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Lehrerin Caroline Heckert unterrichtet die Klasse 3.1 einer Grundschule. Die Kinder müssen Maske tragen.

© Oliver Dietze/dpa

Senat behält Präsenzpflicht bei: Erster Berliner Bezirk gibt Kontaktnachverfolgung an Schulen auf

Trotz steigender Inzidenzen gibt es keine Ausnahmenregeln für Schüler. Reinickendorfs Amtsarzt unterstützt das. Kritische Infrastruktur wird nun beobachtet.

In einem ersten Berliner Bezirk hat das Gesundheitsamt die Kontaktnachverfolgung in den Schulen offiziell aufgegeben. Per Brief informierte das Gesundheitsamt Spandau die Leitungen am Montag darüber. Kontaktpersonen von infizierten Schülern werden nicht mehr nach Hause geschickt, Kontaktlisten nicht mehr erstellt.

Stattdessen sollen nur noch „best friends“, wie es in dem Schreiben heißt, und direkte Sitznachbarn täglich schnellgetestet werden. Sympomatische Schüler und Lehrer sollen sich an die Hausärzte wenden. Die Entscheidung ist eine Folge der hohen Inzidenzen: Unter Kindern zwischen zehn bis 19 Jahren liegt sie zurzeit bei rund 1800.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erwartet, dass die ohnehin hohen Infektionszahlen noch weiter ansteigen werden: „Wir sind nach wie vor in einer Situation, in der wir nicht vom ,Über-den-Berg-Sein‘ sprechen können. Wir sind noch nicht mal am höchsten Punkt des Berges angekommen“, sagte sie am Dienstag nach der Senatssitzung. Trotzdem will der Berliner Senat nicht vom Präsenzbetrieb an Schulen abweichen.

„Wir sind uns nach wie vor einig, dass das Fortführen der Präsenz an Schulen ganz entscheidend und wichtig ist, um das Kindeswohl nicht zu gefährden“, sagte Giffey. Zuvor hatte die Linkspartei zumindest ein Ende der Präsenzpflicht gefordert. Das würde Eltern ermöglichen, ihre Kinder zu Hause zu lassen.

Auch der Landesschülervertreter Anjo Genow hatte am Montag im Tagesspiegel eine Rückkehr zum digitalen Unterricht für alle gefordert, die das möchten. Giffey kündigte dagegen an, dass in der ersten Woche nach den Winterferien Anfang Februar wieder täglich, sprich fünfmal in der Woche, getestet werden soll.

Mehr als 200 Prozent mehr Berliner Schüler infiziert als in der Vorwoche

Um die regelmäßigen Testungen an Schulen beizubehalten, stünden bis Ostern ausreichend Tests zur Verfügung, sagte Giffey. Die Positivrate aller Tests an Schulen habe in der vergangenen Woche bei 0,5 Prozent bei Personal und Schülern gelegen. „Mehr als 99 Prozent sind negativ. In einer solchen Situation halten wir es für weiter vertretbar, dass Schule stattfindet und dass wir ein solches Angebot machen“, sagte Giffey.

Allerdings hatte sich die Zahl der Infektionen an den Berliner Schulen zuletzt verdreifacht. Nach Angaben der Bildungsverwaltung vom Freitag sind derzeit 6911 Schülerinnen und Schüler mit dem Virus infiziert. Das sind 221 Prozent mehr als vor einer Woche. Beim Personal stieg die Zahl der positiv Getesteten auf 774, was einer Zunahme um 133 Prozent entspricht.

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Die Zahl einzelner Lerngruppen, die geschlossen wurden, stieg von 23 auf 207, wie aus den Zahlen weiter hervorgeht. Erstmals nach Wochen sprang auch die Warnampel bei einzelnen Schulen von Grün auf Gelb. Insgesamt gehen damit 15 der insgesamt 821 allgemeinbildenden Schulen in den Wechselunterricht über. Betroffen davon sind zehn Grundschulen, vier Sekundarschulen und eine Förderschule.

Lage in anderen Bezirken angespannt, aber nicht dramatisch

In einigen Berliner Bezirken sieht man die Infektionslage zwar als angespannt, aber nicht dramatisch an. Neuköllns Amtsarzt Nicolai Savaskan erklärte auf Anfrage, noch könne sein Gesundheitsamt die Kontaktnachverfolgung an Schulen leisten. „Es ist aber nur eine Frage der Zeit und der Infektionsentwicklung“, ergänzte er.

Sein Amtskollege Patrick Larscheid aus Reinickendorf, der auch im Vorstand des Verbands der Amtsärzte sitzt, sieht die Lage an den Schulen in seinem Bezirk differenziert. „Wir haben extrem unterschiedliche Situationen in den Schulen“, sagte er dem Tagesspiegel. In ein oder zwei Schulen gebe es bis zu 20 Prozent der Schüler, die krank oder in Quarantäne seien.

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An den meisten der mehr als 60 Schulen im nordwestlichen Berliner Bezirk läge dieser Anteil aber „meist unter zwei Prozent“. Das sei zurzeit auf dem Niveau einer starken Erkältungswelle, sagte der Amtsarzt. Er spricht sich deshalb gegen Schulschließungen aus. „Die Mehrheit aller Kinder kann zur Schule gehen und profitiert davon“, sagte Larscheid.

Auch ein zwischenzeitliches Ende der Kontaktnachverfolgung sieht er eher gelassen: „Das hat nichts mit Kapitulation zu tun, wir handeln an die Lage angepasst.“ Bei so vielen Fällen in allen Bevölkerungsgruppen sei eine genaue Kontaktnachverfolgung und Quarantäne weder leistbar noch sinnvoll. „Das ist auch für diese Phase der Pandemie nie gedacht gewesen. Diese Erkenntnis mag auf manche erschreckend wirken, für uns ist das normal.“

Für die kritische Infrastruktur soll eine Warnampel installiert werden

Analog zu den Schulen installiert der Senat nun auch für die kritische Infrastruktur ein Lagebild. „Wir haben uns entschieden, ein neues Monitoring zur Funktionsfähigkeit der kritischen Infrastruktur einzurichten“, sagte Franziska Giffey am Dienstag. Inwieweit etwa die Arbeit bei Polizei, Feuerwehr, in Elektrizitäts- oder Wasserwerken durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt wird, will der Senat künftig anhand von drei Farben darstellen.

„Grün heißt keine Beeinträchtigung in der Erbringung von Leistungen“, sagte Giffey. Gelb stehe für geringe, Rot für erhebliche oder kritische Beeinträchtigungen. Es sei extrem wichtig, regelmäßig hinzuschauen, wie die Lage aussieht, sagte Giffey.

Berücksichtigt werden sollen der Energiebereich, der Verkehr einschließlich S-Bahn und Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Stadtreinigung, der Gesundheitsbereich, die Wasserversorgung, der Lebensmittelhandel, die Polizei, die Feuerwehr, das Krankentransportwesen und die Justiz.

„Hinzukommen werden auch Lehrerinnen und Lehrer und Erzieherinnen und Erzieher.“ Aktuell sieht Giffey noch keinen Grund zu größerer Sorge: Die Beeinträchtigungen in weiten Teilen der kritischen Infrastruktur seien gering.

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