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50 City-Toiletten sollen bald kostenlos sein - bei allen anderen geht die Zahlung nur noch mit Karte.

© Paul Zinken/dpa

Senat macht 50 Berliner WCs kostenfrei: Zugang zu weiteren 230 öffentlichen Toiletten nur noch mit Karten- und Handyzahlung

Mit den bereits bestehenden, kostenfreien Toiletten sind künftig 90 Standorte in der Stadt nutzbar, ohne dafür zu zahlen. Eine App zeigt, wo sie sind.

Der Gang zur öffentlichen Toilette wird auf dutzenden WCs in Berlin künftig kostenfrei. Ab 15. August müssen Nutzer bei 50 von 280 City-Toiletten in der Hauptstadt nicht mehr zahlen. Das teilte die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz am Montag mit.

Die Regelung gelte in Absprache mit der Wall GmbH, dem Betreiber der WCs, zunächst für sechs Monate. Die 50 Toilettenanlagen seien gleichmäßig über alle Berliner Bezirke verteilt. Mit bereits bestehenden, kostenfreien Toiletten seien dann 90 Standorte in der Stadt nutzbar, ohne dafür zu zahlen.

„Die Nutzung von Toiletten ist ein Grundbedürfnis, deshalb ist eine kostenfreie Bereitstellung öffentlicher Anlagen grundsätzlich wünschenswert“, sagte Staatssekretär Markus Kamrad (Grüne). „Dazu bedarf es neben einer langfristigen Finanzierung über den Haushalt aber auch eines Nutzungsverhaltens, welches das ermöglicht. Wir erproben in den kommenden Monaten, welcher Weg gangbar ist.“

An einigen der neuen Walltoiletten gibt es bereits heute die Möglichkeit, kostenfrei die Pissoirs zu nutzen. Aktivisten fordern jedoch seit langem, auch Frauen den Gang zur öffentlichen Toilette zu ermöglichen, ohne dafür bezahlen zu müssen.

Münzbetrieb eingestellt

Gleichzeitig mit der neuen Regelung stoppen der Senat und Wall allerdings die Möglichkeit, mit Münzen an den Toiletten zu bezahlen. Schon in zwei Wochen soll die Bezahlung an allen 280 Standorten nur noch bargeldlos möglich sein. Hier kann fortan ausschließlich per Kredit-, Girokarte, Apple Pay und anderen Bezahldiensten oder auch via WC-App („Berliner Toilette“) bezahlt werden. Ausgenommen sind körperlich eingeschränkte Personen. Sie können die WCs weiterhin mittels Euroschlüssel kostenfreie nutzen.

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Welche Toiletten kostenlos sind, lässt sich nach der Umstellung in der App "Berliner Toilette" und auf der Internetseite der Senatsverwaltung nachlesen.

Hintergrund der Umstellung eine Einbruchserie bei den Toiletten seit Dezember 2021, die „hohe Geld- und Sachschäden“ verursacht habe, erklärt die Senatsverwaltung. „Im Zuge einer gemeinsamen Strategie zur Vermeidung von Ausfällen der Toilettenanlagen und zur Eindämmung der gravierenden Vandalismusschäden wird die Nutzung der Berliner Toiletten daher für den genannten Zeitraum von zunächst sechs Monaten vollständig bargeldlos erfolgen.“

Ab Montag, 1. August werden die Anlagen dazu technisch umgerüstet. „Wir haben mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz in den letzten Wochen sehr gute und konstruktive Gespräche geführt, um zu einer Beendigung der Einbruchserie zu kommen und den Betrieb der Toilettenanlagen dauerhaft abzusichern“, sagte der Wall-Geschäftsführer Patrick Möller.

Berlin verabschiedet sich von Barzahlung

Nach Abschluss der Testphase im kommenden Jahr werde dann entschieden, wie es weitergehen soll. Einerseits gehe um die Akzeptanz der bargeldlosen Bezahlfunktionen. Andererseits soll beobachtet werden, wie sich der kostenlose Zutritt auf den Zustand der Toiletten und deren Benutzbarkeit auswirke.

