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Martin Tschepe (50) geht ins Wasser: Seit 1974 Wettkampfschwimmer, seit fast 20 Jahren Redakteur der "Stuttgarter Nachrichten" und Werber in Sachen Flussbad.

© Martin Tschepe

Selbstversuch in Berlin-Mitte: Schwimmen, wo bald ein Flussbad sein soll

100 Männer und Frauen springen am Sonntag in die Spree und schwimmen um den "1. Berliner Flussbad Pokal". Unser Autor hat schon im April mal den Spreekanal getestet. Hier sein Erfahrungsbericht.

Acht Uhr morgens mitten in Mitte. Der Neoprenanzug sitzt hauteng. Passanten staunen – und gehen kopfschüttelnd weiter. Zum Glück lässt sich kein Polizist blicken, denn das Vorhaben ist vermutlich nicht legal: Ich will testschwimmen im Spreekanal, die 750 Meter vom Bode-Museum bis zum Auswärtigen Amt einmal hin und wieder zurück kraulen.

Ich mache es wie Lasse in Astrid Lindgrens „Wir Kinder aus Bullerbü“. Der Junge sagt vor einem Abenteuer sinngemäß: Wer nachher um Erlaubnis fragt, der ist eindeutig besser dran. Also springe ich einfach rein in die braune Brühe und kraule los, zunächst gegen die Strömung. Das Wasser ist etwa zehn Grad warm – oder kalt. Temperaturen sind höchst persönliche Empfindungen. Die meisten Schwimmer würden vermutlich abwinken und sagen: Zehn Grad? Nein, Danke. Aber für einen routinierten Kaltwasserschwimmer, der auch noch in einem kommoden Gummianzug steckt, sind zehn Grad angenehm.

Es ist ein einmaliges Schwimmerlebnis: Beim Atmen nach links habe ich zunächst das Bode-Museum im Blick, wenig später das Pergamon-Museum und dann die Baustelle der James-Simon-Galerie. Unter Wasser freilich ist nichts zu sehen, gar nichts, nur braun. Ein paar Züge weiter: zu meiner Rechten die Wohnung der Bundeskanzlerin und ihres Gatten. Direkt vor der Türe patrouillieren zwei Uniformierte, die habe ich vorhin beim Herfahren mit dem Rad gesehen. Von unten im Spreekanal sind die Polizisten aber nicht zu erkennen – und das ist auch gut so. Sie können mich nämlich auch nicht bemerken.

Grundlegende Neubewertung der Rolle des Flusses

Das Anschwimmen gegen die Strömung ist okay, doch das Vorankommen dauert etwas länger als erwartet. Nach geschätzt zehn Minuten taucht links der imposante Dom auf. Hier würden die Mitglieder der Initiative „Flussbad Berlin“ gerne ein paar alte Spundmauern abtragen und Treppen anlegen, damit Berliner und Touristen eines Tages bequem in die Spree steigen und losschwimmen können.

Im Oberlauf klären Pflanzen das Wasser, hinter der historischen Jungfernbrücke soll ein mechanischer Filter folgen.
Im Oberlauf klären Pflanzen das Wasser, hinter der historischen Jungfernbrücke soll ein mechanischer Filter folgen.

© Simulation: Flussbad Berlin e.V

Wann genau das Freiluftbad an der Museumsinsel eröffnet wird, und ob überhaupt, niemand weiß das so genau. Es dürften bestimmt noch ein paar Jahre ins Land gehen. Die Befürworter trommeln für den kühnen Plan, sie schwärmen vom Wasser, das mit Hilfe einer Biokläranlage gereinigt werden soll. Die Planungen sehen vor, dass beim Auswärtigen Amt auf etwa 300 Metern Länge im Kupfergraben Schilf gepflanzt wird. Die Initiative setzt auf eine „grundlegende Neubewertung der Rolle des Flusses für die Stadt“, auf eine schonende Stadtentwicklung und auf einen „intelligenten Umgang mit den natürlichen Ressourcen“. Der Bund und Berlin haben für das Projekt rund vier Millionen Euro springen lassen. Das Schwimmen im Flussbad soll keinen Eintritt kosten. Das sagt Barbara Schindler von der Badinitiative.

