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Unterricht an der Lenau-Schule in Kreuzberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Streit um Klassenmischung: Eltern: Kreuzbergs Lenau-Schule ist nicht rassistisch

Die Kreuzberger Lenau-Schule kommt nach dem Streit um die Klassenmischung nicht zur Ruhe. Die Elternschaft wehrt sich gegen neue Vorwürfe aus ihren Reihen und stellt sich hinter die Rektorin.

Im Konflikt an der Kreuzberger Lenau-Grundschule melden sich jetzt die Eltern zu Wort. Rund 100 Unterschriften – allein in der Schulanfangsphase – haben sie für einen offenen Brief gesammelt, um sich hinter ihre Rektorin und das Kollegium zu stellen. Sie wehren sich gegen den Vorwurf des Rassismus und werfen „Politik und Verwaltung“ vor, die Schule nicht genug zu unterstützen. Doch gleichzeitig sind neue Vorwürfe aufgetaucht.

Es geht um einen Konflikt, der eigentlich gelöst schien: Zu Anfang des neuen Schuljahres hatte eine kleine Elterngruppe dagegen aufbegehrt, dass eine der beiden Lerngruppen der Schulanfangsphase fast ausschließlich aus Kindern deutscher Muttersprache bestand, während in der anderen Gruppe nur Kinder mit Migrationshintergrund zu finden waren.

Die Senatsverwaltung für Bildung ordnete sofort eine bessere Durchmischung an, und alle glaubten, dass damit das Problem vom Tisch sei. Allerdings schwelte der Konflikt weiter. Einige Kinder würden von „überforderten“ Lehrkräften „schikaniert“, beklagt Sonay Avci, die Tante zweier Mädchen aus der Lenau-Schule, die schon Anfang August den Protest angeführt hatte. Einige Kinder würden deshalb nach den Herbstferien die Schule wechseln. Avci beklagt, dass die Schulleiterin Karola Klawuhn „kein Verständnis“ für Eltern nicht deutscher Herkunftssprache habe. Das ist aber noch längst nicht alles. Einige Mütter aus der kleinen Protestgruppe um Avci wandten sich an den Integrationsausschuss in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg und beklagten, dass bestimmte Klassen nach wie vor benachteiligt würden. Auch Tränen seien geflossen, berichtet der grüne Ausschussvorsitzende Wolfgang Lenk. Er entschied daraufhin, am vergangenen Mittwoch eine Mündliche Anfrage in der BVV zu stellen. Damit wurden die Vorwürfe öffentlich, ohne vorher ausreichend geprüft worden zu sein.

Zwar konnte Bildungsstadtrat Peter Beckers (SPD) die Vorwürfe entkräften, dass die Schule irgendwelche Mittel ungerecht oder gar zu Ungunsten der Migranten verteile. Gleichzeitig konstatiert Beckers aber, dass die Schule Rat brauche, um die Konflikte zu lösen. Sowohl er als auch die Schulaufsicht nähmen die Vorwürfe „sehr ernst“. Deshalb werde die Schule auf Empfehlung des Bezirksamtes Kontakt zur „Servicestelle in der Werkstatt für Integration durch Bildung“ aufnehmen. Ziel sei es, ein „Konzept für die Herstellung eines positiven und harmonischen Schulklimas zu entwickeln“, legte Beckers in der BVV dar.

Dagegen hat die Mehrheit der Eltern nichts einzuwenden. Allerdings fragen sie sich, wie es kommen konnte, dass eine kleine Elterngruppe die Schule derart in Verruf bringen konnte. „Wir Eltern der Schulanfangsphase sehen uns und die Lenau-Schule mit grotesken und unwahren Vorwürfen konfrontiert, die uns zum einen verunsichern, aber auch wütend machen“, sagt Elternsprecherin Aydan Yeyin-Kocadag. Zusammen mit anderen Eltern hat sie den offenen Brief verfasst, in dem sie sich hinter die Schulleitung stellen und das Engagement der Schule bei der Integration der Kinder, die mehrheitlich einen Migrationshintergrund haben, würdigen. So sei die Schule in der Region die einzige, die Deutschunterricht für Mütter anderer Herkunftssprachen anbiete.

Nun ist die Bildungsverwaltung am Zug

Unterricht an der Lenau-Schule in Kreuzberg.
Unterricht an der Lenau-Schule in Kreuzberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Es gebe ein offenes Müttercafé und „Bilderbuchkino-Lesungen“ in türkischer und arabischer Sprache. Dieser Schule einen Rassismusvorwurf zu machen, sei „absurd“, heißt es in dem Brief. Die Eltern verlangen von der Politik, dass sie die Schule in Schutz nimmt, anstatt sie in der Öffentlichkeit zu maßregeln. Besonderen Ärger hat der Grüne Wolfgang Lenk auf sich gezogen. Ohne mit der Schule oder mit der Gesamtelternvertretung gesprochen und ohne die Schule besucht zu haben, vertritt er öffentlich die Auffassung, dass in der Schule „ein langer Prozess der interkulturellen Fortbildung weitergehen muss“. Zudem fragt sich Lenk, „ob die Schule so aufgestellt ist, dass sie mit der Vielfalt der Kinder umgehen kann“.

„Mich erstaunt, dass Kommunalpolitiker so naiv sein können“, sagt Vera Vordenbäumen. Sie hatte ihre Tochter sechs Jahre lang an der Lenau-Schule, war Gesamtelternvertreterin und ist zudem im Bezirkselternausschuss aktiv. Ihres Erachtens hätte Lenk „erst alle Seiten hören müssen, bevor er Partei ergreift“. Ihr tut es nicht nur um die jahrelange schwere Aufbauarbeit des Kollegiums leid, sondern auch um die Schulleiterin, die extrem engagiert sei.

Ebenso wie Elternsprecherin Aydan Yeyin-Kocadag fragt sich Vordenbäumen, was die Kritiker der Schule um Sonay Avci und die anderen Mütter, umtreibt, die „weiter aggressiv gegen unsere Schule arbeiten“, anstatt den Dialog mit der Schule, den Gremien oder mit den beiden Sozialarbeiterinnen der Schule, die beide einen Migrationshintergrund haben, zu suchen. Von den anderen Müttern, die sich bei Lenk und Beckers beklagt hatten, war bislang noch keine Stellungnahme zu bekommen. Avci stellte in Aussicht, dass „nächste Woche“ ein Gespräch möglich sein könne.

Nun ist die Bildungsverwaltung am Zug. Sie muss zunächst die Dienstaufsichtsbeschwerden prüfen, die laut Avci „laufen“. Gleichzeitig wollen die anderen Lenau-Eltern von der Verwaltung wissen, warum sie jahrelang der Entmischung in den Kreuzberger Schulen tatenlos zugesehen hat, um dann „per Anordnung“ an der Lenau-Schule ein solches Exempel zu statuieren. „Anstatt sich gleich unter der Rassismuskeule zu ducken, hätte die Verwaltung erstmal alle Vorwürfe prüfen müssen“, heißt es aus der Elternschaft. Stadtrat Beckers hat jetzt die Aufgabe, auf die Schnelle neue Schulen für die Kinder zu suchen, deren Mütter möchten, dass sie die Lenau-Schule verlassen. Es gebe wohl zwei Plätze an der Adolf-Glasbrenner-Schule, sagte Beckers am Montag. Ihm gehe es vor allem darum, dass der Konflikt schnell beigelegt werde, „damit die betroffenen Kinder zur Ruhe kommen“.

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