Der Landesseniorenbeirat Berlin (LSBB) kritisiert das neue Konzept schon vor dem Start. In den vergangenen fünf Jahren habe man sich gegenüber dem Senat für Erhalt, Verbesserung und die Erhöhung der Anzahl von öffentlichen Toiletten eingesetzt. "Wenn sie jetzt Menschen jeden Alters , insbesondere auch den älteren Menschen verwehrt bleiben, weil sie keine Kreditkarte mit sich führen, wäre das ein fatales Ergebnis unserer Bemühungen", sagte die Vorsitzende des Landesseniorenbeirat Berlin Eveline Lämmer dem Tagesspiegel.

Auch wenn immer mehr Senioren digitale Angebote nutzten, habe die LSBB den Senat bereits 2018 aufgefordert, immer auch analoge Möglichkeiten beizubehalten. "Wir erwarten eine alternative Lösung in diesem konkreten Sachverhalt", sagte Lämmer.

Scharfe Kritik kam auch von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Dass die nicht in den Test einbezogenen Toiletten nur noch bargeldlos genutzt werden könnten, sei "nicht hinnehmbar", erklärten die Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg und Kristian Ronneburg. "Damit wird ausgerechnet den Menschen der Zugang zu einem großen Teil der öffentlichen Toiletten verwehrt, die am häufigsten auf diese angewiesen sind, nämlich Ältere und Obdachlose", hieß es in einer Mitteilung am Montag. Während für ältere Menschen die Nutzung von Kartensystemen nach wie vor ungewohnt sei, verfügten Obdachlose nur höchst selten über Geldkarten.

„Als Linksfraktion haben wir uns zuletzt in den Haushaltsverhandlungen dafür eingesetzt, dass öffentliche Toiletten für alle kostenfrei zugänglich sind. Wir freuen uns, wenn dieses Ansinnen endlich auch von den Koalitionspartnern teilweise befürwortet wird", erläuterten die Abgeordneten. Die angekündigte Testphase für die kostenlose Benutzung der WC sei eine Chance, dürfe aber nicht "zum Feigenblatt für die Einführung bargeldloser Bezahlsysteme werden, über die Menschen von dieser grundlegenden öffentlichen Infrastruktur praktisch ausgeschlossen" würden, hieß es weiter. "Öffentliche Toiletten in Berlin sollten für alle kostenlos nutzbar sein, so wie es in vielen anderen europäischen Metropolen bereits seit Langem gang und gebe ist."

Bargeld auch in Bussen der BVG abgeschafft

Die Möglichkeiten, mit Münzen und Scheinen in Berlin zu zahlen, werden immer weiter eingeschränkt. Im vergangenen Jahr beendeten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) die Zahlung mit Bargeld in ihren Bussen. Seither kann nur noch mit Karte oder per Smartphone ein Ticket gekauft werden.

Das Vorhaben stieß auf heftige Kritik. Auch die Berliner Politik stellt sich dagegen. Im Koalitionsvertrag der rot-grün-roten Regierung heißt es, dass in den Bussen der BVG auch das Bezahlen mit Bargeld wieder möglich sein muss. Bislang hat die BVG die Regelung jedoch nicht umgestellt.

Erst am Montag forderte zudem der Linke-Politiker Sebastian Schlüsselburg, Berliner Gewerbetreibende künftig zu verpflichten, auch bargeldlose Zahlungen anbieten zu müssen. Insbesondere seit der Pandemie sei es nicht mehr erklärlich, dass Dienstleistungsbetriebe keine bargeldlose Zahlung anböten. „Ich schlage vor, eine Änderung der Gewerbeordnung zu prüfen", sagte Schlüsselburg der "Berliner Morgenpost".

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