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42 Jahre Dienst. Michael Rudolph unterrichtete 30 Jahre lang an Hauptschulen, bevor er an die Friedrich-Bergius-Schule kam.

© Thilo Rückeis

Ein Schulleiter packt aus: Aus dem Berliner Nähkästchen geplaudert

Zusammen mit der Journalistin Susanne Leinemann hat der Leiter der Friedrich-Bergius-Schule, Michael Rudolph, ein Stück Berliner Schulgeschichte aufgearbeitet.

„Der Fisch stinkt vom Kopf her!“, heißt es, wenn Verwaltungen oder Schulen gegen die Wand fahren. Meist ist was dran. Und das gilt auch umgekehrt: Eine gute Leitung kann Wunder vollbringen.

Gegen dieses „Lob der Leitung“ wird zwar immer gern eingewandt, dass eine gute Spitze nichts ausrichten könne ohne ein gutes Team, was stimmt. Aber zur guten Führung gehört eben auch, dass man sich die richtigen Leute holt. Und dann passt wieder alles zusammen.

Welch große Bedeutung die Leitung hat, wird besonders dann deutlich, wenn eine jahrelang verschriene Schule plötzlich aufblüht. So war es bei der Friedrich-Bergius-Schule in Friedenau, die bereits ins Siechtum übergegangen war, als Michael Rudolph die Führung übernahm. Ihr Aufstieg hin zu einer nachgefragten Bildungseinrichtung Berlins gehört zu den vielen Erfolgsgeschichten, die es aus Berlins Schulen – neben allem Beklagenswerten – zu erzählen gibt.

Wie dieser Aufstieg gelang, wurde hundertfach schlagwortartig umrissen: Klare Ansagen, Strafen für Verstöße, Ordnung, Sauberkeit, Disziplin, wiederholendes Lernen, verlässliche Strukturen gehören dazu.

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Wer wissen will, was hinter diesen Schlagwörtern tatsächlich steht, bekommt jetzt die passende Lektüre an die Hand, denn Rudolph hat aus dem Nähkästchen geplaudert: Zusammen mit der Bildungsjournalistin der Berliner Morgenpost, Susanne Leinemann, hat er in dem an diesem Dienstag erscheinenden Buch „Wahnsinn Schule. Was sich dringend ändern muss“ zusammengetragen, wie und warum die Friedrich-Bergius-Schule funktioniert.

Auch wer sich nicht interessiert für gut strukturierten Unterricht, Schulregeln und Elterngespräche findet eine lohnende Lektüre in dem Buch. Denn Rudolph, Jahrgang 1953, kann infolge seiner rund 40-jährigen Schulerfahrung einen beeindruckenden Ritt durch die Berliner Schulgeschichte beisteuern, die bei ihm vor allem eine Kreuzberger Geschichte ist.

30 Jahre als Hauptschullehrer in Kreuzberg

Denn bevor der Pädagoge nach Friedenau geholt wurde, war er insgesamt knapp 30 Jahre Hauptschullehrer an der Gerhard-Hauptmann-Schule und an der Zelter-Schule, wo er bereits zur Schulleitung gehörte. Anschaulich berichtet Rudolph aus diesen frühen Erfahrungen mit damals noch so genannten Ausländerklassen, in denen die Kinder der ersten Gastarbeitergeneration Deutsch lernen sollten. All diese Erfahrungen flossen ein in seine Arbeit an der Bergius-Schule.

Zunächst war Rudolph als "Rektor gnadenlos" bekannt

Rudolphs Name tauchte in der Öffentlichkeit in zwei ganz unterschiedlichen Zusammenhängen auf. Zuerst ging es um seine viel kritisierte Entscheidung, ein Mädchen wegen des Entwendens eines Schokoriegels schulöffentlich zu machen. Da hatte er den Titel „Rektor gnadenlos“ weg.

2018 aber wendete sich das Blatt: Da bekam er viel öffentliche Solidarität, weil seine Schule durch die Schulinspektion gefallen war: Anstatt in ihrem Gesamturteil zu würdigen, dass die Schule gute Leistungen ihrer Schüler ermöglichte und ihnen einen einen freundlichen, ruhigen Alltag bescherte, monierten die Inspekteure, die Lehrer würden zu stark auf „abrufbares fachliches Wissen“ achten, anstatt den Schülern Raum zu geben, ihre „Lernprozesse“ einzuschätzen.

Die Schulinspekteure ließen ihn durchfallen - und fielen dann selbst durch

Der „output-orientierte Ansatz“ sei „reduzierend“, zitieren die Autoren genüsslich aus dem „Urteil“ der Inspekteure. Rudolphs Antrag auf Verschiebung seiner Pensionierung wurde denn auch erstmal abgelehnt.

In gewisser Weise war dieser Schulinspektionsbericht, besser: Verriss, der Anfang vom Ende der Schulinspektion in ihrer jetzigen Form, denn er machte der breiten Öffentlichkeit deutlich, auf welches Abstellgleis sich der – nicht nur in Berlin – vertretene Ansatz der Inspektion begeben hatte.

Das Buch "Wahnsinn Schule" ist ein Gemeinschaftswerk.
Das Buch "Wahnsinn Schule" ist ein Gemeinschaftswerk.

© Cover: Rowohlt-Verlag

Die Schulinspektion wird reformiert

Inzwischen hat Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) – unterstützt von der Expertenkommission unter dem Kieler Bildungsforscher Olaf Köller – verkündet, dass die Schülerleistung künftig einen höheren Stellenwert bei der Inspektion bekommen müsse, die sich in Zukunft nur noch echten Problemfällen zuwenden solle.

Rudolphs Pensionierung wurde inzwischen bereits zweimal aufgeschoben.

„Wahnsinn Schule. Was sich dringend ändern muss“, Michael Rudolph und Susanne Leinemann, 256 S., Rowohlt Berlin, 22 Euro

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