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Im Februar soll der erste Bauabschnitt fertig sein. Schulleiter Lutz Geburtig zeigt die sanierte Sporthalle.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Der BER von Berlin-Kreuzberg: Dauerbaustelle seit 2012: Eine Schule nimmt Schaden

Erst Pfusch, dann Pech: Die Kurt-Schumacher-Schule bleibt bis 2026 Baustelle. Hunderte Schüler werden nie eine normale Grundschule erleben. Ein Update.

Berlins größtes Schulbaudebakel ist nicht zu Ende: Auch den neunten Jahrestag ihrer Auslagerung ins Horthaus wird die Kreuzberger Kurt-Schumacher-Schule noch im Ausnahmezustand erleben. Dies belegt der aktuell gültige Zeitplan für die Instandsetzung des wegen mangelnden Brandschutzes gesperrten Schulhauses. Der zweite Bauabschnitt soll erst 2026 bezugsfertig sein, lautet die Auskunft von Andy Hehmke (SPD), dem Bildungsstadtrat des Bezirks.

Die Grundschule Wilhelm- Ecke Puttkamerstraße mit ihren rund 260 Schülern bleibt demnach darauf angewiesen, den Schultag – Unterricht, Essen, Nachmittagsbetreuung – in dem notdürftig als Schule hergerichteten Hort zu verbringen. Die Schülerinnen und Schüler verfügen weder über genügend Fachräume noch eine Turnhalle: Zum Sportunterricht müssen sie zu vier verschiedenen Hallen in der Umgebung ausweichen.

Die Lehrkräfte haben nur ein provisorisches Lehrerzimmer. Ebenso wie der Schulleiter, die Sekretärin und die Erzieher sind sie in kleinen Räumen des Horthauses untergebracht.

Nachdem der Umzug zurück in das eigentliche Schulhaus Jahr für Jahr – etwa wegen Firmenpleiten – verschoben worden war, galt zuletzt der Sommer 2021 als gesetzter Termin. Auch er war nicht zu halten, so dass jetzt der Februar 2022 als Zielmarke gesetzt wurde. Dann aber wird erst ein Teil der Klassenräume bezugsfertig sein, denn die Baustelle war wegen der Verzögerungen in zwei Abschnitte geteilt worden – eine Entscheidung des Bezirksamtes.

Für den zweiten Abschnitt mitsamt den Räumen für den Förderunterricht und die Verwaltung sowie Lehrerzimmern ist laut Hehmke erst 2023 Baubeginn. Dann soll es noch drei weitere Jahre dauern, so dass der Schulalltag absehbar bis 2026 vom Baugeschehen und von Baulärm beeinträchtigt sein wird, denn beide Bauabschnitte grenzen direkt aneinander.

Mit Stoffresten haben die Eltern "#BERKREUZBERG" in den Zaun der Kurt-Schumacher-Schule an der Wilhelmstraße geflochten.
Mit Stoffresten haben die Eltern "#BERKREUZBERG" in den Zaun der Kurt-Schumacher-Schule an der Wilhelmstraße geflochten.

© Susanne Vieth-Entus

Diese Entwicklung war nicht abzusehen, als die Brandschutzgutachter am 20. Dezember 2012 den sofortigen Umzug ins Horthaus anwiesen. Dann begannen die Fehlplanungen: Der Landesrechnungshof stellte 2019 fest, das Bezirksamt habe es versäumt, „ausreichende Bausubstanzuntersuchungen durchzuführen und deren Ergebnisse in die Planung einfließen zulassen“. Dadurch sei ein Millionenschaden entstanden. Hingegen spricht Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) von einer „Pechsträhne“.

Laut Rechnungshof hätte eine richtige Prüfung zu dem Ergebnis geführt, dass ein Neubau besser als Sanierung gewesen wäre. Die Fehlplanung geht noch auf die Zeit vor Schmidt zurück und wird inzwischen gern unerwähnt gelassen. Stattdessen nennt das Bezirksamt lieber Firmenpleiten oder Firmen-Schlechtleistungen als Gründe für die Verzögerungen. Auch Stadtrat Hehmke will lieber nach vorn sehen und teilt mit, dass um die Schule herum ein ganzer Bildungscampus mit Gemeinschaftsschule entstehen soll.

