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Handwerker übermalen das Wandbild des ermordeten Intensivtäters Nidal R. am Tempelhofer Feld.

© dpa

Schüsse auf dem Tempelhofer Feld vor einem Jahr: Mörder von Nidal R. immer noch nicht gefasst

Es war einer der spektakulärsten Morde in der Berliner Clanszene - viele Zeugen, ein bekanntes Opfer. Den Täter fasste die Polizei bislang trotzdem nicht.

Eine Erfolgsgeschichte für die Berliner Kriminalpolizei ist es nicht gerade. Ein Mann wird in der Öffentlichkeit erschossen - an einem Sonntagnachmittag bei Sonnenschein zwischen flanierenden Familien und spielenden Kindern. Es gibt Zeugen des Mordes, das Opfer ist ein bekannter Berufskrimineller mit Beziehungen zu arabischstämmigen Clans. Aber aufgeklärt ist die Tat ein Jahr nach dem 9. September 2018 nicht. Es gibt Spekulationen über die Täter, aber keine Festnahme, geschweige denn eine Anklage oder einen Mordprozess. „Die intensiven Ermittlungen, für die weiterhin die sechste Mordkommission zuständig ist, dauern noch an“, teilt die Staatsanwaltschaft mit.

Der 36-jährige Nidal R. war der Polizei als Wiederholungstäter bekannt. Schon als Zehnjähriger fiel er durch Diebstähle auf. Als Deutschlands jüngster Intensivtäter wurde er bekannt. Messerstechereien, Raubüberfälle, Drogen und Körperverletzungen folgten. 14 Jahre soll er im Gefängnis verbracht haben. Weil der Libanon ihn nicht als Staatsbürger anerkannte, konnte er trotz vieler Versuche nicht abgeschoben werden.

An dem Sonntag geht Nidal R. mit seiner Familie in Neukölln am Rand des Tempelhofer Feldes, des früheren Stadtflughafens, spazieren. Um 17.40 Uhr läuft ein Mann auf ihn zu, schießt achtmal und trifft ihn mehrfach. Der Schütze und mindestens zwei andere Männer flüchten über das Tempelhofer Feld zu einem abgestellten Auto und rasen davon. Das Auto wird eine Nacht später brennend gefunden. Der angeschossene Nidal R. wird ins Krankenhaus gebracht, wo er stirbt.

Die Tat erregt großes Aufsehen. Noch in der Nacht versammeln sich Dutzende erregte Männer aus arabischstämmigen Familien vor dem Krankenhaus, die Polizei muss mit einem Großaufgebot anrücken. Die Beerdigung vier Tage später wird zu einem Aufmarsch arabischstämmiger Großfamilien und organisierter Kriminalität. 2000 Besucher erscheinen, fast ausschließlich Männer, auf dem Friedhof im Stadtteil Schöneberg. Zwei Hundertschaften der Polizei und weitere Einheiten bewachen die Zufahrten, Zugänge und das Geschehen.

Auf Fotos sind die Oberhäupter bekannter Clans zu erkennen. 128 Besucher der Beerdigung seien „direkt der organisierten Kriminalität (OK) zuzuordnen“, teilt die Polizei später mit. Sie seien durch szenekundige Polizisten „zweifelsfrei namentlich identifiziert“ worden. 101 dieser Männer gehörten zur Clankriminalität, 27 zum Bereich der Rockerkriminalität. 18 Teilnehmer würden zudem der islamistischen Szene zugerechnet.

Bislang keine Festnahme

Während die Ermittlungen der zuständigen Mordkommission in den Tagen nach der Tat auf Hochtouren laufen, wird ein Porträt von Nidal R. als glorifizierendes Gemälde auf eine Wand direkt am Tatort gesprüht. Dafür sollen geübte Sprayer eigens beauftragt worden sein. Die Politik greift ein. Neun Tage nach dem Mord wird das Graffiti am frühen Morgen überstrichen. Polizisten stehen daneben Wache.

Gelbe Zahlenschilder signalisieren die Spuren des Mordes an Nidal R.
Gelbe Zahlenschilder signalisieren die Spuren des Mordes an Nidal R.

© dpa

Die Wochen vergehen, die Polizei kommt nicht weiter. In der arabischstämmigen Szene von Neukölln glauben viele, die Hintergründe zu kennen. Cousins des Toten fahren in einer Oktobernacht mit einem Auto vor eine Shisha-Bar in der Oranienstraße, dem Kneipenzentrum mitten in Kreuzberg. Bilder einer Überwachungskamera zeigen: Ein Täter schlägt mit einem Hammer ein Loch in die Fensterscheibe der Bar, ein zweiter Mann wirft eine Handgranate in den Raum. Die Explosion zerstört die Inneneinrichtung.

Im Prozess erklären die beiden Angeklagten, sie hätten nach der Tötung ihres Cousins „etwas tun“ und ein „Zeichen“ setzen wollen. Es habe Gerüchte gegeben, in denen ein Mitbesitzer der Bar als möglicher Mittäter für die Schüsse genannt worden sei. Das Gericht spricht von vermeintlicher „großfamiliärer Loyalität“ und verurteilt die Männer zu Jugendstrafen.

Aber wer sind die Mörder tatsächlich? Nach Zeitungsberichten könnte es sich bei den tödlichen Schüssen um einen Racheakt gehandelt haben. Nidal R. soll zwei Tage zuvor bei einer großen Hochzeitsfeier einen anderen bekannten Kriminellen beschimpft und zusammengeschlagen haben. Dessen Familie soll Rache geschworen haben. Mit der Polizei redet aus diesen Kreisen üblicherweise niemand.

Die Staatsanwaltschaft erklärt, bei den Ermittlungen „werden alle denkbaren Motivlagen berücksichtigt“. Und: „Eine Festnahme hat es in diesem Zusammenhang noch nicht gegeben.“ (dpa)

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