideen.

Gut eineinhalb Jahre nach Sperrung der Friedrichstraße für Autos zieht die Senatsverkehrsverwaltung trotz Problemen ein eher positives Fazit des Versuchs. Demnach hat sich die Anzahl der Passant:innen im für den Autoverkehr gesperrten Teilbereich während der Sommermonate 2021 im Vergleich zur Zeit vor Beginn des Versuchs im August 2020 um rund 50 bis 60 Prozent erhöht. Auch die Anzahl der Radfahrer:innen auf dem Abschnitt nahm um 35 Prozent zu.

„Insgesamt fallen viele Ergebnisse positiv aus, aber es gibt einen deutlichen Nachbesserungsbedarf“, bilanzierte Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) bei der Vorstellung der Ergebnisse des Projekts und des künftigen Verkehrskonzepts am Montagabend.

Jarasch hob insbesondere die in der Mitte der Straße verlaufende Fahrradstrecke kritisch hervor. „Der Radweg hat im Ergebnis verhindert, das Fußgänger:innen den Raum wirklich genutzt haben.“ Die Fußgänger:innen bewegten sich nach wie vor auf den Gehwegen. Gekreuzt werde die Straße nur selten, weil der Raum dazu nicht einlade. Die Senatorin monierte zudem den provisorischen Zustand des Abschnitts durch Baustellenbaken und gelbe Fahrbahnmarkierungen.

Es sei „nicht das, was man sich von einem attraktiv gestalteten Stadtraum verspricht“, sagte Jarasch. „Dieses Provisorium hat seine Zeit jetzt gehabt. Nun ist es an der Zeit das zu ändern.“

Auch die Verlagerung des Autoverkehrs habe für die Nebenstraßen negative Folgen. Zwar habe sich der in der Einkaufsstraße weggefallene Autoverkehr nicht vollständig in die Nachbarstraßen verlagert. Doch insbesondere in der Charlottenstraße hat sich die Belastung massiv erhöht. Die Anzahl der Pkw hat sich laut Jarasch verdoppelt. „Das ist nicht verträglich für die Anrainer und Gewerbetreibenden.“

Weitere Einschränkungen rund um den Gendarmenmarkt

Wie die Senatsverwaltung sich das künftige Verkehrskonzept für die Friedrichstraße vorstellt, war in zentralen Punkten bereits in der vergangenen Woche bekannt geworden. So soll die Einkaufsmeile zwischen Französischer und Leipziger Straße künftig eine reine Fußgängerzone werden. Der Radverkehr, der aktuell in der Mitte des gesperrten Abschnitts verläuft, soll stattdessen in der parallel laufenden Charlottenstraße Platz finden.

Die Verbindung wird dazu zu einer Fahrradstraße umgebaut. Deren Einrichtung wolle der zuständige Bezirk Mitte laut Verkehrsverwaltung zeitlich priorisieren. „Ich hoffe, dass die Fahrradstraße sehr schnell angeordnet werden kann, sobald die Teileinziehung feststeht“, sagte Jarasch.

Sollten auch danach viele Autofahrer die Straße als Durchgangsroute nutzen, überlegt Jaraschs Haus, auf Höhe der Tauben- und Mohrenstraße Durchfahrtssperren für den Autoverkehr aufzustellen. Zunächst soll es jedoch ohne Poller gehen, erklärte die Senatorin. „Ich neige sehr dazu, die Sperrung nicht als ersten Schritt zu machen.“

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Um den Verkehr in der Charlottenstraße zusätzlich zu beruhigen, sollen zudem die Taxistände in der Jäger- und Mohrenstraße in die Französische Straße und Markgrafenstraße verlegt werden. Die Verkehrsverwaltung behält sich auch vor, die Markgrafenstraße zu einer Einbahnstraße zu machen.

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Für den Autoverkehr bedeuten die Pläne weitere Einschränkungen. Das neue Konzept der Verkehrsverwaltung sieht daher vor, Autos hauptsächlich über die Glinka- und Mauerstraße sowie die Wilhelmstraße zu lenken. Statt wie zuletzt durch die Charlottenstraße sollen auch die Nachtbuslinie N6 sowie Schienenersatzverkehre künftig die Glinka- und Mauerstraße nutzen.

Damit die Busse bereits heute auf der Wilhelmstraße fahrenden Busse der BVG trotz des absehbar höheren Verkehrsaufkommens nicht stecken bleiben, plant die Verwaltung Busspuren entlang der Strecke. Das Konzept nenne außerdem begleitende Maßnahmen, wie die Lenkung des Parksuchverkehrs, hieß es von Jaraschs Haus. Dieser soll künftig gezielter auf die vor Ort bestehenden Tiefgaragen gesteuert werden.

Die gelb markierten Fahrradstreifen sollen aus der Friedrichstraße verschwinden.
Die gelb markierten Fahrradstreifen sollen aus der Friedrichstraße verschwinden.

© Wolfgang Kumm/dpa

Mit dem Abschlussbericht bestätigt die Senatsverwaltung die bereits in einer Zwischenbilanz im vergangenen Herbst vorgestellten Ergebnisse zur Sperrung der Friedrichstraße. So habe sich der in der Einkaufsstraße weggefallene Autoverkehr nicht vollständig in die Nachbarstraße verlagert. Vielmehr umfahren Autofahrer die historische Mitte nun großräumiger.

Verkehrssenatorin Jarasch wünscht sich „eine Piazza“ auf der Friedrichstraße

Den gesamten Abschlussbericht des Versuchs will die Verkehrsverwaltung am Dienstag auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, zog den Wert der während der Pandemie ermittelten Zahlen in Zweifel. „Vergleichszahlen auf dieser Basis sind nichts wert. Es rächt sich, dass entgegen all unserer Forderungen 2019 keine Messungen vorgenommen wurden.“ Der bisherige Zustand müsse nun gemeinsam nachgebessert werden.

Anja Schröder, Weinhändlerin aus der Charlottenstraße und Initiatorin des Protests der Gewerbetreibenden vor Ort, freute sich, dass die Charlottenstraße entlastet werden soll. „Es wirkt auf mich immer noch nicht durchdacht. Das ist ein programmiertes Chaos.“

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Für die Gestaltung der Friedrichstraße soll nun ein Wettbewerb stattfinden, bei dem sowohl Anrainer:innen als auch Verbände einbezogen werden. Eine erste Visualisierung veröffentlichte die Verkehrsverwaltung am Montag. Darin zieht sich ein Springbrunnen zentral durch den Straßenzug. Am Rand der künftig bordsteinfreien Fläche stehen Bänke. Bäume und Blumenbeete säumen die Straße.

Die Senatsverwaltung betont, mit der Skizze die Ergebnisse des geplanten Gestaltungswettbewerbs nicht vorwegnehmen zu wollen. Jarasch machte ihr Ideal jedoch klar: „Meine Vorstellung ist eine Piazza.“ Wegen des aufwendigen Verfahrens werden bis dahin noch einige Passant:innen die Friedrichstraße entlang laufen. Ein genauer Zeitpunkt des Baubeginns steht noch nicht fest.

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