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Das Projekt "eGovernment@school" soll die IT-Verwaltung der Schulen modernisieren.

© dpa

Berlin und "E-Government@school": Verwaltung versenkt Millionen für Schul-IT

Berlin hat für das Projekt "eGovernment@school" rund 60 Millionen Euro veranschlagt, Millionen sind bereits in Hard- und Software investiert worden. Doch nach fünf Jahren steht das Projekt jetzt wohl wieder am Anfang.

Der grüne Abgeordnete Thomas Birk kennt kein Erbarmen: Mit 54 quälenden Fragen – verteilt auf fünf parlamentarische Anfragen – peinigt er Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), um dem IT-Desaster bei der Modernisierung der Schulverwaltung auf den Grund zu gehen. Schon jetzt ist klar: Es sieht schlecht aus – für Scheeres und für die Schulen.

Denn fünf Jahre nach dem Startschuss von „eGovernment@school“ steht das auf über 60 Millionen Euro veranschlagte Projekt kurz vor der Neuausrichtung, weil die bislang verfolgte Lösung mit dezentralen Servern an allen Schulen als hoffnungslos veraltet und unnötig kompliziert gilt. Somit ist völlig unklar, wann die so dringend gewünschte Schülerdatei mit allen erhofften Erleichterungen bei der Schulorganisation und bei der Lehrerbedarfsberechnung kommt und wann die bessere – IT-gestützte – Überwachung der Schulpflicht durch die Bezirke möglich wird.

„Unter ökologischen, ökonomischen und organisatorischen Gesichtspunkten“ wird nun untersucht, ob auf eine zentrale Lösung „umgeschwenkt“ werden sollte, heißt es im aktuellen Bericht der Bildungsverwaltung an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses, der am Mittwoch auf der Tagesordnung steht. Ein „Umschwenken“ aber würde bedeuten, dass der schon weit fortgeschrittene Einbau von dezentralen Servern, den sogenannten Data-Center-Boxen in speziellen sicherheitsgeprüften Räumen, wohl vergebens gewesen wäre. Neun von Birks 54 Fragen drehen sich denn auch um genau diese Server und Computer. Er will wissen, wie viele schon angeschafft und installiert wurden und was mit den Servern passiert, falls sich der Senat nun doch für eine zentrale Lösung entscheiden sollte.

Scheeres ist aber nicht nur bei Birk in Erklärungsnot. Auch die Haushälter im Abgeordnetenhaus wollen wissen, wie es zu der kostspieligen und zeitaufwendigen Fehleinschätzung kommen konnte.

Die unangenehme Aufgabe, auf alle diese Fragen zu antworten, kommt Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) zu. Er agiert für die Senatorin in schulischen Belangen, und er war es deshalb auch, der den aktuellen Bericht für den Hauptausschuss unterschrieben hat. Dort heißt es, dass ein zentrales, web-basiertes System in einem kabellosen lokalen Netzwerk (W-Lan), zu Beginn des Projektes noch gar nicht zur Verfügung stand, weshalb man sich damals für die aufwendige dezentrale Lösung entschieden habe. Mit dieser Auskunft will Thomas Birk sich aber nicht zufrieden geben. Eine seiner 54 Fragen lautet deshalb, wie der Senat zu der Einschätzung gelangt sei, dass es zu Beginn des Projektes eGovernment@school noch keine ausgereifte W-Lan-Lösung gab. Und er will wissen, wie viel Geld bisher für Lizenzen und Software ausgegeben wurde, die jetzt unter Umständen nicht mehr benötigt werden – und ob auch Regressforderungen jener Firmen drohen, deren Dienste jetzt nicht mehr benötigt werden.

Kritik vom Rechnungshof gab es schon

Hinter den Kulissen tobt ein regelrechter Kampf der konkurrierenden Anbieter. Eine der Firmen hat sich bereits schriftlich bei Rackles darüber beschwert, dass sich der neue Projektleiter, der aus Hessen geholte Verwaltungsfachmann Kay Hansen, in der Senatsverwaltung „praktisch wie ein Vertreter eines Mitbewerbers“ verhalte. Eine andere Firma streut geschäftsschädigende Gerüchte über die Konkurrenz.

Um sich vor hohen Regressforderungen oder auch neuen Fehleinschätzungen zu schützen, versucht die Bildungsverwaltung jetzt, die Kosten und die Auswirkungen einer radikalen Umsteuerung abzuschätzen. Dies ist womöglich auch der Grund dafür, dass Scheeres noch nicht offiziell die Umsteuerung verkündet hat.

Die Vorsicht ist verständlich, nachdem sie im April vom Rechnungshof eine vernichtende „Prüfmitteilung“ zugeschickt bekommen hatte. Dort hieß es, dass seit 2009, also zunächst noch unter Scheeres’ Vorgänger Jürgen Zöllner (SPD) „schwerwiegende Fehler und Versäumnisse“ begangen worden seien (wir berichteten). Insbesondere wird der Verzicht auf Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Risikoabschätzungen beanstandet. Dies sei ein eindeutiger Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften, rügt der Rechnungshof. Zudem sei das Projekt fast zwei Jahre im Verzug, was wiederum zu „erheblichen finanziellen Nachteilen“ führe; denn die im Laufe der Jahre angeschafften und zumeist noch ungenutzt herumstehenden millionenschweren Geräte verlieren täglich an Wert.

„Es muss auf jeden Fall eine Kosten-Nutzen-Analyse für einen Systemwechsel geben“, fordert Birk. Zudem will er wissen, „wie ein neuer Zeitplan aussähe, wenn es zum Neuanfang käme, und was mit den Schulen in der Zwischenzeit passiert. In diesem Zusammenhang fragt er auch, wie die schon installierte Hard- und Software weiter betreut werden soll und was mit der neu eingekaufen Software passiert, mit der schon viele Schulen erfolgreich arbeiten, um etwa ihre Zeugnisse auszudrucken. Birks fünf Kleine Anfragen tragen übrigens alle denselben Titel: „egovernment@school – Fass ohne Boden?“.

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