zum Hauptinhalt
Die großen deutschen Discounter: Aldi und Lidl treten mit anderen Ketten für den Nonfood-Handel ein.

© Pa/PA Wire/dpa

Update

Schreiben von Aldi, Edeka, Rewe, Lidl: Lebensmittelketten fordern bundesweites Ende von 2G beim Shopping

Warnung vor tausenden Schließungen: Mit einer „Solidaritätsadresse“ wenden sich die großen Lebensmittelhändler an die Politik – darunter Berlins Regierende.

Der Handel drängt auf ein bundesweites Ende der 2G-Regelung beim Shoppen. Mit einer "Solidaritätsadresse" für den Nonfood-Bereich haben sich die vier großen deutschen Lebensmittelketten - Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) - an mehrere deutsche Spitzenpolitiker gewandt. Neben Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) schrieben sie auch an Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). Der Brief liegt dem Tagesspiegel vor.

"Wir teilen mit dem stationären Nonfood-Handel dessen tiefe Existenzsorgen und sehen die Gefahr von tausenden Schließungen insb. inhabergeführter Geschäfte und deren verheerende Wirkung auf unsere Innenstädte, die Standort-Agglomerationen und mithin den stationären Einzelhandel in Deutschland als Ganzes", schrieben die Konzernchefs, deren Läden selbst von der 2G-Regelung nicht betroffen sind. "Daher möchten wir Sie bitten, darauf hinzuwirken, dass die 2G-Zugangsbeschränkungen für den Nonfood-Einzelhandel aufgehoben werden."

„Auf Basis unserer nunmehr fast zweijährigen Erfahrungen mit der Pandemie können wir feststellen, dass der Einzelhandel mit den geeigneten Hygienekonzepten (maßgeblich Maskenpflicht und Abstandswahrung) kein Infektionsherd ist.“ Das gelte unabhängig von den gehandelten Sortimenten.

Bei den betroffenen Händlern führe die 2G-Regel, die nur Geimpften und Genesenen den Zutritt erlaubt, dagegen zu erheblichen Umsatz- und Ergebniseinbußen, heißt es in dem Schreiben weiter. Die Topmanager drängen deshalb: „Den Unternehmen sollte es jetzt ermöglicht werden, unter Einsatz der hinlänglich bewährten Hygienekonzepte ihre Kundinnen und Kunden ohne weitere Beschränkungen zu empfangen und zu bedienen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Bund und Länder hatten die 2G-Regel für weite Teile des Einzelhandels angesichts der steigenden Corona-Inzidenzzahlen Anfang Dezember vergangenen Jahres beschlossen. Davon ausgenommen sind Läden des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Drogerien, Apotheken. Allerdings wurde die Regelung bereits in mehreren Bundesländern von Gerichten gekippt. Die Lebensmittelkonzerne verwiesen nun darauf, dass die Inzidenz dort auch nicht stärker gestiegen sei als anderswo.

Lindner hat Zweifel an 2G, Giffey sieht Lockerungen erst ab März

Nun signalisierte auch FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner Zweifel an der geltenden Regelung. „Ich stelle mir persönlich die Frage, ob wir wirklich auf Dauer die sehr scharfen Zutrittsbeschränkungen im Handel brauchen. Da entsteht ja ein wirtschaftlicher Schaden. Und da muss eben immer gefragt werden, ob der Schaden in einem richtigen Verhältnis steht zum zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen“, sagte er dem TV-Sender „Welt“.

Sieht keine Chance auf schnelle Lockerungen für den Handel: Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).
Sieht keine Chance auf schnelle Lockerungen für den Handel: Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).

© Annette Riedl/dpa

Berlins Regierende Bürgermeisterin gab sich hingegen zurückhaltend. "In dem Moment, wo die Zahlen runtergehen, müssen Öffnungsschritte auch geplant werden", sagte Giffey am Montagmorgen im Inforadio des RBB. "Und natürlich ist 2G im Einzelhandel dann auch ein Thema."

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Bei Inzidenzen von mehr als 2000 könne man jedoch jetzt keine Lockerungen beschließen. Wenn die Spitze der Omikron-Welle Mitte Februar erreicht werde, könne man "für den März" Erleichterungen ins Auge fassen. Giffey verwies dabei auch auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts aus der vergangenen Woche, dass einen Eilantrag der Modekette "Ernsting's Family" abgewiesen und die 2G-Regelung für den Berliner Einzelhandel ausdrücklich bestätigt hatte.

Giffey reagierte damit auf die Forderung des Handelsverbands Berlin-Brandenburg nach einem Ende der 2G-Regelung für den Besuch von Geschäften. „Das Gericht hat lediglich gesagt, die Regelung sei verhältnismäßig, aber nicht, dass sie geboten ist“, sagte dessen Hauptgeschäftsführer, Nils Busch-Petersen, dem Tagesspiegel am Montag. Man werde die Entscheidung genau analysieren, „eventuell wird nachgelegt“.

