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Zeitlich und räumlich unbegrenzt: Cybermobbing ist vor allem unter Kindern und Jugendlichen ein großes Thema.

© picture alliance / dpa/Oliver Berg

Berliner Projekt gegen Cybermobbing: Wie eine Schule gegen den Hass im Netz vorgeht

Die Klasse 5c der Charlottenburger Nehring-Grundschule will digitaler Gewalt vorbeugen – und nimmt dabei die ganze Schule mit.

Es ist ganz still im Raum der Klasse 5c an der Charlottenburger Nehring-Grundschule, als die Schüler berichten sollen, was sie über Cybermobbing gehört haben. Mancher hat eigene Erfahrungen gemacht, aber die schockierendste Geschichte erzählt ein Fünftklässler über einen Jungen, den er aus dem Sportverein kennt: „Er war in der Schule auf Toilette und da hat jemand mit dem Handy unter der WC-Tür hindurch gefilmt. Und dann war der Film bei Youtube zu sehen.“ Gezittert habe sein Freund, als er erzählte, was ihm widerfahren war.

Digitale Gewalt im Netz, besser bekannt unter dem Begriff Cybermobbing, ist allgegenwärtig. Lehrerkollegien, Sozialarbeiter und Schülervertreter müssen versuchen, sich mit Rüstzeug zu versorgen, um reagieren zu können, wenn Betroffene in ihrer Not um Hilfe bitten.

"Respekt im Netz" heißt das Projekt

„Wir haben das Projekt ,Faustlos‘, wir haben Konfliktlotsen und einen Klassenrat, aber all das reicht nicht wegen der modernen Medien“, hat Nehring-Schulleiterin Aina Lappalainen angesichts des um sich greifenden Phänomens festgestellt. Umso mehr freut sie sich, dass sich die Klasse 5c ihr eigenes „Rüstzeug“ besorgt hat: Der langjährige Cybermobbing-Experte des Landesinstituts für Schule und Medien, Michael Retzlaff, absolvierte mit ihnen den von ihm entwickelten Workshop „Respekt im Netz“.

Jeder Vierte fühlt sich in der Schule nicht mehr sicher - auch wegen Cybermobbing.
Jeder Vierte fühlt sich in der Schule nicht mehr sicher - auch wegen Cybermobbing.

© Oliver Berg/dpa

So lernten sie nicht nur Erscheinungsformen und Auswirkungen von Cybermobbing kennen, sondern seien auch „emotional gestärkt worden, um sich aktiv für einen respektvollen Umgang im Internet einzusetzen“, lobt das Deutsche Kinderhilfswerk: Es spendete 5000 Euro an den Verein „Du bist smart!“, der das Projekt unter Retzlaffs Leitung umsetzte.

„Die Kinder haben viel mitgenommen"

Der Workshop hat das Bewusstsein der Kinder geschärft“, steht für die Lehrerin der 5c, Nicole Jezewski, fest. Sie sei „begeistert, wie viel die Kinder mitgenommen haben“. Was die Klasse 5c erarbeitet hat, wurde anschließend - zusammen mit einem selbstgedrehten Film – in anderen Klassen vorgestellt und könnte letztlich auf die ganze Schule übertragen werden.

Der Verein "Du bist smart" von Antje Minhoff und das Projekt "Respekt im Netz" von Michael Retzlaff bekamen 5000 Euro vom Kinderhilfswerk.
Der Verein "Du bist smart" von Antje Minhoff und das Projekt "Respekt im Netz" von Michael Retzlaff bekamen 5000 Euro vom Kinderhilfswerk.

© Susanne Vieth-Entus

Das Herzstück der Arbeit gegen Cybermobbing ist eine Selbstverpflichtungserklärung, die die Schüler miteinander erarbeitet haben, wie Experte Retzlaff betont. Mit ihren Unterschriften haben alle Schüler bekräftigt, dass sie „keine Form von Cybermobbing, sprachlicher oder körperlicher Bedrohung und Gewalt akzeptieren“ wollen. Daraus folgt, dass sie ihre Mitschüler weder bedrohen und beleidigen, sondern „fair und respektvoll“ mit ihnen umgehen, wie es in der Selbstverpflichtungserklärung heißt.

Andersartigkeit aushalten, lautet die Devise

Zudem haben sie sich vorgenommen, dass sie „andere Weltanschauungen, Meinungen, anderes Aussehen und persönliche Eigenarten“ akzeptieren und Konflikte nicht mit Gewalt oder durch Unverschämtheiten im Internet lösen, sondern sich um eine faire und friedliche Lösung bemühen. Bei schwierigen Situationen wollen sie Vertrauenspersonen kontaktieren.

Experte Michael Retzlaff präsentiert Fallbeispiele, um Schülern zu zeigen, wie Cybermobbing weiß.
Experte Michael Retzlaff präsentiert Fallbeispiele, um Schülern zu zeigen, wie Cybermobbing weiß.

© Susanne Vieth-Entus

Auch traumatische Erfahrungen wie die mit dem Youtube-Video aus der Schultoilette, die der Nehring-Fünftklässler der Berliner Abendschau erzählte, wurden aufgegriffen: „Wenn ich bemerke, dass jemand per Handy, Internet, SMS oder auf eine andere Art und Weise terrorisiert oder belästigt wird, schaue ich nicht weg, sondern bemühe mich zu helfen und Hilfe zu holen“, verpflichten sich die Schüler. Außerdem wollen sie Fotos oder Videos ohne Erlaubnis der Betroffenen weder machen noch ins Internet stellen.

„Ein respektvolles Miteinander – nicht nur – im Internet sollte gerade im Zuge des Digitalpakts an jeder Schule absolute Priorität haben“, findet Antje Minhoff vom „Du bist smart“-Vorstand.

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