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Rettungsassistenten liefern eine Notfallpatientin in ein Krankenhaus.

© picture alliance/dpa

Update

Senat legt Haushaltsplan für Krankenhäuser vor: Extramittel für Vivantes – trotz Investitionsplus in Berlins Kliniken droht politischer Streit

Berlins rot-grün-roter Senat erhöht die Krankenhausmittel. Die landeseigenen Vivantes-Kliniken erhalten 93 Millionen extra – für die CDU rechtlich fragwürdig.

Der Senat will mehr in die Berliner Krankenhäuser investieren als bislang geplant. Das ergibt der Haushaltsplan, der am Montag vorgestellt wurde. Die Abgeordneten der rot-grün-roten Koalition setzten demnach höhere Summen durch, als im Entwurf der Landesregierung vorgesehen war. 

Während bislang 150 Millionen Euro für 2022 avisiert waren, sind nun fast 170 Millionen Euro beschlossen worden. Im Folgejahr sollen es 162 Millionen Euro werden. Zusammen mit sogenannten Kreditermächtigungen könnten die Kliniken in den beiden Jahren insgesamt 570 Millionen Euro für Bauten und Technik ausgeben.

Über circa 21.000 Betten verfügen Berlins 70 Plankrankenhäuser. So werden jene staatlich, privat, gemeinnützig oder konfessionell betriebenen Kliniken bezeichnet, die vom Land für die Versorgung als notwendig eingestuft werden und deshalb Anspruch auf öffentliche Gelder für Bauten und Technik haben. Die Kosten für Personal und Medikamente wiederum zahlen die Krankenkassen.

Neben der Charité, die als Hochschulklinik aus anderen Töpfen finanziert wird, konnten die landeseigenen Vivantes-Krankenhäuser zuletzt Extramittel aushandeln. Zu den 260 Millionen Euro, die der Senat als Gesellschafter den Vivantes-Kliniken unabhängig von den genannten Investitionen zur Eigenkapitalerhöhung zugesteht, sollen 2023 weitere 93 Millionen Euro an den Landeskonzern gehen. Das geht aus einer Antwort von Finanzstaatssekretärin Barbro Dreher (Grüne) auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Christian Gräff hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt.

Demnach handelt es sich um Geld „für den Ausgleich von pandemiebedingten operativen Betriebsverlusten“ – Vivantes hatte viele Covid-19-Intensivfälle versorgt, weswegen über Monate reguläre, lukrative Operationen abgesagt wurden. Ob mit den 93 Millionen Euro gegen EU-Wettbewerbsregeln verstoßen wird, habe man „auch unter Einbeziehung externer anwaltlicher Expertise“ prüfen lassen, schreibt die Staatssekretärin.

Verletzen 93 Millionen Euro für Vivantes die EU-Wettbewerbsregeln?

CDU-Gesundheitsexperte Gräff sagte dazu auf Nachfrage am Montag, die in Berlin verteilten Vivantes-Kliniken seien Maximalversorger, ihr Einfluss auf die Branche zu groß, als dass man die Extrahilfe aus Wettbewerbsgründen ignorieren könne. Zudem seien die 93 Millionen Euro mit dem Corona-Bezug fragwürdig begründet, da alle Krankenhäuser schon Bundesmittel zum Ausgleich pandemiebedingter Verluste erhalten hätten. Und ergänzend müssten dann ja die meisten Kliniken einen solchen Landesausgleich bekommen, denn auch die kleineren, nichtkommunalen Krankenhäuser hätten sich an der Covid-19-Versorgung beteiligt.

Gräff schließt: „Da Vivantes sogar Patienten aus Brandenburg, mitunter aus weiteren Bundesländern versorgt, muss sich die EU-Kommission die Frage stellen, ob es sich um eine Wettbewerbsverzerrung handelt.“

Die Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel reagierte am Montag zügig: Das deutliche Investitionsplus für die frei-gemeinnützigen, privaten und konfessionellen Krankenhäuser zeige, dass der Senat alle Kliniken unterstütze, sich also zur gesetzlich festgeschriebenen Trägervielfalt bekenne. Die Extramittel für Vivantes habe der Senat schon in seinem Ursprungsentwurf eingeplant, sie verstießen auch nach Ansicht der Koalitionsfraktionen aber nicht gegen Wettbewerbsbestimmungen, sagte Gebel.

Dazu ist ein „Green Hospital Programm“ für alle Kliniken geplant, um die Energiebilanzen der Häuser zu verbessern. Gebel zufolge wird das Abgeordnetenhaus dafür insgesamt 31 Millionen Euro bis 2026 bereitstellen.

Vivantes-Kliniken versorgen ein Drittel der stationären Patienten

Vivantes ist rechtlich eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, operiert also nicht wie eine Behörde, sondern wie eine Firma. Der landeseigene Konzern betreibt acht Krankenhäuser, dazu ambulante Dienste und Pflegeheime und ist Deutschlands größte kommunale Klinikkette. Pro Jahr werden fast ein Drittel aller stationären Berliner Patienten in einem Vivantes-Haus versorgt.

Vergangenes Jahr streikten in den Vivantes-Kliniken die Pflegekräfte sowie Beschäftigte für Reinigung und Küchen. Die Streikenden forderten mehr Personal und höhere Löhne. Auch in den Fraktionen von SPD, Grünen und Linke heißt es deshalb inoffiziell, die 93 Millionen Euro sollen Vivantes dabei helfen, die kostspieligen Tarifvereinbarungen zu erfüllen.

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Vivantes soll künftig enger mit der ebenfalls landeseigenen Charité kooperieren. Auf dem Charité-Virchow-Campus in Wedding besuchte Senatschefin Franziska Giffey (SPD) am Montag das Richtfest zweier Institute: In den geplanten Laboren im „Berlin Center for Advanced Therapies“ werden, grob vereinfacht formuliert, spezialisierte Zellen vermehrt, die als „lebende Medikamente“ für die Behandlung bisher unheilbarer Erkrankungen eingesetzt werden – beispielsweise für Tumorfälle.

Im benachbarten Forschungszentrum „Der simulierte Mensch“ sollen Organe nachgebildet werden, um Entstehungsmechanismen von Krankheiten besser simulieren zu können. Dies soll auch dabei helfen, Tierversuche in der Forschung weiter zu reduzieren. Die beiden Charité-Zentren werden mit Landes- und Bundesmitteln in Höhe von 68 Millionen Euro finanziert.

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