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Zweisprachig schreiben. Ein Mädchen im Arabisch-Unterricht.

© Amloud Alamir

Arabisch lernen in Berlin: Der Weg zur Muttersprache

Wo können Kinder von Flüchtlingen in Berlin Arabisch lernen? Unsere Autorin hat sich auf die Suche gemacht.

Amloud Alamir hat in Syrien und Saudi-Arabien als Journalistin und TV-Moderatorin gearbeitet und gehört zum Team der Nachrichtenplattform für Geflüchtete „Amal, Berlin!“. Dieser Text entstand im Rahmen des Tagesspiegel-Projekts mit Exiljournalisten #jetztschreibenwir.

Viele Menschen, die ihr Heimatland verlassen, flüchten sich in ihre Muttersprache. Aus Furcht davor, auch ihre Identität zu verlieren, nachdem sie bereits ihre Heimat verloren haben. Sie klammern sich an diesen Strohhalm, der eine Brücke zur gemeinsamen Erinnerung, der Vergangenheit und den eigenen Träumen schlägt. Viele Neuankömmlinge sind ohne ihre Familie nach Deutschland gekommen. Der einzige Weg, mit den in der Heimat Zurückgebliebenen in Kontakt zu bleiben, ist die Sprache.

Insbesondere Familien mit Kindern liegt viel daran, in der Muttersprache zu kommunizieren. Denn Kinder leben sich meist rasch im neuen Land ein, sie lernen die neue Sprache schnell, immerhin begegnet sie ihnen – abgesehen von zu Hause – überall. Das macht einigen Eltern aber auch Angst: Sie befürchten, dass ihre Kinder die Muttersprache vergessen könnten. Also schicken sie sie in Schulen oder Einrichtungen, wo ihnen die Muttersprache beigebracht wird.

Unterricht in Moscheen

Bis auf einige Moscheen – darunter die Seituna-Moschee in Charlottenburg, die neben Sprachunterricht auch viele Aktivitäten für die neuangekommenen Kinder und Jugendlichen anbietet – finden sich allerdings oft nur schwer Einrichtungen, die regelmäßig arabischen Sprachunterricht am Wochenende anbieten. Dazu kommt, dass Kinder, die nicht dem Islam angehören, beim von der Moschee angebotenen Arabischunterricht oft nicht mitmachen können. Das liegt vor allem daran, dass der Sprachunterricht häufig – wenn auch nicht in jeder Moschee – mit dem Religionsunterricht Hand in Hand geht. Den Eltern, die ihre Kinder gern beim Koranlesen sehen, kommt das auch ganz gelegen. Und der andere Teil der Eltern muss das eben so hinnehmen, weil es in ihrer Umgebung oft einfach keine Alternative dazu gibt.

Eine Sprachschule als Alternative

Ein paar Möglichkeiten gibt es aber doch. Die arabische Sprachschule „Gibran“ in Schöneberg gibt es seit fast 20 Jahren. Mohammed Sheikh al-Farraj, der seit 1997 in Deutschland lebt und mit einer Deutschen verheiratet ist, ist von der Schule begeistert: „Meine Kinder besuchen sie seit zwei Jahren und können mittlerweile die arabischen Buchstaben und einige Wörter schreiben. Außerdem können sie mit unseren Verwandten in Syrien sprechen. Je mehr Sprachen wir beherrschen, umso leichter tun wir uns im Leben.“

Ungefähr 130 Schüler verschiedener Nationalitäten besuchen die Schule jeden Samstag für drei Stunden. Den Betreuern selbst sei es wichtig, die Eltern nicht nach ihrer Religion oder politischen Anschauung zu fragen, denn der Zweck der Schule bestehe allein darin, Arabischunterricht und Musikunterricht für verschiedene Instrumente anzubieten. „Der Zweck dieses Projekts liegt darin, dass die Kinder ihre Muttersprache nicht vergessen. Die Sprache ist Teil der eigenen Identität und Teil der Kultur, sie ist ein Mittel zum Ausdruck der Zivilisation und des Denkens“, erklärt Schuldirektor Hassan Hakam. Die Lehrkräfte sind überwiegend Frauen. Schuldirektor Hakam ist der Meinung, dass die Rolle der arabischen Frau und ihre Bedeutung für die Gestaltung der Zukunft gestärkt werden muss. Außerdem sei es ihm wichtig, dass die Lehrerinnen in der Schule keine religiös geprägten Symbole wie Kopftücher oder Kreuze tragen.

