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Schülerinnen und Schüler im Unterricht (Symbolbild).

© Daniel Karmann/dpa

Bildung in Berlin: Schülerhaushalt: Wünscht euch was!

Schließfächer oder Spielkonsole? Beim Projekt „Schülerhaushalt“ entscheiden Schüler, was für mehrere tausend Euro an ihrer Schule angeschafft wird.

Was machen Schülerinnen und Schüler, wenn man ihnen 4000 Euro für ihre Schule gibt, über die sie selbst bestimmen können? Wer glaubt, dass die Kinder und Jugendlichen nur Süßigkeiten und Spielzeug kaufen, irrt. Die Schüler wollen Schließfächer, Sofas und Bänke für den Schulhof, sie wollen Farben, um Wände zu streichen, Tablets für den Unterricht und Sportgeräte für die Pausen. Und ja, manche wollen auch eine Zuckerwattemaschine oder eine Spielkonsole.

All diese Dinge werden an einigen Berliner Schulen jetzt tatsächlich angeschafft – und zwar im Rahmen des Projekts „Schüler*innenhaushalt“, das vom Verein „Servicestelle Jugendbeteiligung“ organisiert wird. 26 Berliner Schulen haben sich in diesem Jahr beteiligt. Es ist ein Projekt, das Schülerinnen und Schüler ganz praktisch an Mitbestimmung heranführt. Denn was genau von dem Geld angeschafft wird, das wird in einem demokratischen Prozess ermittelt. Alle Schüler können Vorschläge einreichen, wenn sie für ihre Idee fünf Unterstützer finden – und am Ende wird abgestimmt. Nur Schüler dürfen wählen, die Erwachsenen müssen sich raushalten.

Schüler erleben praktisch, wie Mitbestimmung geht

Philipp Lorenz, kommissarischer Schulleiter der Wedding-Grundschule, hat gute Erfahrungen mit dem Schülerhaushalt gemacht. Seine Schule ist schon seit 2015, also von Beginn an, dabei. „Ich finde das absolut positiv. Die Kinder debattieren und überlegen, was machbar ist und was nicht. Sie erleben ganz direkt, wie Mitbestimmung geht – und das, was daraus folgt, ist real.“ Fußbälle, Lego-Lernspiele, ein Kettcar für den Schulhof, Bastelmaterialien und Glasvitrinen, um Schülerarbeiten auszustellen – das sind Dinge, für die seine Schüler in diesem Jahr gestimmt haben. Die meisten Vorschläge seien überaus vernünftig, sagt Lorenz. „Die Kinder überlegen genau, was die Schule braucht. Wir hatten auch schon den Vorschlag, dass Putzmaterialien angeschafft werden sollten.“ Dann sage er den Schülern aber, dass dafür kein Geld aus dem Schülerhaushalt genommen werden müsse.

Die Idee des Schülerhaushalts stammt aus Recife in Brasilien und wurde dort 2011 an fünf öffentlichen Schulen umgesetzt. Die Bertelsmannstiftung hat das Projekt nach Deutschland geholt und 2014 an die Servicestelle Jugendbeteiligung übergeben. Seit 2015 wird es bundesweit – mit Schwerpunkt in Berlin – an mehreren Schulen durchgeführt. Der Bezirk Mitte ist Vorreiter, dort machen 16 Schulen mit, und der Bezirk finanziert die Schulbudgets auch. Seit 2017 wird es durch Landesmittel aus dem Jugenddemokratiefonds gefördert. 2018 wurde das Projekt ausgeweitet, die Senatsbildungsverwaltung finanziert die Budgets von zehn weiteren Schulen aus Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Pankow und Neukölln. 4000 Euro bekommen jeweils die Schulen in Mitte, die übrigen jeweils 3000 Euro.

Möglichst alle Vorschläge sollen zugelassen werden

Es komme schon mal vor, dass die Schüler Vorschläge einreichen, die bei Erwachsenen vielleicht ein Augenrollen hervorrufen, sagt Evelyn Schulz-Algie von der Servicestelle Jugendbeteiligung. „Aber wir wollen alle Vorschläge, die formal in Ordnung sind, zulassen.“ Denn wenn Schüler sich eine Spielkonsole (wie eine Schule in Prenzlauer Berg) oder eine Zuckerwattemaschine (wie eine Grundschule in Hellersdorf) wünschen, könne das die Kommunikation in Gang setzen: Wer kümmert sich um das Gerät, wie sollen die Nutzungszeiten fair geregelt werden? All das sind Fragen, mit denen sich die Schüler dann auseinandersetzen.

Viele Schüler stimmen für Sofas und Sitzsäcke. Manche wollen auch Möglichkeiten zum Austoben – zum Beispiel Boxsäcke. „Da stecken ja Bedürfnisse dahinter, über die die Schule nachdenken kann. Vielleicht haben die Schüler bisher zu wenig Raum zum Austoben oder Ausruhen“, sagt Schulz-Algie.

Bei den Schülern kommt das Projekt sehr gut an. „Rund 1030 Schüler haben bei unserer Abstimmung mitgemacht“, sagt der 17-jährige Tom Pincus vom Primo-Levi- Gymnasium in Weißensee. Er hat den Schülerhaushalt mit einem Team von rund zehn Schülerkoordinatoren organisiert und sich nach der Abstimmung auch um die Bestellung gekümmert. Denn auch bei der Anschaffung sollen die Schüler möglichst viel selbst machen: Preise und Angebote vergleichen, Bestelllisten erstellen. Wenn die Pakete dann ankommen, sei das jedes Mal ein tolles Gefühl, sagt Tom Pincus. Neun Vorschläge gab es an seiner Schule, und die 3000 Euro, die seine Schule als Budget hatte, haben gereicht, um alle zu realisieren. Jetzt wurden davon also unter anderem Gartengeräte, um den Schulhof zu verschönern, angeschafft, ein Roboter für den Informatik-Unterricht, ein Mischpult für den Musikraum, mobile Fußballtore und Möbel für den Schülertreff.

Im nächsten Jahr geht das Projekt weiter

Auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hält viel von dem Projekt: „Schülerinnen und Schüler können eigene Ideen umsetzen und ihr schulisches Umfeld mitgestalten. Das trägt dazu bei, dass sie sich mit ihren Schulen identifizieren und sich wohlfühlen.“ 2019 soll es nach Angaben der Bildungsverwaltung im gleichen Umfang weiter gehen. „Wünschenswert“ wäre es allerdings, wenn die Budgets für die Schülerhaushalte möglichst von den Bezirken getragen würden. Die pädagogische Begleitung durch die Servicestelle Jugendbeteiligung werde weiter vom Land finanziert.

Philipp Lorenz von der Wedding-Grundschule will auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder mitmachen. „Und wenn das nicht gehen sollte, dann würde ich es selbst organisieren.“

Informationen gibt es bei der Servicestelle Jugendbeteiligung, Tel. 308 78 45 27, und unter www.schuelerhaushalt.de

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