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Roger Jürschik ist seit der Gründung des ElisaBeet dabei – in diesem Jahr wird erstmals richtig geerntet.

© Gerd Nowakowski

Urban Gardening in Gesundbrunnen: Wo Nachbarn zwischen Grabsteinen Gurken anpflanzen

Das „ElisaBeet“ auf dem St. Elisabeth-Friedhof II in Berlin-Gesundbrunnen ist ein besonderer Lernort und Treffpunkt für Kinder und Erwachsene.

Vor dem eindrucksvollen Backstein-Tor der Wollankstraße 66 lärmt Gesundbrunnen, dahinter herrscht wohltuende Friedhofsruhe, in der nur die Vögel lärmen. Ganz hinten auf dem evangelischen St. Elisabeth-Friedhof, wo Grabstätten immer seltener werden, findet man das „ElisaBeet“. Wobei es den „solidarischen Lehrgarten“ auf rund zweieinhalb Hektar nur deshalb gibt, weil dort eben keine Gräber sind. In Berlin finden zu wenig Erdbestattungen statt, und große Friedhofsflächen sind ungenutzt. Seit dem vergangenen Sommer hat deshalb das Urban-Gardening-Projekt „ElisaBeet“ einen fünfjährigen Nutzungsvertrag mit der protestantischen Kirche.

Unter den Beeten liegen keine Leichen

„Keine Sorge“, beruhigt Roger Jürschik, „unter den Beeten liegen keine Leichen“. Wo nun die Nachbarschaft gärtnert, hatte der Friedhof früher seine Kompostflächen. Fruchtbarer Boden also. Die Kiezgärtner freut das. Naturschutz und gesunde Nahrung, das gehört für Roger Jürschik zusammen. Der kräftige Mann mit den kurzen Haaren hat sich schon seit der Kindheit, als ihn der Opa angelernt hat, den Pflanzen und Gehölzen gewidmet und später auch im Garten- und Landschaftsbau gelernt und gearbeitet.

Jürschik ist fast jeden Tag im „ElisaBeet“, denn gerade im Sommer geht ihm und den anderen Gartenfreund:innen die Arbeit nie aus. Um Blumenzucht geht es hier nicht; das „ElisaBeet“ ist ein Nutzgarten. Trotzdem wachsen überall Blumen, und gerade sind die Sonnenblumen total hochgeschossen.

Im langgezogenen Gewächshaus unter der schützenden Kunststofffolie schießt das Gemüse jetzt förmlich aus der Erde. Knallwarm und schweißtreibend ist es unter der Folie, wenn die Sonne scheint. Jürschik ist das gewohnt. Paprika, Tomaten, Gurken und sogar Physalis und Chili gedeihen hier bestens. Nur die Gurken sind noch etwas hinterher – der kalte Frühling, sagt Jürschik nur.

Die Anerkennung der Nachbarschaft wächst

Das Elisabeet ist ein Begegnungsort mit einem starken Fokus auf Umweltbildung und nachhaltiger Lebensmittelproduktion. Mit den munter sprießenden Pflanzen und Gemüsearten wächst auch die Anerkennung der Nachbarschaft. „Der Respekt ist unheimlich gewachsen“, erzählt Roger Jürschik: „Jetzt grüßen uns die Leute auf der Straße“. Er weist auf einige Kinder, die im Schatten sitzen. „Anfangs wurden uns Löcher in die Kunststoffplane geschlagen, jetzt kommen Jugendliche regelmäßig und sammeln Unkraut.“ Für die Kinder gibt es eine eigene Beetreihe, wo sie sich ausprobieren können.

Anders als bei anderen Urban-Gardening-Projekten wie etwa dem Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld oder den „Prinzessinnengärten“ gibt es beim „ElisaBeet“ keine Hochbeete, sondern Pflanzenanbau in langen Beeten. Hochbeete seien gut in kleinen Anlagen oder Mehrgenerationen-Gärten, weil man sich nicht hinknien und bücken müsse, man könne aber nur wenige Nutzpflanzen anbauen.

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Gärtnern im Boden ist ein anderes Gefühl, sagt Jürschik. Hier sind in den Beeten etwa Rotkohl, Mangold oder Knollenfenchel zu sehen. Auch ein paar Heilpflanzen kann man finden. Jürschik, der ab 2015 auch im „Prinzessinnengarten“ am Kreuzberger Moritzplatz mit dabei war, hätte gerne noch Blattfenchel, weil die besonders Marienkäfer anlockt. Und die fressen wieder Blattläuse. So geht natürlicher Pflanzenschutz.

