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Das Vorkaufsrecht wird auch für dieses Haus in Kreuzberg vorbereitet. Heimstaden ist hier Investor.

© Kitty Kleist-Heinrich

Schwedische Firma kauft tausende Wohnungen in Berlin: Warum ein dubioser Vermieter für Investor Heimstaden zum Problem werden könnte

Möbliert wohnen zum Wucherpreis. Das war die Praxis einer Firma, von der ein schwedischer Konzern 16 Häuser kaufte. Bewohner wollen nun die Miete mindern.

Seit Ende Januar gilt der Mietendeckel für Berliner Wohnungen. Eigentlich. Denn ein Teil des Wohnungsmarktes scheint davon vollkommen unbeeindruckt zu sein. Auf Internet-Portalen bieten Immobilienfirmen möblierte Apartments „auf Zeit“ an, zu überhöhten Preisen.

Das Geschäftsmodell eines Anbieters könnte nun allerdings Auswirkungen auf den Berliner Immobilien-Deal des Jahres haben. Kürzlich hat der schwedische Investor Heimstaden mindestens 157 Mietshäuser in der Stadt gekauft. Auch der Autor dieses Artikels lebt in einem davon. Bezirke könnten nun ihr Vorkaufsrecht ausüben und dabei den Preis senken. Das gab es noch nie bislang.

Erica Erlanger war froh, als sie endlich eine Wohnung in Berlin fand. Kurz zuvor hatte die US-Amerikanerin eine Stelle bei einem Forschungsinstitut in Potsdam bekommen. Die Wohnungssuche hatte sie noch in New York auf den Portalen wg-gesucht.de und Immobilienscout gestartet.

In Berlin angekommen, ging sie zu einer Besichtigung nach der anderen. Am Ende fand sie ein Apartment in Friedrichshain: 52 Quadratmeter, möbliert, für glatte 700 Euro Miete plus 350 Euro Betriebskosten.

Eine Maklerin einer Agentur namens Arivora erklärte Erlanger, dass nur ein zeitlich befristeter Vertrag möglich sei. Erlanger wunderte sich nicht, denn in den USA ist das üblich. Der Vermieter war die Schönhaus Immobilien GmbH, ein Unternehmen mit Hauptsitz in London.

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Ende August hatte Schönhaus 16 seiner Häuser an den schwedischen Investor Heimstaden verkauft. Daraufhin bildeten Mieter Initiativen und klingelten an Nachbartüren, kamen ins Gespräch und verglichen die Mietpreise untereinander.

Dabei fiel auf: Die Quadratmeterpreise der befristeten Wohnungen liegen deutlich höher. Für Kreuzberg zeigt das Portal Immobilienscout eine durchschnittliche Angebotsmiete von 14,56 Euro an. Schönhaus bot einen Teil der befristeten Wohnungen zu etwa diesem Preis an, kassierte aber von anderen Mietern mehr als 20 Euro ab.

Mieter müssen befristete Verträge nicht akzeptieren

Durch den Mietendeckel sind solche Preise nicht mehr zulässig. Eigentlich hätte der Vermieter alle Mietparteien spätestens im April über Umstände wie Baualter, Wohnlage oder Ausstattung informieren müssen, so dass sie ihre neue Miete selbst ermitteln können.

Doch Schönhaus tat das nach Auskunft mehrerer Mieter nicht. Erica Erlanger hat sich beraten lassen. Anwälte sagten ihr, sie müsse die Befristung nicht akzeptieren und könne die Miete reduzieren wie alle anderen Berliner.

In mehreren Schönhaus-Verträgen, die dem Tagesspiegel vorliegen, wurden Wohnungen „zum vorübergehenden Gebrauch“ befristet vermietet. Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, hält das für juristisch fragwürdig: Zulässig sei das nur, wenn „beim Mieter tatsächlich nur ein vorübergehender Wohnbedarf gegeben ist.“

Aber nicht, wenn Mieter in der Wohnung ihren „Lebensmittelpunkt“ begründen wollten. „Sollte der Befristungsgrund vorgeschoben sein, wäre die Befristung unwirksam“, teilt Wild mit. Das müsse im Einzelfall geprüft werden.

Inseraten zufolge hat Arivora noch Ende September Wohnungen zu überhöhten Preisen vermittelt. Anfragen des Tagesspiegels an Arivora und Schönhaus blieben unbeantwortet.

