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Tablet statt Tafel. Lehrer und Schüler arbeiten längst mit moderner Technik.

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Multimediale Schule: Das Ende der Kreidezeit

Jedes zweite Klassenzimmer an weiterführenden Schulen in Deutschland ist inzwischen online, ergab eine Umfrage des Verbands Bitkom. Wie verändern elektronische Medien das Lernen? Zwei Erfahrungsberichte.

Das Smartboard – die Tafel des 21. Jahrhunderts. Sauber, einfach in der Handhabung und vor allem: praktisch! Mittlerweile setzen fast alle Schulen auf dieses Wunderwerk der Technik. So auch mein Gymnasium. Seitdem die weißen Ungetüme jeden unserer Klassenräume schmücken, können die Lehrer unsere – mehr oder weniger – schönen Tafelbilder direkt auf den eigenen Computern abspeichern und auch von zu Hause aus benoten.

Die moderne Tafel selbst operiert mit einem großen leistungsstarken Beamer, der das Unterrichtsmaterial von dem angeschlossenen Rechner direkt auf die riesige digitale Fläche projektiert. Im Grunde ist der ganze Schnickschnack nichts anders als der gute alte Overheadprojektor – nur eben…2014.

Unter anderem hilft das Smartboard ungemein bei Vorträgen, bei denen mit Powerpoint gearbeitet wird. Eigentlich kann man sagen, dass es alle Schüler lieben. Und wenn dann mal der Strom ausfällt oder der Beamer den Geist aufgibt, ist das Heulen groß. Nicht zuletzt, weil es sich so wunderbar zum entspannten Filmegucken eignet. Schließlich wurden schon einige Stunden von Lehrern, deren Unterrichtsvorbereitung ein wenig zu kurz kam, mit pädagogisch wertvollem Videomaterial überbrückt.

Die Tatsache, dass bei Stromausfall oder anderen technischen Ärger oft gar nichts mehr geht, stellt ein echtes Problem dar! Zwar hängt in fast allen Räumen zusätzlich noch ein analoges Whiteboard, das im Notfall gern genutzt wird, aber lange nicht so effektiv ist wie die elektronische Variante.

Wir Schüler vermissen besonders eines nicht: Den stinkenden Tafelwasser-Eimer, der unter der mit Kreideschlieren bedeckten Tafel thronte.

Aber nicht nur die Schüler schätzen diese technische Errungenschaft – auch die Lehrer. Für sie ist das ein ganzes Stück ersparte Arbeit. Und ganz egal, wie alt oder jung sie sind – alle finden (mittlerweile) problemlos den On/Off-Knopf.

Moritz von Molitor, der Autor ist 15 Jahre alt und geht in die 9. Klasse des Phorms Gymnasiums in Berlin-Mitte

Die Institution Tafel hatte auch unterhaltsame Seiten

Wusch! Schön satt mit Wasser getränkt flog der Tafelschwamm besonders gut durchs Klassenzimmer. Und wenn das quatschnasse Gummiteil voll des eklig stinkenden Kreidewassers genau ins Ziel traf – etwa den Nacken des wenig gelittenen Speichelleckers –, gab es ordentlich Beifall. Ja, die Institution Tafel samt ihrer Utensilien aus der Kreidezeit der Schule hatte durchaus unterhaltsame Seiten. Zugegeben, nicht immer. Denn nichts durfte als bedrohlicheres Zeichen gewertet werden, als etwa im Matheunterricht der Lehrerfinger, der auf einen selbst deutete, verbunden mit dem geschnauzten Kommando: „An die Tafel!“

Da kam der Schwamm allerdings auch gut zupass. Während dann die Rechte mit dem aus irgendeinem Grund immer zu kurzen Kreidestück quietschend völlig unverständliche Formeln unsicher auf den grünen Tafellack krakelte, hielt die Linke den Riesenradiergummi sozusagen im Anschlag, um beim geringsten Anzeichen von Schnappatmung des Lehrkörpers schnell den Mist wegwischen zu können und auf erleuchtendes Gewisper aus dem Publikum zu hoffen.

Zwar war der Begriff „multimedial“ damals noch unbekannt, doch die Tafel wurde nicht allein zur bildlichen Darstellung gewisser Lerninhalte herangezogen. So eilte beispielsweise vor der Erdkundestunde ein monatlich neu benannter Schüler in den „Kartenraum“. Europa, Nordamerika oder gar die ganze Welt mussten dann als mindestens zwei Meter lange Rolle herbeigeschleppt und vor der ersten Bankreihe an einem klobigen Holzständer aufgehängt werden. Der Lehrer höchstselbst brachte dann den allfälligen Zeigestock mit. Denn der konnte natürlich nicht im Klassenzimmer verbleiben.

Lehrer hatten seinerzeit die Angewohnheit, während der Unterrichtsstunde zu stehen. Obwohl ein (oft) erhöhtes Pult samt Stuhl zur Verfügung standen. Nur der Sportlehrer, der auch Erdkunde gab, setzte sich immer. Neben den Kartenständer. Immer im ausgebeulten marineblauen Trainingsanzug, immer den Zeigestock im Arm. Denn das lange Teil eignete sich nicht nur dafür, etwa aufs Kohlerevier im Donezbecken zu zeigen, sondern wurde

auch dazu verwendet, Störer zur Räson zu bringen. Nun gab es zwar überwiegend altes Lehrpersonal, fast ausschließlich Männer, die sich ein gewisses Denken aus Reichsarbeits-, Wehr- und Kriegsdienst bewahrt hatten, doch gab es auch gewisse Anflüge von Fortschrittlichkeit. Beifälliges Gejohle beispielsweise für den Biologielehrer. Der schleppte einen (privaten) Diaprojektor herbei, um Pantoffeltierchen an die Wand zu werfen. Leider klemmte der Schiebemechanismus. Es blieb bei dem einen Versuch.

Gerd W. Seidemann, als der Autor die 9. Klasse des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums in Gütersloh besuchte, schrieb man das Jahr 1965

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