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Die neue Landeschefin der Berliner SPD, Franziska Giffey, will feste Reinigungskräfte an Schulen.

© Gregor Fischer

Franziska Giffey legt sich fest: Schulsauberkeit soll zur Chefinnensache werden

Die frisch gekürte SPD-Vorsitzende will die Reinigungskräfte zurück in den öffentlichen Dienst holen. Den Schulen sollen feste Kräfte zugeordnet werden.

Wenn es schon schlecht um die Schülerleistung, die Digitalisierung und die Lehrerversorgung in Berlin steht, soll es zumindest sauber sein. Mit diesem erklärten Ziel will die frisch gekürte SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey in den nächsten Wahlkampf gehen: „Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann werde ich mir wünschen, dass jede Schule wieder ihre eigene Reinigungskraft hat und nicht nur eine, sondern ein Team“, legte sich die Bundesfamilienministerin in ihrer Bewerbungsrede beim Parteitag am Wochenende vor den „lieben Genossinnen und Genossen“ fest.

Mehr noch: Die feste Zuordnung des Personals zu bestimmten Schulen soll mittels der Rekommunalisierung der gesamten Schulreinigung erfolgen, weil die „Daseinsvorsorge“ dann „in der Hand der Stadt“ erfolge, ließ Giffey keinen Zweifel an ihrem Willen zu einer kompletten Umsteuerung und begründete dies mit ihren Erfahrungen als Neuköllner Bildungsstadträtin: Die Frage der Schulsauberkeit sei immer wieder von Eltern, Lehrern und Schülern an sie herangetragen worden, sagte die frühere Neuköllner Bürgermeisterin, die am Montag vom Vorstand zur SPD-Spitzenkandidatin gekürt wurde.

Tatsächlich ist das Thema ebenso virulent wie populär – und langlebig. Seitdem die Schulreinigung in den Sparjahren unter Giffeys Parteifreund Klaus Wowereit privatisiert wurde, ist nie richtig Ruhe eingekehrt, zumal es zwischendurch immer wieder Firmen gab, die als „Schlechtleister“ auffielen und den Schulschmutz in den Schlagzeilen hielten.

Besonders gegenwärtig ist es wieder seit 2018, als die Initiative „Schule in Not“ von Bezirk zu Bezirk Unterstützer für eine Rücküberführung der Schulreinigung in den öffentlichen Dienst warb. Inzwischen haben etliche Bezirksverordnetenversammlungen und Gewerkschaften entsprechende Voten abgegeben, Corona sensibilisierte für das Thema Sauberkeit zusätzlich.

Allerdings warnen Schulleiter und auch Bezirksvertreter, die noch das „alte System“ kennengelernt hatten, vor den Risiken, insbesondere vor dem hohen Krankenstand und den entsprechenden Mehrkosten, der zu befürchten seien angesichts der Erfahrungen. Daher ist das Meinungsbild in den Bezirken auch sehr diffus.

Vorschlag stößt auf gemischte Reaktionen

Da das Thema ebenso strittig wie facettenreich ist, wollten die Bildungspolitikerinnen der rot-rot-grünen Koalition mittels einer Anfrage bei der Bildungsverwaltung Aufschluss über die bezirklichen Ansichten bezüglich der festen Zuordnung der Reinigungskräfte gewinnen.

Die kürzlich veröffentlichten Antworten machen deutlich, dass Giffeys Forderung partei- und bezirksübergreifend noch einige Diskussionen auslösen dürfte.

So lautet die knappe Antwort aus dem Schulamt von Bildungsstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) in Charlottenburg-Wilmersdorf auf die Frage, wie sie den Vorschlag bewertet, eine feste Reinigungskraft an jeder Schule einzustellen: „Negativ“.

Oliver Schworck (SPD) in Tempelhof-Schöneberg findet es „zwingend, dass eine Etablierung von geeigneten Tagesreinigungskräften an allen Schulen einen mehrjährigen Entwicklungsprozess durchlaufen muss“, während Spandaus Bildungsstadtrat Helmut Kleebank (SPD) die Etablierung fester Reinigungskräfte schlicht und einfach für „sinnvoll“ erklärt.

Die Sache mit dem erhöhten Krankenstand

Die massivste Ablehnung kommt aus Steglitz-Zehlendorf, wo das Schulamt Bildungsstadtrat Frank Mückisch (CDU) untersteht. Der Bezirk verweist auf den exorbitant hohen Krankenstand in Hamburgs Landesbetrieb für die Gebäudereinigung. Tatsächlich belegt die Antwort auf eine FDP-Anfrage in der Bürgerschaft, dass die Mitarbeiter des Landesbetriebs 50 Tage pro Jahr krank sind im Vergleich zu 25 Tagen in den übrigen Behörden und Landesbetrieben.

