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Polizisten mit Maschinenpistolen suchen am 30. Juli 2021 einen Baumarkt in Berlin-Wedding nach Verdächtigen ab.

© Paul Zinken/dpa

Schüsse in Berlin-Wedding – Spuren zu Remmo und El-Zein: Nach Clan-Schießerei offenbar Verdacht auf versuchte Entführung

Am Freitag wurden in Berlin-Wedding drei Männer durch Schüsse und Stiche schwer verletzt. Nun prüfen Ermittler zwei Thesen zum Hintergrund des Falls.

Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) haben nach Schüssen auf dem Parkplatz eines Baumarktes in Berlin-Wedding zwei Großfamilien im Visier. Nach Tagesspiegel-Informationen werden in Justizkreisen derzeit zwei Thesen geprüft.

Die Erste: Streit um Geld innerhalb eines Clans, aus dem einige Männer einen Vertreter des anderen Clan-Flügels am Freitag am Baumarkt trafen – und sofort handgreiflich wurden, was letztlich zu den Schüssen führte.

In der Nähe soll sich ein bekannter Milieugänger aufgehalten haben, den anrückende Polizisten befragten. Der Mann gehört nicht zu der Großfamilie, die sich eine interne Fehde geliefert haben soll, sondern wollte offenbar als "Friedensrichter" auftreten. Derlei milieuinterne Schlichtungsprozesse sind im Nahen Osten verbreitet.

Die nach dieser These involvierte Familie stammt aus dem Libanon, in den die Angehörigen aus Berlin regelmäßig reisen. Der Clan wird seit Jahren wegen Geldwäscheverdachts von den Behörden beobachtet.

Der zweiten These zufolge haben sich auf dem Parkplatz die Männer zweier verschiedener Clans gestritten. Dabei sollen die Mitglieder der einen Großfamilie versucht haben, einen Mann der anderen zu entführen. Nach diesem Ermittlungsansatz sollen Männer der Großfamilien El-Zein und Remmo involviert gewesen sein.

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Im Hintergrund könnte es – Stand Montag – um Schutzgelderpressung gegangen sein. Es soll Hinweise darauf geben, dass der Geldforderung mit der Entführung "Nachdruck" verliehen werden sollte. Der wegen Gewalttaten vorbestrafte "Friedensrichter" sei (später) vor Ort gewesen.

Nach Angaben der Polizei wurden drei Männer schwer verletzt und in eine Klinik gebracht. Ein 44-Jähriger soll Messerstiche in den Oberkörper erlitten haben, ein 36-Jähriger mehrere Schusswunden. Ein zweiter 44-Jähriger soll sich nach einem Schlag einen Knochenbruch zugezogen haben. „Anschließend sollen zwei mutmaßliche Täter mit einem Auto vom Tatort geflüchtet sein“, teilte die Polizei mit, und dabei einen Mann angefahren, „augenscheinlich aber nicht verletzt haben“.

Am Sonntag hatte ein Polizeisprecher gesagt, ein junger Mann, der zunächst festgenommen worden war, sei wieder freigelassen geworden. Der Verdacht gegen ihn erhärtete sich nicht.

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Die Polizei geht davon aus, es habe sich am Baumarkt um einen gezielten Angriff gehandelt. Beamte zeigten sich am Montag beunruhigt: Mitten in der Stadt werde auf einem belebten Parkplatz geschossen, "es folgt aber wieder kein öffentlicher Aufschrei, sondern routinierte zur Kenntnisnahme", wie ein Szenekenner sagte.

Attentate und Entführungsversuche sind im Clan-Milieu nicht so selten wie öffentlich bekannt. Das LKA ermittelt auch wegen eines Übergriff auf einen 33-Jährigen im Februar 2020. Der Mann soll damals ebenfalls im Wedding von einem Angehörigen der Remmos und zwei Komplizen attackiert und mit einer Schusswaffe bedroht worden sein.

Das Opfer sollte, so der Verdacht, in den Kofferraum eines Autos geprügelt werden. Weil sich ein Streifenwagen näherte, brachen die Angreifer ab – der Mann hatte schon mehrere Schädelbrüche erlitten. Die Beamten entdeckten vor Ort ein mit scharfen Patronen gefülltes Magazin.

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Im September 2018 töteten Unbekannte in Neukölln den bekannten Clan-Sprössling Nidal R. mit acht Schüssen. Wie in den bereits erwähnten Fällen in Wedding fand das Attentat vor zahlreichen Zeugen statt. Im Juni 2018 schossen Unbekannte in Treptow 15 Kugeln auf das Lokal des bekannten Arafat Abou-Chaker, der sich in einem Streit mit dem Rapper Bushido befand.

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