Doch auch die Gegner des Flussbads bringen sich in Stellung. Sie wollen keinesfalls, dass die Ufermauern beim Lustgarten auf Höhe des Doms abgetragen und dass dort womöglich auch noch Duschen und Umkleidekabinen gebaut werden. Der Kupfergraben soll bleiben wie er ist.

Ein ordentlicher Schluck Spreewasser

Nach etwa 20 Minuten in der Spree mein nächstes Erlebnis, von dem ich bestimmt noch lange erzählen werde: Wer kann schon von sich behaupten, dass er an einer Schlossbaustelle vorbei und Unter den Linden hindurch gekrault ist? Dass zurzeit tief im Boden unter der Spree ein Tunnel für eine neue U-Bahnverbindung gebaut wird, das indes erweckt beim Schwimmer zwiespältige Gefühle. Was wäre wenn? Wenn das Bauwerk just in diesem Moment einbricht? Schnell wegwischen solche Überlegungen und weiter schwimmen.

Kurz vor der alten Stadtschleuse ist Schluss. Mein Wendepunkt. Weiter soll auch in Zukunft kein Spreeschwimmer kraulen können – denn hier sollen die Schilfpflanzen wachsen, gedeihen und das permanent fließende Wasser reinigen. Also umdrehen und zurück schwimmen. Das geht mit der Strömung der Spree viel schneller, fast ganz von allein. Noch ein paar Selfie-Fotos mit der wasserfesten Kamera schießen und zurück zum Bode-Museum. Im Ziel fragt eine Zuschauerin: „Und, wie ist das Wasser?“ Schmeckt gut, sage ich grinsend. Ich habe unterwegs aus Versehen einen ordentlichen Schluck Spreewasser genommen – und keine Magenprobleme bekommen.

Viele passionierte Freiwasserschwimmer aus der ganzen Republik freuen sich schon auf die Eröffnung des Flussbads, eines fernen Tages. Der deutsche Meisterschwimmer Thomas Lurz aus Würzburg, der schon fast jeden Freiwasserwettbewerb gewonnen hat, wäre im Vorjahr vermutlich froh gewesen, wenn es diese einmalige Schwimmstrecke im Herzen Berlins bereits gegeben hätte. Während der Schwimm-EM im Juli 2014 wurden die Freiwasserwettbewerbe draußen vor den Toren Berlins auf der Regattastrecke Grünau ausgetragen. „Da schauen uns vielleicht ein paar Wölfe zu“, lautete die Kritik der Sportler damals. „Wir müssen da hin, wo die Menschen sind.“ Zum Beispiel zur Museumsinsel.

DER DURCHBRUCH

Anfangs erschien das Projekt utopisch, doch seit vergangenem Herbst ist die Idee eines Flussbads im Spreekanal einen großen Schritt weiter. Das entlang der Museumsinsel geplante Projekt erhält aus Bundesmitteln 2,6 Millionen Euro, zu dem sich noch einmal 1,4 Millionen Euro aus dem Berliner Etat gesellen – ein erheblicher Geldbetrag.

DIE IDEE
Ersonnen worden war die Idee 1998 von der Berliner Künstler- und Architektengruppe realities:united, einer Initiative, die 2012 in die Gründung des heute mehr als 150 Mitglieder starken Vereins „Flussbad Berlin“ mündete. Deren Projekt erschien der Jury des Bundesprogramms „Investitionen in nationale Projekte des Städtebaus“ förderwürdig.

DIE UMSETZUNG
Die Stadtentwicklungsverwaltung erhält demnach vom Bund das Geld, um mit dem Verein den Spreekanal auf 750 Metern „zu einem der größten, schönsten und frei zugänglichen Schwimmbecken zu entwickeln“. Im oberen Teil des etwa 1,6 Kilometer langen Kanals sollen eine Biotoplandschaft und ein Schilfbecken zur Reinigung des Wassers entstehen.

Mehr Infos: www.flussbad-berlin.de

Martin Tschepe

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