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Allerdings wies die Initiative „Schule in Not“ auf Anfrage drauf hin, dass der Landesbetrieb in Hamburg ein „Abwicklungsbetrieb“ sei, in den bei der Privatisierung der Reinigung vor 25 Jahren alle Reinigungskräfte überführt wurden: „Es gab niemals Neueinstellungen, dementsprechend hoch ist der Altersdurchschnitt. Und auch Motivation und Stimmung sind in so einem Abwicklungsbetrieb nicht repräsentativ.“ Daher taugten die Zahlen aus Hamburg „auf keinen Fall als seriöse Vergleichsdaten“, betont Sprecher Philipp Dehne.

In mehreren Städten gibt es Initiativen für die Rekommunalisierung der Schulreinigung (Archivbild).
In mehreren Städten gibt es Initiativen für die Rekommunalisierung der Schulreinigung (Archivbild).

© Fabian Strauch/dpa

Die grüne Haushälterin und Bildungsexpertin Stefanie Remlinger gibt zu bedenken, dass die Rekommunalisierug „in der Tat eine große Umstellung wäre“. Ein konkretes Konzept dafür liege noch nicht vor.

Remlinger hat deshalb im Hauptausschuss einen Bericht angefordert, der die Folgen in Bezug auf die Kosten skizziert. So geht es ihr etwa um die Frage, wie die Beschäfigten tariflich eingestuft würden, die bislang bestenfalls den gesetzlichen Mindestlohn bekommen. Remlinger fände einen Modellversuch richtig.

Ohne Modellversuch dürfte es tatsächlich nicht gehen. So sieht es auch „Schule in Not“. Die Initiative habe sich bereits ausführlich mit Vertretern der Koalition beraten, berichtet SPD-Haushälter Torsten Hofer.

Dabei seien mehrere Modelle zur Sprache gekommen: So könnte die Rekommunalisierung in zwei Modellbezirken zwei Jahre lang komplett ausprobiert werden oder in allen Bezirken mit einem Anteil von je zehn Prozent.

SPD und Grüne wollen Modellversuche

Hofer berichtet, dass er für den Hauptausschuss am Mittwoch einen entsprechenden Antrag formuliere. Er läuft darauf hinaus, dass der Senat bis zum 24. März über die Varianten und haushälterischen Auswirkungen der Rekommunlisierung berichten soll: „Welche Gesamtkosten und welche Mehrkosten entstehen hierdurch? Welche Auswirkungen ergeben sich auf die Zuweisungen an die Bezirke?“, heißt es da.

Auch sei eine Rekommunalisierung der Schulreinigung durch eine landeseigene Schulreinigungsgesellschaft zu prüfen, „die gegebenenfalls an ein bestehendes Landesunternehmen angedockt wird“.

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Zumindest gebe es bundesweite Erfahrungen, an die Berlin anknüpfen könne, berichtet Philipp Dehne von „Schule in Not“. So habe Freiburg den Anteil der Eigenreinigung von 40 auf 60 Prozent erhöht, und dabei sei der Krankenstand von 10,7 auf 8,5 Tage pro Mitarbeiter gesunken. Ein „gutes Gesundheitsmanagement“ werde im Übrigen heute „stärker mitgedacht als noch vor 30 Jahren“, ist Dehne sicher.

Bezirke rechnen mit millionenschweren Verteuerungen

Einige Bezirke hatten jüngst veranschlagt, wie sich die Schulreinigung verteuern würde, wenn sie dem öffentlichen Dienst zugeschlagen würde. Demnach entstehen in Pankow allein für etwa 350 Reinigungskräfte „Mehrkosten in Höhe von über acht Millionen Euro im Jahr“ anstelle von zuletzt 5,2 Millionen Euro.

Steglitz-Zehlendorf beziffert die zusätzlichen Ausgaben auf „voraussichtlich 2,8 Millionen Euro ohne Krankheit- und Urlaubsvertretungen“. Marzahn-Hellersdorf rechnet mit einer Kostensteigerung von etwa 16 bis 20 Prozent. Die landeseigene Berliner Immobilien Management GmbH (BIM) weist darauf hin, dass – etwa bei der Feuerwehr – eine Reinigungskraft 18,77 Euro pro Stunde erhält

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