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Stummer Zeuge. In den Zügen der alten Baureihe 480 wird kein Hinweis aufs Tarifgebiet C angesagt.

© imago images/Rüdiger Wölk

Schwarzfahrer wider Willen: Touristen fühlen sich bei Ticketkontrollen von und nach Schönefeld abgezockt

Oft werden Fahrgäste ohne Ticket für Zone C erwischt - und beschweren sich. Ein Technikproblem erhöht ihr Risiko, versehentlich schwarz zu fahren.

Das gerade noch coronafreie Wochenende, das Linnea Hansen (Name geändert) in Berlin verbrachte, war schön – bis fast zuletzt. Die S-Bahn zum Flughafen Schönefeld schloss gerade die Türen am Bahnhof Grünbergallee, dem letzten vor dem Ziel, als sich Kontrolleure in Zivil zu erkennen gaben: Die Norwegerin zeigte ihr per App gekauftes Ticket: „Einzelfahrausweis, 2 Stunden in eine Richtung, gültig zum sofortigen Fahrtantritt, 2,90 Euro.“ Berlin AB also.

Der Bahnhof Schönefeld liegt knapp außerhalb der Stadtgrenze im Tarifgebiet C. Macht 60 Euro, keine Diskussion. Das war Anfang März – und mit den lockerer werdenden Regeln kommen wohl auch bald Touristen nach Berlin zurück. Abfliegen und landen werden sie, wegen der Schließung von Tegel, in SXF.

Tourismuswerber fürchten Image-Schaden für Berlin

„Offensichtlich nimmt die S-Bahn gezielt Touristen ins Visier, die diesen simplen Fehler machen“, schrieb Linnea Hansen nach ihrer Rückkehr nach Norwegen an den Tagesspiegel. „Ich finde es eine sehr schlechte PR für Berlin, wenn ein Staatsunternehmen Touristen derart unfreundlich behandelt und mit so unverhältnismäßigen Strafen belegt, zumal in der App gar nicht darauf hingewiesen wird.“

Den Tourismuswerbern von Visit Berlin ist das Thema nicht neu: „Wir bekommen immer mal wieder Beschwerden von internationalen Gästen“, sagt Visit-Sprecher Christian Tänzler. Es gehe dabei nicht um Ticketkontrollen im Allgemeinen, sondern stets um die böse Überraschung bei Schönefeld – und nicht nur um die Kontrollen an sich, „sondern darum, wie die Leute behandelt werden“: rau im Ton und unnachgiebig.

„Gerade weil es das erste oder das letzte Bild unserer Stadt ist, das die Gäste bei diesen Kontrollen bekommen, würde ich mir da mehr Kulanz wünschen“, sagt Tänzler.

Der Flughafen Schönefeld befindet sich nur ein paar hundert Meter jenseits der Berliner Stadtgrenze in Brandenburg.
Der Flughafen Schönefeld befindet sich nur ein paar hundert Meter jenseits der Berliner Stadtgrenze in Brandenburg.

© Stefan Jacobs

S-Bahn-Chef Peter Buchner versichert, „dass wir alles uns Mögliche tun, auch auf diesen Streckenabschnitten eine hohe Qualität bei der Fahrkartenprüfung sicherzustellen“. Dazu gebe es regelmäßige Qualitätskontrollen und Austausch mit den Kontrollfirmen.

Mit dem Verkehrsverbund VBB seien „Kulanzregelungen zugunsten“ auswärtiger Fahrgäste vereinbart, etwa bei fehlender oder mehrfacher Entwertung von Tickets. Laut Verkehrsvertrag sei die S-Bahn zu gleichmäßig im Netz verteilten Kontrollen verpflichtet.

In der S 45 gibt es keine Durchsagen

Im Fall des C-Tarifs sei „sehr schwer zu differenzieren“, ob Fahrgäste aus Versehen oder absichtlich kein gültiges Ticket haben. Um es Touristen möglichst leicht zu machen, hätten die Automaten in Schönefeld einen „City-Button“, und in den Zügen stadtauswärts werde der Tarifgebietswechsel rechtzeitig angesagt. Letzteres gilt allerdings nicht für die Züge der alten Baureihe 480 – die als S 45 nach Schönefeld fahren.

Zum konkreten Fall schreibt Buchner noch, dass das falsche Ticket offenbar selbst in einer App ausgesucht worden sei. Wäre die Kundin über die Routenauswahl gegangen, hätte sie automatisch den richtigen Fahrschein erhalten.

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Mit der Eröffnung des BER soll es laut Buchner noch einfacher werden – durch einen „Airport-Button“ für die Fahrt stadtauswärts und den ausschließlichen Einsatz von Zügen, in denen die Ansage funktioniert. So wie in den Bussen der BVG, in denen an der Stadtgrenze auf Deutsch und Englisch auf den fälligen Anschlussfahrschein hingewiesen wird.

Der Weg zum künftigen BER-Hauptterminal führt noch zwei Stationen weiter durchs Tarifgebiet C, weil die Strecke über Waßmannsdorf dorthin verlängert wird.

Keine „Fangprämien“ fürs Erwischen von Schwarzfahrern

Die Pressestelle der Bahn nennt auf Anfrage als Schwarzfahrer-Schwerpunkte die Nord-Süd-Linien und die Stadtbahn in der Innenstadt, den Südring und „wie von Ihnen vermutet die Übergänge zwischen den Tarifgebieten B und C“.

Beim Verkehrsverbund ist der Ärger von Touristen ebenfalls ein regelmäßig wiederkehrendes Gesprächsthema. Die Kontrolleure erhielten aber weder offizielle „Fangprämien“ fürs Erwischen von Schwarzfahrern, noch werde gezielt nach Touristen Ausschau gehalten, versichert VBB-Sprecher Joachim Radünz.

VBB-Sprecher: Klare Regeln für Anbindung an BER

Für die Anbindung des BER „sind wir gerade dabei, das klar zu regeln, dass Touristen wissen, welchen Fahrschein sie brauchen. Die gesamte Fahrgaststeuerung und Fahrgastinformation sind ein großer Schwerpunkt bei der Neukonzipierung des BER-Anschlusses.“

An Linnea Hansens Ärger ändert das allerdings nichts: „Die Kontrolleure hätten mich am Bahnhof Grünbergallee auf den Fehler hinweisen können. Stattdessen haben sie gewartet, bis die Türen zu sind, um ihren Reibach mit den Pechvögeln zu machen“, sagt sie.

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