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Breitscheidplatz, Tauentzienstraße und Kurfürstendamm: Um die Gestaltung gibt es seit Jahren Diskussionen.

© REUTERS/Fabrizio Bensch

Schneller Umbau am Berliner Breitscheidplatz?: Jarasch erteilt Bezirk Absage – Verkehrsideen hätten Amokfahrt nicht verhindert

Charlottenburg-Wilmersdorf fordert eine Verkehrsberuhigung am Breitscheidplatz. Die Senatorin erwidert: „Wer ein Auto missbrauchen will, kann das überall tun.“

Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) hat dem Vorstoß des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf eine Absage erteilt, nach der Amokfahrt vom Mittwoch rasch die Verkehrsführung rund um den Breitscheidplatz zu ändern. "Die Konzepte zum Umbau des Tauentzien, die jetzt aus der Schublade geholt wurden, hätten die Amokfahrt nicht verhindern können", teilte Jarasch am Freitag mit. "Der Fahrer wollte ja nicht auf den Breitscheidplatz, sondern hat seinen Wagen einfach auf den Gehsteig am Tauentzien gesteuert. Das hätte auch mit dem gewünschten Umbau des Mittelstreifens genau so passieren können."

Zuvor hatte die Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Jaraschs Parteifreundin Kirstin Bauch, gefordert, die Pläne, den Autoverkehr rund um den Breitscheidplatz zu verlangsamen und zurückzudrängen, müssten nun schnell umgesetzt werden. Dafür gebe es seit Jahren Konzepte, die aber von der Senatsverkehrsverwaltung und dem Senat bisher nicht beschlossen worden seien, so dass die Umsetzung bisher gescheitert sei.

Auf beiden Seiten des Platzes mit der Gedächtniskirche sollten Autospuren entfernt werden, um eine direkte und gerade Fahrt Richtung Breitscheidplatz zu verhindern, sagte Bauch am Freitag im RBB-Inforadio. Nördlich des Platzes sollte die Budapester Straße verengt werden mit nur noch einer Spur in jede Richtung. Für den südlichen Bereich am Übergang von Kurfürstendamm zur Tauentzienstraße, die jetzt betroffen war, sollte eine Lücke im Mittelstreifen geschlossen werden. Autos in der Rankestraße sollten nur noch nach rechts in die Tauentzienstraße abbiegen können. Damit würde verhindert, dass jemand geradeaus in Richtung Breitscheidplatz rasen kann.

Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) erklärte: „Wir müssen die hohe Gefährdung des Breitscheidplatzes über die Verkehrslenkung in den Griff bekommen.“ Die derzeitigen schweren Absperrungen aus großen Betonklötzen zum Schutz des Platzes könnten dann wieder entfernt werden.

Jarasch: Beruhigung erhöht Aufenthaltsqualität und hilft gegen Raser

Die SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung forderte eine "dauerhafte und stadtverträgliche Absicherung" des Platzes, aber auch umliegender Straßen. Das Gebiet müsse "als Ganzes gedacht werden". Auf dem Kurfürstendamm sei eine Verkehrsberuhigung durch "eine Tempo-Reduzierung, bauliche Veränderungen und eine Neuaufteilung des öffentlichen Raums" möglich. Man könne den motorisierten Verkehr dort auf BVG-Busse, Taxis, Lieferwagen und Rettungsfahrzeuge beschränken.

„Der SPD-Fraktion ist es bei allen Entwicklungen wichtig, dass die City-West nicht zu einer Festung wird, sondern ein offener Ort in der Stadt bleibt“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Alexander Sempf allerdings zugleich.

[Mehr zur Amokfahrt und ihren Folgen lesen Sie am Freitag in unserem Bezirksnewsletter aus Charlottenburg-Wilmersdorf von Cay Dobberke. Hier kostenlos bestellen.]

Diese Planungen hätten allerdings nicht mit der Amokfahrt vom Mittwoch zu tun, wandte Verkehrssenatorin Jarasch dagegen ein. "Solche Gewalttaten – so bitter es ist, dies festzustellen – lassen sich nie ganz verhindern. Wer ein Auto missbrauchen will, um willkürlich Menschen umzufahren, kann das überall tun", erklärte die Grünen-Politikerin. "Wir können einzelne Orte sichern, aber dann kann die Gewalttat hundert Meter weiter dennoch geschehen – so wie vorgestern am Breitscheidplatz."

Eine Verkehrsberuhigung könne jedoch die Aufenthaltsqualität in der City West erhöhen und würde auch das Problem der Raser auf dem Ku'damm und dem Tauentzien lösen, gestand Jarasch ein - "in diesem Sinne" rede sie gern drüber. "Aber Terror oder Amokfahrten werden so nicht verhindert." Dennoch spiele an Orten wie dem Breitscheidplatz die Frage der Sicherheit durch besondere Schutzmaßnahmen "eine herausgehobene Rolle", sagte Jarasch und versprach: "Wir werden hier gemeinsam mit Bezirk und Innenverwaltung eine Lösung vorantreiben."

Kritik an den Plänen des Bezirks kam auch von der Berliner CDU-Fraktion. Der tödliche Vorfall dürfe nicht für eine „ideologische Verkehrspolitik“ missbraucht werden. „Die Tränen der Opfer sind noch nicht getrocknet, da wollen die Grünen im Bezirk aus der entsetzlichen Amokfahrt politisches Kapital schlagen“, sagte CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici.

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Am Mittwoch war der 29-jährige Gor H. auf dem Ku'damm und der Tauentzienstraße in zwei Menschengruppen gefahren. Die Lehrerin einer Schulklasse aus Hessen starb, ein Lehrer und sieben Schüler kamen mit schweren Verletzungen in Krankenhäuser, weitere Menschen wurden verletzt.

2016 war auf der anderen Seite der Gedächtniskirche ein islamistischer Attentäter auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gefahren. Rund um den Platz wurden danach schweren Absperrungen aufgestellt. (Tsp, dpa)

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