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Die Pädagogin Eva-Maria Kabisch trug den französischen Nationalorden und das Bundesverdienstkreuz.

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Nachruf auf Eva-Maria Kabisch: Sie baute Brücken und Türme

Eva-Maria Kabisch trug den französischen Nationalorden und das Bundesverdienstkreuz. Nachruf auf eine begeisterte Pädagogin.

Brücken bauen, ja, aber auch immer wieder Türme, um die Dinge von verschiedenen Seiten betrachten zu können – das konnte Eva-Maria Kabisch, und das hat die begeisterte und begeisternde Pädagogin als Lehrerin und später als Abteilungsleiterin in der Senatsverwaltung für Bildung und Jugend immer wieder getan. Am 28. Februar ist sie in Berlin verstorben.

Sie verknüpfte Fächer und Themen

Germanistik, Geschichte und Philosophie hatte Kabisch an der Freien Universität studiert und es schon als Lehrerin am Zehlendorfer Werner-von-Siemens-Gymnasium geschafft, alle drei Fächer wieder und wieder miteinander zu verknüpfen – egal, ob sie mit ihren Schülern die Französische Revolution behandelte oder anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins im Jahr 1987 mit ihnen ihr selbst verfasstes Theaterstück „Schaut auf diese Stadt“ aufführte: Zwei Jahre vor dem Mauerfall thematisierte sie die Probleme der Teilung und den Funken Hoffnung auf Wiedervereinigung – begleitet von der eigens von Klaus Wüsthoff komponierten Musik.

Ihre engagierte Haltung brachte sie in die Bildungsverwaltung mit. So hat sie während ihrer Dienstzeit für die Berliner Schüler wesentliche Veränderungen bewirkt, die bis heute gültig sind: Die Einrichtung von Begabtenklassen sowie die Zulassung der Fächer Darstellendes Spiel und Philosophie in der gymnasialen Oberstufe, die bis dato nur auf Antrag hatten eingerichtet werden können.

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Zu Kabischs Aufgaben gehörte auch die Vertretung des Landes Berlin in den Gremien der Kultusministerkonferenz – etwa als Vorsitzende des Bund-Länder-Ausschusses für das Auslandsschulwesen sowie die Betreuung der deutschen Auslandsschulen.

Die "Kabisch-Papiere"

Vielen Berliner Lehrern sind sicher die „Kabisch-Papiere“ in Erinnerung, die sie zur Vorbereitung des ersten Gesamtberliner Abiturs konzipiert hatte. Dabei handelte es sich um Hinweise für die Erstellung von Gutachten für die schriftlichen Prüfungsarbeiten und um Textbausteine als Hilfen für die Benotung der mündlichen Prüfungsleistungen. Das war notwendig, denn die Kultur der Notengebung war in Ost und West sehr unterschiedlich – vor allem deshalb, weil Transferleistungen oder gar eigene Urteile von den Kandidaten in den östlichen Bezirken kaum verlangt wurden: In keinem anderen Bundesland trafen die zwei Welten der Schulsysteme derart aufeinander wie in Berlin.

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Auf den jährlichen Dienstbesprechungen der Fachbereichsleiter Deutsch aller Berliner Gymnasien und Schulen mit gymnasialer Oberstufe – man traf sich damals noch persönlich und diskutierte kontrovers und differenziert – warb sie voller Begeisterung für ihr Fach Deutsch: Lange vor den Pisa-Ergebnissen verdeutlichte sie die Bedeutung dieses Faches für alle anderen Fächer – Lesekompetenz, kritische Textrezeption, Entwicklung reflektierter moralischer Positionen durch die Lektüre von Literatur und anspruchsvollen Sachtexten! Ja, sie warb dafür, Literatur zum Schwerpunkt des Faches zu machen. Dass sie der Unterrichtspraxis weiterhin verbunden war, verdeutlichte sie als Autorin viel beachteter Schulbücher.

Verdienste um die deutsch-französische Zusammenarbeit

Nach ihrer Pensionierung war Eva-Maria Kabisch Präsidentin der Stiftung Jugend und Bildung. Sie konzipierte eine Art „Baucurriculum“ für die Wüstenrot-Stiftung sowie Fortbildungsangebote für Schüler und Lehrer und war bis zu ihrem Tod Präsidentin der „Deutschen Gesellschaft der Mitglieder der Französischen Ehrenlegion und des Französischen Nationalen Verdienstordens e. V.“. 1999 war ihr der französische Kulturorden „Chevalier dans l'Ordre des Palmes Académiques“ verliehen worden, 2004 erfolgte die Ernennung zum „Chevalier de l’Ordre National du Mérite“ in Würdigung ihrer Verdienste um die deutsch-französische Zusammenarbeit.

Bereits 1998 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet – für ihren Einsatz als „Brückenbauerin Ost-West“ im Schul- und Bildungsbereich in den Jahren nach 1989. Im Jahr 2006 war sie als Parteilose in das Schattenkabinett des damaligen CDU-Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger aufgenommen worden Sie sollte im Falle eines Wahlsieges der Christdemokraten Schulsenatorin werden.

Der frühere Bildungssenator Klaus Böger würdigte Eva-Maria Kabisch 2004 mit den Worten: „Wer wie sie die gemeinsamen Wurzeln von Nationen und Kulturen kennt und benennen kann, hilft auch anderen, den Blick zu heben und zu weiten.“

Die Autorin ist Oberstudienrätin a. D.

Christine Sauerbaum-Thieme

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