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„Ich weiß, dass die Schulgemeinschaft der Kurt-Schumacher-Grundschule sehr unter den Problemen leidet. Daraus zu schlussfolgern, dass keine Kraft für Innovationen und Veränderungsprozesse mehr vorhanden sei, geht aber zu weit“, sagt Hehmke. Er kenne Eltern, Kinder und Beschäftigte, „die sehr gern an dieser Schule arbeiten“ und sich trotz aller Probleme engagierten.

Der Stadtrat ist mit der Bezirksbilanz zufrieden

Der Sozialdemokrat verweist auch darauf, dass er in seiner Amtszeit, also seit 2016, zwei weitere Gemeinschaftsschulen geschaffen habe. Die Zahl der Europaschulen habe sich auf sechs verdoppelt, die Schulreinigung werde „von allen Schulen mit der Durchschnittsnote 2,1“ bewertet und man pflege „eine exzellente Zusammenarbeit“ zwischen Schulleitungen, Schulamt, Schulaufsicht und ihm als Stadtrat.

Selbst die Bewerberlage bei den Lehrkräften sei in Friedrichshain-Kreuzberg besser als anderswo, weil die Akteure „als innovativ gelten, als Akteure auf Augenhöhe, die Diskussionen Raum lassen“. Zudem werde viel saniert und neu gebaut, und selbst der feuchte Keller des Andreas-Gymnasiums, der „Andreas- Brunnen“, sei endlich trocken. Zudem sei er in der Wahlperiode „etwa 15 Mal“ in der Kurt-Schumacher-Schule gewesen, um mit den Beteiligten zu sprechen.

Die Schüler mussten das Hauptgebäude bereits 2012 wegen Brandschutzmängel verlassen.
Die Schüler mussten das Hauptgebäude bereits 2012 wegen Brandschutzmängel verlassen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Einige Eltern und Beschäftigte wissen das vielleicht zu schätzen, aber die Schule ist dennoch ausgelaugt. „Das ist kein abflauendes Ärgernis. Wir merken das jeden Tag“, umschreibt Schulleiter Lutz Geburtig den Status quo. Jeden Tag seien die Kolleginnen und Kollegen auf der Suche nach Räumen, „jedes Zipfelchen“ werde genutzt. Dazu eine Schülerschaft, die dringend intensive Förderung brauche. Der Ruf der Schule habe sich „nicht verbessert“.

Eine Mutter kann sich nicht anbinden

Mutlos geworden ist selbst die stärkste Kämpferin der Schule, Gesamtelternsprecherin Henrike Hüske, die auch über den Zustand der Schule bei Twitter berichtet. Egal, wie sich die Schule engagiert habe: „Wir bleiben eine Baustelle und sind damit bei Mittelschichtseltern sofort raus.“ Das sei „das wirklich Traurige, denn Kinder, denen eine Mischung der Schülerschaft helfen würde, ihren Weg zu finden, die Ruhe brauchen, weil sie zu Hause mit vielen Menschen auf wenig Platz wohnen, die werden hier im Stich gelassen,“ lautet ihre Bilanz.

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Auch Zara Demet Altan kann mit der Situation nicht ihren Frieden machen. Die Lehrerin für Deutsch, Englisch und Kunst fertigt unter den gegebenen Umständen mit ihren Schülerinnen und Schülern Filme an – kleine Kunstwerke über Kinderleben zwischen Fluchterfahrung und Berliner Schulalltag.

Nominiert für den Engagementpreis

Aber wie auch bei Henrike Hüske merkt man Altan an, dass der Optimismus, der sie durch all die Jahre irgendwie trug, inzwischen verloren geht: „Die Stimmung ist bedrückend“, lautet ihre Bestandsaufnahme. Die Kinder hätten in der Coronazeit zum Teil viel erlitten, würden jetzt Zuwendung, individuelle Förderung und Rückzugsmöglichkeiten brauchen, aber wieder reiche der Platz nicht. „Brücken wurden in diesen Jahren gebaut und Hochhäuser, aber unsere Schule ist noch immer nicht fertig“.

Für Altan ist das ein Zeichen „absoluter, sagenhafter Unfähigkeit, für die sich die Verantwortlichen schämen sollten: Man spielt mit der Zukunft unserer Kinder."

Die Filme Zara Altans, die sie mit den vierten und fünften Klassen der Kurt-Schumacher-Schule gedreht hat, sind für den Deutschen Engagementpreis 2021 nominiert. Wer abstimmen möchte: Hier geht es lang.

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