Arabisch als Schulfach

Nach der mit der Flüchtlingswelle verbundenen Zunahme an Arabischsprechenden in Deutschland wünschen sich viele, dass Arabisch zu einem Schulfach wird. So könnten die Kinder diese Sprache lernen, während der Staat das entsprechende Unterrichtscurriculum und die Auswahl der Lehrenden „überwacht“. Britta Ernst (SPD), Bildungsministerin in Brandenburg, sagte im Februar am Welttag der Muttersprache: „Für die Kinder und Jugendlichen ist die Förderung ihrer Muttersprache enorm wichtig. Damit erleben sie im Schulalltag die Anerkennung ihrer mehrsprachigen Fähigkeiten und ihrer interkulturellen Identität. Das fördert nicht nur ihr Selbstwertgefühl, sondern strahlt auch auf die Lernmotivation und die Zugehörigkeit zur Schule aus.“

Auch der Berliner Senat hat sich die Förderung der Mehrsprachigkeit vorgenommen. Nicht nur für Kinder von Flüchtlingen ist das von Bedeutung – schließlich sprechen an Grundschulen in Berlin 45 Prozent der Kinder Deutsch nicht als Muttersprache. Die Koalitionsfraktionen haben sich auch dafür ausgesprochen, die Herkunftssprache bei Prüfungen als erste oder zweite Fremdsprache anzuerkennen. Als zweite Fremdsprache ist dies unter bestimmten Voraussetzungen schon möglich.

Aus dem Arabischen übersetzt von Melanie Rebasso.

Arabisch lernen

AN BERLINER SCHULEN: Arabisch wird bisher nur an vier staatlichen und zwei privaten Grundschulen unterrichtet. Ein Angebot ab Klasse 7 gibt es bisher nicht. Die vier staatlichen Schulen bieten das Projekt „Muttersprache Arabisch“ an, das seit 2014/15 mit steigenden Schülerzahlen an der Wedding-Grundschule, der Fliederbusch- Grundschule in Neukölln, der Carl-Bolle- Grundschule in Moabit und der Erika- Mann-Schule in Wedding läuft. 215 Kinder arabischer Herkunft lernen in zwei zusätzlichen Unterrichtsstunden ab der ersten Klasse Schreiben und Lesen in ihrer Muttersprache. Außerdem bieten die private Bip-Grundschule in Pankow und das Kreativitätsschulzentrum Berlin Arabisch an.

SPRACHSCHULEN: Kurse für Kinder, die das arabische Alphabet lernen möchten, bietet auch das neu eröffnete „Kalamon-Institut für arabische Sprache“ in Kreuzberg an. Die Schule wurde von Ghatfan Mahmoud, einem Arabisch-Dozenten an der TU Berlin und der Syrerin Mirvat Adwan, die seit vielen Jahren in Berlin lebt und als Journalistin und Übersetzerin arbeitet, gegründet. Reichenberger Str. 125, Tel. 2246 5193, www.kalamon.de.

Die arabische Schule Gibran (siehe Artikel) ist in Schöneberg, Kurmärkische Str. 1-3. Tel. 0176-63212440, info@rabita.de, www.rabita.de. svo

Auch viele Berliner wollen Arabisch lernen. Lesen Sie hier mehr darüber.

Dieser Text entstand im Rahmen des Exiljournalisten-Projekts des Tagesspiegels #jetztschreibenwir. Am 16. Juni erschien eine Beilage der Exiljournalisten zum Thema „Heimaten“ (in Print und im E-Paper), weitere Texte von Exiljournalisten finden Sie hier.

Amloud Alamir

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