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Otto Kuster auf den Stufen der "Freiklasse" am Marie-Curie-Gymnasium in Wilmersdorf.

© Kai-Uwe Heinrich

Marie-Curie-Gymnasium in Berlin-Wilmersdorf: Wie ein Schüler für einen Lernort im Freien kämpfte

Abiturient Otto Kuster hat am Marie-Curie-Gymnasium in Wilmersdorf ein Klassenzimmer auf dem Hof durchgesetzt.

Da sitzt er nun und hat es geschafft. „Wenn ihr mehr wollt als WLAN und Toilettenpapier, dann wählt den Otto!“ So lautete 2015 sein Wahlslogan bei der Wahl zum Schülersprecher. Denn WLAN und ausreichend Toilettenpapier, das waren die einzigen Ziele der anderen Kandidaten am Wilmersdorfer Marie-Curie-Gymnasium. Otto Kuster war das nicht genug.

Sein Projekt heißt „Freiklasse“, den Namen hat er sich irgendwann überlegt, um zu beschreiben, wofür er jahrelang gekämpft hat: Einen Klassenraum auf dem Schulhof, wo Lehrer und Schüler auf Augenhöhe Unterricht machen können. „Alle sehen sich gegenseitig, jeder kann sich beteiligen und jeder wird gehört“, erklärt Otto. Die Lehrkraft soll zwischen den Schülern sitzen, statt von vorne irgendetwas zu diktieren. „Es muss sich was verändern im System“, sagt Otto. „Vor 150 Jahren zum Beispiel sahen Telefone ganz anders aus, es gab noch keine Autos – heute haben wir sogar Elektroautos, alles hat sich weiterentwickelt. Nur die Schule ist weitestgehend gleichgeblieben.“ Otto ist gegen Frontalunterricht. Studieren will er trotzdem, vielleicht Wirtschaft.

Am Dienstag ist die offizielle Einweihung

Er hat gerade erst sein Abitur bekommen. Das wäre vielleicht noch besser ausgefallen, hätte er nicht so viel Zeit in sein Herzensprojekt investiert, meint er. Am Ende hat es sich aber gelohnt: Seit Februar wird die Freiklasse von vielen Lehrern als alternativer Lernort genutzt, die Schüler sind begeistert. Am Dienstagnachmittag beim Sommerfest findet die offizielle Einweihung statt, Otto hat eine Rede vorbereitet. Sogar Politiker kommen, erzählt er, zum Beispiel Marc Schulte, der ehemalige Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, von dem er große Unterstützung erhielt.

Wie kam es überhaupt zu der Idee? „In der neunten Klasse war es mal im Sommer super warm“, erinnert sich Otto Kuster. „Die Schüler wollten draußen Unterricht machen.“ Dies durchzusetzen, war nicht leicht. Vor allem in der Schulkonferenz mussten Lehrer und Eltern erst einmal mit einer Powerpoint-Präsentation überzeugt werden. „Es ist wie bei der Generalständeversammlung vor der französischen Revolution“, sagt der Abiturient und lacht. „In der Schulkonferenz sind die Schüler total unterrepräsentiert und können ohne einen Erwachsenen keine Mehrheitsentscheidung fällen. Dabei geht es doch um uns Schüler!“

Ringen mit der Bürokratie

Es seien pseudodemokratische Strukturen, findet Otto. Und da niemand davon ausgeht, dass ein Schüler wirklich etwas bewegen will, fehlen Ansprechpartner. Otto musste zunächst eigenständig herausfinden, wer überhaupt für die Fläche zuständig ist, auf der jetzt die Freiklasse errichtet wurde. Danach musste ein Plan entwickelt werden, Kostenvorschläge von Firmen eingeholt werden – und als alles fertig schien, stellte sich heraus: Es ist gar kein Geld da. Über den Bezirk war eine Haushaltssperre verhängt worden, die erst am Ende des Jahres 2017 aufgehoben wurde.

Wie viel hat die Freiklasse denn nun gekostet? 12 000 Euro, sagt Otto. Die kamen teils aus dem Verfügungsfond der Schule, teils vom Förderverein oder dem Arbeitskreis „Grün macht Schule“, der auch den Plan erstellt hat.

Fragt man Otto, was Schule sein sollte, sagt er: „Bestmögliche Vorbereitung auf das Leben“. Tatsächlich lässt sich damit der Bau der Freiklasse beschreiben: Auch wenn vieles nicht nach Plan verlief und der Kampf gegen die Bürokratie manchmal aussichtslos schien, weiß Otto jetzt, wie er mit solchen Situationen umgehen muss, die ihm im Leben sicher noch öfter begegnen werden. „Und dass viele Leute sich erst auf eine Seite schlagen, wenn sie wissen, wer das noch tut“, ergänzt er. Und noch etwas: „Man wird nur gehört, wenn man laut ist.

Milena Reinecke

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