Gegen eine Spende können Anwohner Gartenfrüchte pflücken

Jürschik mag besonders gerne Obst-Gehölze. Deswegen gibt es auch eine lange Reihe mit jungen Apfel-Bäumen verschiedener Sorten, von denen einige schon Früchte tragen. Die freiwilligen Gärtner „haben sich rührend gekümmert“, als es einen starken Schädlingsbefall gab, erzählt Jürschik. „Wenn man sich gemeinsam am Acker trifft, dann kommt man auch persönlich zusammen“, sagt er. Genau darum geht es ja auch.

Angelegt haben die Kiezgärtner auch einen Barfußpfad mit unterschiedlichen Bodenbelägen, eine Rundbank unterm schattigen Baum ist in Bau, und sogar ein geradezu luxuriöser Bio-Toiletten-Container steht bereit. Neben den regelmäßigen Arbeitstreffen gibt es auch einen Jungpflanzen-Verkauf. Und gegen eine Spende können Anwohner:innen auch die Gartenfrüchte pflücken. Noch wird erst ein kleiner Teil der Fläche genutzt. Da bleibt buchstäblich viel Raum, um die naturnahen Flächen auch zum Bildungsort in Sachen Umwelt zu machen. Um die vielen Ideen umzusetzen, freuen sich die ehrenamtlichen Gärtner:innen über weitere Freiwillige. Kennenlernen und mitmachen kann man das „ElisaBeet“ bei der „Gemeinsamen Sache“ am 10. und 17. September.

Infos: himmelbeet.de/veranstaltung/mitmachtag-auf-dem-elisabeet-august, Kontakt: elisabeet@himmelbeet.de

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Mehr Mitmachmöglichkeiten: Hier sind Freiwillige überall willkommen

Offene Tür im Vierfelderhof

Der gemeinnützige Spandauer Vierfelderhof lädt am Sonnabend, 11.9., von 12 bis 16 Uhr ein. Der Hof wird nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus bewirtschaftet und mit der Zielsetzung eines Lernorts Bauernhof betrieben. Neben Getreide, und Ackerfutter werden Kartoffeln, Gemüse und Beeren angebaut. Es werden Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine, Hühner, Gänse und Kaninchen gehalten. Ehrenamtliche sind willkommen bei der Versorgung der Tiere, zur Mithilfe in Landwirtschaft und Gartenbau oder bei Verarbeitung und Verkauf der Produkte, bei Reparaturen oder Kreativprojekten mit Kindern. Ort: Groß-Glienicker-Weg 30, 14089 Spandau. Infos: vierfelderhof.de

Schnitzeljagd in Charlottenburg

Das „Junge Engagement Charlottenburg-Wilmersdorf“ lädt am Montag, 13.9., von 17 bis 18.30 Uhr junge Menschen ein, um gemeinsam den Kiez rund um die Schlossstraße zu erkunden. In einer Schnitzeljagd gilt es, spannende Orte vor allem in Bezug auf Jugend und Engagement kennenzulernen und anzuschauen. An den Stationen warten spannende und lustige Quizfragen auf die Teilnehmer:innen sowie am Ende Preise für die Gewinner:innen. Auch freiwillige Helfer:innen werden gesucht. Mehr Infos: bringdichein-berlin.de/events/schnitzeljagd-actionbound-durch-den-kiez Treffpunkt: Rathaus Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin. Kontakt: 0175-2646263 oder junges-engagement@tjfbg.de

Spandau sammelt Kippen

Die Initiative „Sauberer Kiez Spandau“ lädt am Sonnabend, 11.9., von 13 bis 15 Uhr zum Kippensammeln im Bereich der Altstadt Spandau und am Bahnhof Spandau. Zudem werden Taschen-Aschenbecher an Rauchende verteilt. Zusätzlich wird mit Flyern über Umweltschäden durch Zigaretten aufgeklärt und auf die Initiative aufmerksam gemacht. Ort: Carl-Schurz-Straße 2-6, 13597 Spandau. Infos: saubererkiezspandau.de, Kontakt: 0157-74424617 oder Sauberer-Kiez-Spandau@web.de

Lebensturm für die Prinzessinnengärten

GoNature wird aktiv gegen den Klimawandel und baut am Dienstag, 14.9., ab 10 Uhr gemeinsam mit PlantAge einen Lebensturm, ein selbst gebautes Zuhause aus altem Gehölz, in dem sich Insekten und Wildtiere einnisten können. Ort: Hermannstraße 103-105, 12051 Neukölln. Kontakt: 0159-06793428 oder giulia.kalt@join-impact.org. Infos: gonature.de

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