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Schulkinder am Straßenrand, vor denen ein Auto vorbeirast, Thema Schulweg-Sicherheit.

© Patrick Pleul/picture-alliance/dpa

Schulwege in Berlins Bezirken: Sicher ist anders

Welche Verkehrsgefahren lauern auf den Schulwegen von Berlins Kindern? Wie reagieren Behörden? Leserinnen und Leser haben uns viele Beispiele genannt.

Es begann in Friedrichshain-Kreuzberg: „Kennen Sie auch Kreuzungen in unserem Bezirk, in denen Kinder auf dem Schulweg und andere Fußgängerinnen immer wieder in brenzlige Situationen geraten? Dann schreiben Sie mir eine E-Mail“, hatte unsere Xhain-Newsletter-Autorin ihre Leserinnen und Leser gebeten. Anlass war eine Ecke der Bergmannstraße, die mit Pollern versehen wurde, damit dort keine Autos mehr illegal parken und Fußgängern – vor allem Kindern – die Sicht beim Überqueren der Straße nehmen können.

Die Resonanz auf den Aufruf war stark und über weitere Aufrufe in Bezirksnewslettern bekamen wir noch viele weitere Beispiele für gefährliche Schulwege.

Bleiben wir erst mal in Kreuzberg: Anwohnerinnen und Anwohner der Katzbach- Ecke Kreuzbergstraße bemühen sich seit zwei Jahren bei der Senatsverwaltung für Umweltschutz, Verkehr und Klima (SenUVK) um Verkehrsberuhigungsmaßnahmen (Tempo 30, Blitzer, Kontrollen, Lkw-Verbot).

Bisher erfolglos, denn laut SenUVK sei keine Unfallhäufung an besagter Stelle registriert. „Dabei ist bereits 1994 ein Kind an dieser Kreuzung ums Leben gekommen“, warnte eine Anwohnerin und schickte einen entsprechenden Zeitungsartikel.

Und überhaupt: Muss erst jemand sterben, bevor eine Kreuzung sicherer wird? Die Pkws und Lkws überquerten den Straßenschnittpunkt immer noch häufig bei Rot, vor allem jene, die von der Katzbachstraße bergab Richtung Kreuzung rasen.

[In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken befassen wir uns regelmäßig unter anderem mit Schul- und Verkehrsthemen. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Nur ein paar Meter weiter bleibt den im Möckernkiez wohnenden Kindern lediglich eine Grünphasendauer von sieben Sekunden, um die Yorckstraße zu überqueren. Ziel auf der anderen Seite: die Adolf-Glaßbrenner- und die Charlotte-Salomon-Grundschule. Dies sei bei einem barrierefreien Kiezspaziergang, veranstaltet vom Möckernkiez e.V., schon im Mai 2015 bemängelt worden. „Jetzt haben wir, glaube ich, 2019“, schreibt uns eine Leserin.

Dauerthema Grünphasen

Zu kurze Grünphasen sind ohnehin ein Dauerthema für die Leserinnen und Leser unserer Newsletter. Dass hier Menschen, die zu Fuß gehen, systematisch benachteiligt werden, ist ein Symptom des jahrzehntelangen verkehrspolitischen Irrwegs der autogerechten Stadt. Und auch Verkehrsberuhigung hilft nicht allein. „Ich bin Mutter eines knapp Achtjährigen, der in Neukölln auf die Richardschule geht“, heißt es in einer Zuschrift. „Der Schulweg ist recht kurz, beschäftigt uns aber bereits seit Schulbeginn.“

Besonders kritisch sei der Richardplatz. „Die erlaubten 10 km/h hält dort niemand ein – insofern verschafft diese Art der Verkehrsberuhigung nur eine trügerische Sicherheit. Gleichzeitig gibt es momentan keinerlei sichere Übergänge für die Schulkinder. Abgesenkte Bordsteine, die an angedachten Übergängen angelegt sind, sind meist zugeparkt. Halte- und Parkverbote werden sowieso ignoriert.“