Arivora hat die ehemalige Firmenzentrale in der Friedrichstraße inzwischen aufgegeben. Das Unternehmen sei vor einigen Wochen plötzlich ausgezogen, sagt der Pförtner. Doch das fragwürdige Geschäftsmodell könnte nun Auswirkungen auf den Heimstaden-Deal haben.

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Auch Zachariah Baljeu und Lin Yang Jun haben einen befristeten Vertrag. Doch die Australier wollen nun bleiben und ab Ende Ende November die Miete senken. Laut Online-Rechner des BMV können sie für ihre Kreuzberger WG-Wohnung dann fast 390 Euro monatlich sparen.

Investor Heimstaden könnte klagen - die Häuser könnten günstiger werden

Zahlreiche bisherige Schönhaus-Mieter geben an, das Gleiche tun zu wollen. Sie warten nun darauf, wie der zukünftige Vermieter Heimstaden mit der Situation umgehen wird. Denn der könnte dagegen klagen. „Der Käufer ist offenbar von falschen Ertragsvorgaben ausgegangen“, sagt der Stadtforscher Andrej Holm. Mehrere Berliner Bezirke prüfen zurzeit ihr Vorkaufsrecht.

Holm ist der Ansicht, dass in diesem Fall ein sogenanntes preislimitiertes Vorkaufsrecht anwendbar wäre, weil Heimstaden weniger Miete zu erwarten hätte als Schönhaus.

„Der Kaufpreis müsste noch einmal überprüft und unter Umständen neu bewertet werden.“ Was bedeutet das? Dass zum Beispiel eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft einen Teil der Häuser zu einem niedrigeren Preis kaufen könnte, meint Holm.

Jagna Anderson, Sprecherin der Mieterinitiative „Fünf Häuser“, wünscht sich das: „Hier besteht die Chance, ein politisches Zeichen gegen den Ausverkauf der Stadt zu setzen.“ Sie vermutet, dass der Investor versuchen könnte, verlorene Gewinne auf andere Weise wieder hereinzuholen, etwa durch den Einbau teurer digitaler Tools, gegen den Willen der Bewohner. Oder durch die Umwandlung in Eigentumswohnungen.

Frist für Vorkaufsrecht endet bald

Heimstaden beteuert, im Sinne der Mieter handeln zu wollen, hält sich mit Details aber bedeckt. Für fünf Häuser in Friedrichshain-Kreuzberg und eines in Neukölln endet die Frist zur Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts am 20. Oktober.

Noch kann Heimstaden den Vorkauf verhindern durch die Unterzeichnung der Abwendungsvereinbarung, die das Unternehmen etwa zum Verzicht auf Umwandlung verpflichtete. Da es aber eine solche Unterschrift bisher nicht gebe, werde das Vorkaufsrechts für die fünf Häuser vorbereitet, sagt Florian Schmidt (Grüne), Bezirksstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg.

„Auch die Ausübung zum herabgesetzten Preis wird geprüft“, betont er. Der Bezirk Neukölln prüft den Vorkauf in 28 Fällen. Allerdings ist der Bezirksstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) weniger zuversichtlich, was eine Preislimitierung angeht.

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Ein preislimitiertes Vorkaufsrecht wurde in Berlin noch nie erfolgreich umgesetzt. Katrin Schmidberger, Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen, möchte das ändern: „Das preislimitierte Vorkaufsrecht sollte unbedingt genutzt werden, weil die exorbitanten Immobilienkaufpreise sich oft gar nicht mehr mit der Bausubstanz oder den realistischen Mieterträgen decken.“

CDU und FDP sind skeptisch beim Vorkaufsrecht

Christian Gräff, baupolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sieht das anders. „Hier werden Menschen bewusst verunsichert.“ Ankauf von Wohnraum durch landeseigene Unternehmen könne zwar sinnvoll sein, sagt Gräff., „aber den Preis bestimmt nicht der Staat, sondern der Verkäufer.“

Die FDP-Abgeordnete Sibylle Meister begrüßt, dass Heimstaden in Berlin investieren will: „Der Senat und die Bezirke sollten eigentlich jubeln.“ Man könne hier davon ausgehen, dass die aktuelle Rechtslage geprüft wurde, ein neues Gutachten sei unnötig, meint Meister.

Jagna Anderson und andere Mieter haben sich am Donnerstag mit der neuen Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph (Linke), getroffen und sie um Unterstützung gebeten. Details aus dem Gespräch sind nicht bekannt.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen teilt dem Tagesspiegel mit: „Die Prüfung eines Kaufs zu preislimitierten Konditionen“ sei angesichts der angespannten Marktsituation „immer sinnvoll“.

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