Für Läden eine Last: Shopping geht in Berlin gerade unter der 2G-Regelung - also mit einem Genesenen- oder Geimpften-Nachweis.
Für Läden eine Last: Shopping geht in Berlin gerade unter der 2G-Regelung - also mit einem Genesenen- oder Geimpften-Nachweis.

© imago images/Seeliger

Laut Busch-Petersen müsse Die 2G-Regelung sofort weg. „Das ist ein totes Pferd, was geritten wird.“ In vier Bundesländern – Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg und dem Saarland – sei die 2G-Regel schon gekippt worden. Dort stiegen die Infektionszahlen genau wie in Ländern mit 2G-Regel. „Man sieht doch: Omikron lässt sich nicht von 2G beeindrucken“, sagte der Verbandschef. Berlin habe die 2G-Regel im Gegensatz zu den vier Ländern noch und trotzdem die höchste Inzidenz. „Wenn ein Instrument nicht wirkt, muss es zurück in den Instrumentenkasten“, appellierte Busch-Petersen an die Berliner Landespolitik.

Seitdem die 2G-Regel im Einzelhandel in Baden-Württemberg nicht mehr gilt, stiegen die Umsätze Busch-Petersen zufolge um zehn bis 14 Prozent. „Das ist doch der Beweis“, sagte er. Für die Einzelhandelsbranche sei die Situation seit Einführung der 2G-Regel „verheerend und toxisch“. In Einzelfällen hätten Händler bis zu 90 Prozent Umsatzeinbußen zu beklagen. Insgesamt könne man bei den meisten Geschäften von einem Rückgang von 25 bis 28 Prozent sprechen.

„Das kann die Läden reihenweise die Existenz kosten“, sagte Busch-Petersen und gab zu bedenken: „Die Überbrückungshilfen des Bundes werden nur gezahlt, wenn Händler 30 Prozent Umsatzrückgang nachweisen können.“ Besonders betroffen seien die Textilbranche, Schuhmode, die Spielwaren „eigentlich das klassische Innenstadt-Sortiment“.

Berlin Wirtschaftssenator verteidigt 2G

Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz hielt dagegen – auch was den abgewiesenen Eilantrag von „Ernsting's Family“ betrifft: „Die Berliner Umsetzung der 2G-Regelung im Einzelhandel wurde vom Verwaltungsgericht aufgrund der aktuell hohen Infektionszahlen bereits zweimal als rechtmäßig bestätigt. Von einer Fehlentscheidung kann demnach nicht die Rede sein“, sagte der parteilose Senator.

Außerdem erhielten Einzelhändler mit weniger als 100 Quadratmeter Fläche eine finanzielle Unterstützung bei der 2G-Kontrolle. Der Personalaufwand der Zutrittsbeschränkungen werde seitens des Bundeswirtschaftsministeriums ab 1. Januar 2022 bei der Überbrückungshilfe IV anerkannt.

Aus Sicht des Verbandschefs handelt die Berliner Politik zu zögerlich. Er habe sowohl der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey als auch dem Wirtschaftssenator Stephan Schwarz mitgeteilt, dass es aus Sicht des Handelsverbandes „keinen Sachgrund gibt, an 2G festzuhalten“. Schwarz widersprach: „Der Vergleich zu anderen Bundesländern wie Bayern oder dem Saarland ist an dieser Stelle irreführend. In der Sache haben die Gerichte dort nicht entschieden, da die Regelungen aus formalen Gründen außer Kraft gesetzt wurden.“

Man bereite sich aber selbstverständlich schon auf die Zeit nach dem Höhepunkt der Omikron-Welle vor. „Sobald es die epidemische Lage erlaubt, werden sich die Rahmenbedingungen für den Handel wieder verbessern“, sagte Schwarz dem Tagesspiegel. Ab wann die Lage Lockerungen im Einzelhandel zulasse, sagte die Senatsverwaltung für Gesundheit auf Nachfrage nicht. Von dort hieß es lediglich, dass es angesichts der massiven Omikron-Welle und der steigenden Zahl an Krankenhauseinweisungen „nicht der richtige Zeitpunkt für Lockerungsdebatten“ sei.

[In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken befassen wir uns regelmäßig unter anderem mit Polizei- und Sicherheitsthemen. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Stattdessen bereitet der Senat weitere Einschränkungen vor. Zu Friseur, Kosmetikstudio und Co. sollen künftig nur noch dreifach geimpfte Kund:innen oder Genesene mit Negativtest eingelassen werden. Das will der Senat nach Tagesspiegel-Informationen am Dienstag beschließen. Zuvor standen körpernahe Dienstleistungen auch zweifach Geimpften und Genesene mit Maske oder Negativtest offen.

Während andere Bundesländer von 2G auf 3G wechseln, verschärft Berlin die Maßnahmen noch weiter, monierte Jan Kopatz, Obermeister der Friseur-Innung Berlin, den von der Gesundheitsverwaltung vorgeschlagenen Schritt. Das beflügle Schattenarbeit. „Jedes Hochfahren der Maßnahmen verschärft die Situation für die Branche.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false