[...] Es ist nicht so, dass die Verkehrsteilnehmer blutrünstig aufeinander losgehen, aber sich hier und da einen kleinen Vorteil auf Kosten der anderen verschaffen ist Gang und Gäbe.

schreibt NutzerIn berlinradler

Und dann kommt ein weiteres Dauerthema: „Hierbei sind leider auch die sogenannten Elterntaxis nicht ganz unbeteiligt. Besonders nach Schulende gegen 16 Uhr verwandelt sich der Kiez in eine Durchfahrtstrecke.“ Bereits vorgestellte Gegenmaßnahmen brächten nur bedingt Abhilfe. Neue „Rixdorfer Kissen“ also Bodenschwellen, die zum Abbremsen zwingen sollen, mögen die Durchschnittsgeschwindigkeit senken, lösten aber nicht „das Problem des Verkehrsaufkommens und der mangelnden Querungsmöglichkeiten“.

Im Bezirk Pankow kämpft eine Elterninitiative seit Jahren dafür, den Schulweg zur Grundschule an den Buchen in der Wilhelm-Wolff-Straße in Niederschönhausen zu entschärfen. Weder vor der Schule noch an der benachbarten Kita Villa Lobo könnten Kinder die Straße sicher überqueren oder den Bürgersteig entlanggehen, „da sich Autofahrer nicht an die Verkehrsregeln halten und aufgrund der vielen Fahrzeuge die Situation unübersichtlich ist“, schreibt uns die Initiative.

Verstärkt werde das Problem durch Elterntaxis, die vor der Schule im Parkverbot parken, Einfahrten und Gehwege zum Parken und Wenden nutzen sowie rücksichtslos fahren und rangieren. Zwischen den Autos seien Grundschulkinder aufgrund ihrer Größe extrem gefährdet. Es habe schon zwei Unfälle mit Schulkindern und viele Fast-Unfälle gegeben.

[Und welche für Kinder gefährlichen Ecken sind Ihnen auf Berliner Schulwegen aufgefallen? Bitte schreiben Sie an unsere Autorinnen und Autoren, deren E- Mail-Adressen Sie in den jeweiligen Bezirksnewslettern finden.]

Bereits 2017 hatte die Elterninitiative Anträge zur Verbesserung gestellt. Eine Gehwegvorstreckung wurde jedoch als „zu teuer“ und „nicht zielführend“ vom Bezirksamt abgelehnt. Eine Anfrage für den Einsatz von Schülerlotsen wurde wiederum von der Präventionsbeauftragten der Polizei abgelehnt – und zwar „aus Sicherheitsgründen“. Eine Bankrotterklärung für die Initiative: „Es kann doch nicht sein, dass der Einsatz von Schülerlotsen als zu gefährlich abgelehnt wird, jedoch nichts unternommen wird, um die Situation dauerhaft zu verbessern!“

Eine Elternvertreterin der Fuchsberg-Grundschule in Biesdorf berichtet uns von der Heesestraße, einer Tempo-50-Straße, an der Ampeln oder Zebrastreifen „dringend erforderlich“ seien. Von der Senatsverkehrsverwaltung habe man dazu nur Absagen erhalten. Zu spüren bekämen Schulkinder auch die Sperrung der Salvador-Allende-Brücke: Weil die Köpenicker Straße nun noch voller sei, würden noch mehr Autofahrer, die in Richtung B1/B5 wollen, auf die parallele Fahrradstraße Alberichstraße und Wulkower Straße ausweichen, um dem morgendlichen Stau zu entgehen.

„Schlecht für Kinder, da dort auch kein separater Fuß- oder Radweg besteht“, schreibt die Elternvertreterin. Dies sind nur einige der vielen Zuschriften, die uns zum Thema erreicht haben. Wir sammeln weiter, wir bleiben dran, und wir werden die zuständigen Behörden immer wieder mit dem Thema Schulwegsicherheit konfrontieren.

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