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Klasse gemacht. Abiturientenjahrgang 2021/22 des Heinz-Berggruen-Gymnasiums in Berlin-Charlottenburg.

© Murat Türemis

Berliner Abitur 2022: „Dieser Jahrgang wird besonders in Erinnerung bleiben, weil er so viel aushalten musste“

Das sagt ein Lehrer, der es beurteilen kann. Dennoch wurden Bestleistungen erzielt. Jetzt heißt es: endlich wieder feiern!

Lehrer an Schüler: Warum antwortet mir denn keiner?
Schüler an Lehrer: Ihr Mikrofon ist nicht an.

Es waren Mini-Dialoge wie dieser, die sich durch die Abiturreden und Abibälle des Jahres 2022 wohl hundertfach hindurchzogen. Manchmal konnte man glauben, die ganze Geschichte der Pandemie-bedingten Schulschließungen und sonstigen Einschränkungen sei nicht mehr als nur ein kurzweiliger Schnellkurs in Digitalisierung gewesen. Aber kurz nach dem Gelächter huschte dann auch oft ein Schatten über die Gesichter, weil sich andere, traurige oder bedrückende Bilder zwischen die lustigen Erinnerungen schoben.

Nicht alle konnten die Folgen der Schulschließungen abschütteln

Denn der Abiturjahrgang 2022 mit seinen rund 17 000 Absolventinnen und Absolventen hat eine Menge harte Erfahrungen hinter sich, hat seit dem März 2020 wenig Normalität erlebt, sondern vor allem das: Lüften, Testen, Angst vor Ansteckung. Dann auch: Infektionen, Quarantäne, geteilte Lerngruppen, Schulschließungen.

Wie verheerend das für viele war, hatte sich erst allmählich herumgesprochen. Lange glaubten die Betroffenen, sie seien mehr oder weniger allein. Im März 2021 aber hatten Schülerinnen und Schüler aus Tempelhof-Schöneberg beschlossen, ihre psychischen Probleme publik zu machen. So erfuhr die ganze Stadt, was für viele Kinder und Jugendliche ein Leben ohne normalen Schulalltag bedeutete, was die Isolation angerichtet hatte.

Nicht alle konnten die Folgen der Schulschließungen abschütteln, als die Normalität zurückkehrte. Manche sind noch in Behandlung oder haben sich entschieden, ein Jahr zurückzutreten: Ihre Namen werden wir dann hoffentlich in der Abiturbeilage 2023 lesen. Andere wären normalerweise 2021 fertig geworden und gehören stattdessen zum Abijahrgang 2022, weil sie mehr oder weniger freiwillig wiederholt hatten.

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Juhu! Nach den Strapazen der vergangenen Wochen starten die rund 17 000 Berliner Absolvent:innen strahlend in den Sommer.
Juhu! Nach den Strapazen der vergangenen Wochen starten die rund 17 000 Berliner Absolvent:innen strahlend in den Sommer.

© Getty Images

Die Noten noch besser als in den Vorjahren

So gibt es hinter jedem der Tausenden Namen in dieser Beilage eine eigene Geschichte von Frustration und ihrer Überwindung, von Rückschlägen und Triumphen. Vielen hat es geholfen, dass die Abiturbedingungen etwas erleichtert wurden, dass es weniger Mathematikaufgaben gab oder auch mehr Möglichkeiten zu Nachprüfungen.

Die Namen der Berliner Abiturient:innen sind in der Printausgabe des Tagesspiegels vom 6.7.2022 nachzulesen.
Die Namen der Berliner Abiturient:innen sind in der Printausgabe des Tagesspiegels vom 6.7.2022 nachzulesen.

© tsp

Jedenfalls ist aus vielen Schulen zu hören, dass die Noten noch besser ausgefallen seien als in den Vorjahren, als ja auch schon hunderte Male die 1,0 erreicht worden war. Der Gesamtberliner Abischnitt könnte sich daher wieder bei der Note 2,2 oder 2,3 einpendeln.

Abgesagte Kursfahrten, aber dann: ein Abiball

Das Beste am Abitur 2022 dürfte aber wohl gewesen sein, dass gefeiert wurde wie einst im Mai. Die ganzen beliebten Locations zwischen Mitte und Neukölln, zwischen Pankow und Charlottenburg waren wieder ausgebucht, die Tische bogen sich nicht nur unter Sekt, Wein und Bier, sondern wegen der Hitze auch unter riesigen Eiswürfelbehältern und Mineralwasser. Es wurde getanzt bis zum Umfallen, und bei den Reden anlässlich der Zeugnisvergabe gab es manche anerkennende Bemerkung über trinkfeste Lehrerinnen und tanzbegabte Lehrer.

Dazwischen mischten sich aber immer wieder nachdenkliche Bemerkungen, denn viele junge Rednerinnen und Redner vermittelten mehr als sonst das Gefühl, dass der Ernst des Lebens nicht nur vor, sondern zum Teil auch schon hinter ihnen liege, und sie dankten denjenigen Lehrkräften, die ihnen geholfen hatten, die trotz der Zumutungen des Maskentragens oft mit ihnen lachten, die in den Monaten des Lockdowns guten Online-Unterricht gemacht oder sich zumindest sichtlich Mühe gegeben hatten.

„Dieser Jahrgang wird besonders in Erinnerung bleiben, weil er so viel aushalten musste“, glaubt Robert Rauh, der als Lehrer seit 18 Jahren am Lichtenberger Barnim-Gymnasium Abiturkurse betreut: Dieser Jahrgang hatte seine Zehntklässler-Abschlussfahrten 2020 wegen Corona absagen müssen, später fielen dann die Kursfahrten aus, und seit Februar trieb viele von ihnen der Ukraine-Krieg um. Rauh hat mit seinen Kursen oft über ihre Fragen geredet, aber er hat am Sonnabend auch mit ihnen gefeiert – auf dem ersten Abiball seit drei Jahren.

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