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Ein Radfahrer steht mit seinem Fahrrad in der Versuchsabteilung von Mercedes Benz neben einem LKW mit einem Abbiegeassistenten.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Exklusiv

Schutz vor tödlichen Unfällen: Großteil der Berliner Landes-Lkw besitzt Abbiegeassistenten

Mit Assistenzsystemen können viele Unfälle, bei denen Lastwagen Menschen überrollen, vermieden werden. Die Umrüstung der Berliner Fuhrparks kommt voran.

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Ein Großteil der Lkw von Berliner Landesunternehmen ist bereits mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet. Das teilte die Senatsverwaltung für Wirtschaft dem Tagesspiegel auf Anfrage mit. Mit solchen Systemen soll eine typisches, für Radfahrer und Fußgänger potenziell tödliches Unfallrisiko vermieden werden: Der elektronische Assistent warnt den Fahrer, wenn sich beim Rechtsabbiegen im toten Winkel Menschen befinden.

Im September 2018 hatte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) alle Landesunternehmen aufgefordert, ihre Lastwagen-Fuhrparks mit Abbiegeassistenten nachzurüsten. Die Messe Berlin und die Wasserbetriebe hätten ihre Flotten bereits komplett umgerüstet, teilte die Wirtschaftsverwaltung jetzt mit. Die Wasserbetriebe bestätigten das: Die schweren Lkw über 7,5 Tonnen seien seit Juli komplett nachgerüstet, die kleineren Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen Gewicht in den Monaten danach gefolgt.

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) ist noch nicht ganz so weit. Zwar seien alle neu beschafften 7,5-Tonner bereits mit solchen Assistenzsystemen ausgestattet.

Zudem gebe es aber 520 Altfahrzeuge, die nachgerüstet werden sollen. Das sei bereits bei 360 Lkw, also 70 Prozent, erfolgt. Bis Ende des Jahres 2020 solle die Nachrüstung abgeschlossen sein, heißt es von der Senatsverwaltung für Wirtschaft.

Abbiegeassistent: Auch viele BVG-Fahrzeuge sind umgerüstet

Bei der BVG sind die neueren Busse bereits mit Kameras über den Türen rechts ausgestattet, die auch beim Abbiegen helfen sollen. Parallel kündigt Unternehmenssprecherin Petra Nelken an: „Abbiegeassistenten werden kommen – nicht alle auf einmal, aber sie kommen.“

Neben den rund 1300 Bussen besitzt die BVG auch 17 Lkw über 7,5 Tonnen. Von ihnen seien bereits sieben mit Abbiegeassistenten nachgerüstet worden. Die restlichen zehn sollten noch in diesem Jahr im Rahmen der Hauptuntersuchung folgen, versprach der Senat.

BVG-Abschleppwagen müssen noch nachgerüstet werden

Bleiben noch die erst vor kurzem angeschafften sieben Abschleppfahrzeuge der BVG. Diese seien gebraucht gekauft worden, auch sie sollen nach Angaben des Senats noch im Laufe des Jahres nachgerüstet werden. Zudem besitzt die BVG noch Spezialfahrzeuge für die Wartung der Straßenbahn-Anlagen, sogenannte Turm- und Oberleitungswagen. Diese sollen demnächst durch Neuwagen ersetzt werden, heißt es, die bereits mit Abbiegeassistenten geliefert werden sollen.

Für die Feuerwehr und die Polizei liegen noch keine Zahlen vor.

Hamburg rüstet alle Landes-Lkw mit Abbiegeassistenten aus

Im Schnitt wurden in Berlin in den vergangenen Jahren jeweils etwa fünf Fußgänger und Radfahrer von rechts abbiegenden Lastwagen getötet. Deutlich mehr wurden schwer verletzt. Zuletzt starb eine Fahrradfahrerin in Kreuzberg: Ein rechts abbiegender Lkw überrollte sie am Kottbusser Tor.

In Hamburg soll die Umstellung noch schneller gehen: Dort sollen alle Landes-Lkw binnen weniger Wochen mit Abbiegeassistenten ausgestattet werden, wie der NDR-Sender 90,3 berichtete.

Alle 2000 städtischen Lastwagen mit über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht sollten ausgerüstet werden, etwa bei Feuerwehr und Stadtreinigung. Pro Fahrzeug würden zwischen 1000 und 2000 Euro Kosten anfallen, berichtete der NDR.

Diese Aktionen von Hamburg und Berlin haben zwar einen Vorreitercharakter. Für deutlich mehr Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger werden sie nicht sorgen, schließlich machen die Lkw von Landesunternehmen nur einen kleinen Anteil am gesamten Lastwagenverkehr in den Städten aus.

Verbot für Lkw ohne Abbiegeassistent wird wohl nicht kommen

Deutlich mehr würde ein generelles Fahrverbot für Lastwagen ohne die Technik in der City bringen. Ein solches Vorhaben hält die Berliner Verkehrsverwaltung aber für nicht durchsetzbar: Für ein Verbot müsste für jede einzelne Kreuzung eine Gefahrenlage nachgewiesen werden, hatte ein Sprecher von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) unter Berufung auf die hauseigene Rechtsabteilung schon vor längerer Zeit erklärt.

Er widersprach mit dieser Einschätzung einem Gutachten, das die Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben hatte. Ein Hauptargument der Skeptiker ist, dass ein Verbot mit den aktuellen EU-Zulassungsrichtlinien kollidiere: EU-weit sollen Abbiegeassistenten voraussichtlich erst ab 2022 vorgeschrieben werden. Das gilt allerdings nur für Neufahrzeuge. So werden noch eine ganze Zeit Lkw ohne die Systeme durch die Straßen fahren.

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