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Starkes Team. Jessica Fuchs (2.v.r.) und die Schülerinnen vom Mädchenladen in Kreuzberg bitten um Spenden.

© Kai-Uwe Heinrich

Spendenserie: "Menschen helfen!": Die Mädchen vom Kottbusser Tor

Für Schülerinnen, die am Kotti aufwachsen, gibt es einen sicheren Rückzugsort – nun benötigen sie die Hilfe der Tagesspiegel-Leser.

Kottbusser Tor – Heimat von Drogenabhängigen, Gewalt und betrunkenen Touristen. So ist der Eindruck, zumindest auf den ersten Blick. Doch der Kotti in Kreuzberg ist auch die Heimat von vielen Jungen und Mädchen. „Es ist keine kinderfreundliche Gegend hier“ sagt Jessica Fuchs. „Viele Kinder wachsen in den Innenhöfen rund um das Kottbusser Tor auf. Da kommen oft Junkies hin, setzen sich einen Schuss und lassen ihre Spritzen liegen.“

Um den Mädchen in den Höfen einen Zufluchtsort und einen Raum zur freien Entfaltung zu geben, hat Fuchs vor rund sechs Jahren den Mädchenladen in der Reichenberger Straße eröffnet. Zu Hause finden die Schülerinnen oft nicht die Aufmerksamkeit, die sie benötigen, diese gebührt eben gleich vielen Geschwistern.

Eine Oase im rauen Alltag

Gehen sie nach draußen, werden sie mit der knallharten Realität des Kottbusser Tors konfrontiert. Der Mädchenladen wirkt da wie eine Oase inmitten des rauen Alltags. In der Kinder- und Jugendeinrichtung können Mädchen an drei Tagen in der Woche zusammenkommen, spielen, sich austauschen und werden sozialpädagogisch von Erzieherinnen verschiedener Nationen betreut.

Finanziert wird die kleine Einrichtung mit drei Zimmern, Bad und Küche hauptsächlich durch Spenden, doch das Geld ist knapp – vom Jugendamt gibt es, für den kompletten Bedarf, zu wenig. Daher wenden sich Jessica Fuchs und ihre Mädchen vom Kotti nun an die Leser des Tagesspiegels: „Wir haben alle gemeinsam überlegt, welche Sachen fehlen, welche Kosten schwer durch andere Förderungen übernommen werden und welche Wünsche die Mädchen haben.“ Sie bräuchten dringend Unterstützung bei den Strom- und Betriebskosten, Mittel für Ausflüge, Bücher einen Kühlschrank und einen Staubsauger. Insgesamt wünschen sie sich etwa 7300 Euro.

Den Mädchen wird an den Nachmittagen im Mädchenladen viel Freiheit eingeräumt. Sie können selbst entscheiden, was unternommen oder gespielt wird. Alle drei Monate wird ein Parlament abgehalten. Hier bespricht Jessica Fuchs neben den Anliegen der Kinder auch die finanziellen Möglichkeiten des Mädchenladens. „Ich finde es wichtig, dass die Kinder ein Gefühl für Geld bekommen und mitkriegen, wo unsere Grenzen liegen.“

Die Leiterin arbeitet ehrenamtlich

Neben dem Mädchenladen betreibt sie eine weitere, gemischte Kinder- und Jugendeinrichtung in der Kohlfurter Straße. Beide Einrichtungen sind Teil des von Fuchs vor 15 Jahren gegründeten Loyal e.V. „Angefangen habe ich mit 19 Jahren hier im Südhof in einer Waschküche“ sagt die junge Frau mit offenen blonden Haaren lächelnd. Um den Verein am Leben zu halten und ihre Mitarbeiterinnen bezahlen zu können, arbeitet sie selbst ehrenamtlich, verdient ihren Lebensunterhalt mit einem Zweitjob. Deutlich ist, dass es trotz aller Freiheiten auch Regeln im Mädchenladen gibt, die eingehalten werden. Auf dem für alle sichtbaren Verhaltenskodex stehen Dinge wie: „Diskriminierst Du andere als Behinderter, Jude oder Homo = Hausverbot oder Wiedergutmachung.“ Eine der Schülerinnen, die regelmäßig an allen drei Tagen zum Mädchenladen kommt, ist die zehnjährige Aisha. „Ich habe hier gelernt, andere Menschen zu respektieren, selbst wenn ich mich mit ihnen streite“, sagt sie, während sie ihren Teller abwäscht.

Auch Safa, ihre ebenfalls zehnjährige Freundin, kommt oft her. Ihr Onkel kam schon vor 15 Jahren zu Jessica Fuchs. Viele der Familien, die ihre Kinder in die Einrichtungen von Fuchs schicken, kennt sie schon lange. „Die Familien vertrauen uns, sie wissen, dass wir sie respektieren und niemals etwas tun würden, das ihrer Religion widerspricht“ sagt sie.

Ein paar Fakten: Laut Daten des Statistischen Landesamts Berlin von 2015 haben in dem Quartier um das Kottbusser Tor 69,92 Prozent der Einwohner einen Migrationshintergrund. Im südlichen Teil des Kottis sind hauptsächlich Menschen arabischer, kurdischer und türkischer Herkunft ansässig. Diese Konzentration geht einher mit Einkommensarmut und vielschichtigen Problemlagen.

Mädchen müssen oft Erwachsenenaufgaben übernehmen

Mädchen dieser Familien werden nach wie vor aufgrund ihres Geschlechts sozialisiert, müssen überwiegend im Haushalt mithelfen und auf ihre jüngeren Geschwister aufpassen, sprich Erwachsenenaufgaben übernehmen. Gleichzeitig sind sie kleine Mädchen, die spielen wollen und Schutz brauchen.

„Was mir am Mädchenladen am besten gefällt – wir machen Dinge, die meistens eigentlich Jungen machen. Im Oktober sind wir zu einem echten Hertha BSC Spiel gegangen. War das aufregend!“ sagt die 13-jährige Wasila strahlend.

Im vergangenen Jahr lernten die Mädchen in einem Workshop zu löten, kürzlich waren sie Schlittschuhlaufen. Es sind diese Dinge, die ihnen Selbstvertrauen geben, ihnen zeigen, dass es noch ein anderes Leben außerhalb des Kottbusser Tors gibt und dass es sich lohnt dafür zu kämpfen. „Wir wollen den Mädchen zeigen, wie sie starke Frauen werden können“, sagt Jessica Fuchs. Sie und ihre Kolleginnen vom Mädchenladen sind damit fast so etwas wie eine Art Familie für die Mädchen geworden. Oder eben eine kleine Inseloase im grauen Großstadtmeer.

Spenden für "Menschen helfen!"

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Das Spendenkonto: Bitte spenden Sie an: Empfänger: Spendenaktion der Tagesspiegel e.V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse, BIC BELADEBE, IBAN DE43 10050000 0250 0309 42. Online-Banking ist ebenfalls möglich. Spendenbeleg: Bitte notieren Sie vollständig und gut leserlich Namen und Anschrift, sonst bekommt der Tagesspiegel Probleme mit der Zusendung der Spendenbescheinigungen.

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