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Berlin: Schmeckt eben doch FEINKOST Tofu hat bei uns den Ruf eines Ersatzprodukts. Dabei öffnet er, richtig zubereitet, eine ganze Geschmackswelt

Dass der Tofutest keine schwammige Angelegenheit wurde, lag an Hai Wang. Der Inhaber und Koch des Schöneberger Restaurants „Chi Chi Kan“ stellte nicht nur die wichtigsten Tofusorten vor, sondern gab ihnen einen Kontext, der in China zum Alltag gehört.

Dass der Tofutest keine schwammige Angelegenheit wurde, lag an Hai Wang. Der Inhaber und Koch des Schöneberger Restaurants „Chi Chi Kan“ stellte nicht nur die wichtigsten Tofusorten vor, sondern gab ihnen einen Kontext, der in China zum Alltag gehört. Herr Wang kochte zu jeder Probe mindestens zwei Gerichte, die sonst nicht auf seiner Karte zu finden sind, und rückte den Tofu den Teilnehmern der monatlichen Testrunde näher, als sie es gedacht hatten.

Die Unterschiede beginnen schon mit dem Verständnis des Bohnenquarks. In China gehört er zu den ganz normalen Zutaten und wird nicht wie bei uns als Ersatzstoff betrachtet. Mit einer gewissen Belustigung schaut Hai Wang auf die Metzgereiauslagen, die aus Tofu nachgebildet werden, als gelte es über einen veganen Umweg die Umsätze von Fleischereien anzukurbeln. Nach dem Programm zu urteilen – Wiener Würstchen, Rostbratwurst, Teewurst, Leberwurst etwa –, das gerade in Biomärkten ausliegt, scheinen Vegetarier und Veganer an die Form tierischer Lebensmittel gekettet zu sein.

In China ist das unbekannt. Dort unterscheidet man Tofu nach seinem Verwendungszweck. Jede Speise erfordert einen bestimmten Tofu. Das mag zunächst verwunderlich klingen, denn die geronnene, trocken gelegte und gepresste Sojamilch gehört zu den geschmacklich neutralen Lebensmitteln, die austauschbar wirken. Dass sie trotzdem beliebt sind – gerade auch wegen ihrer geschmeidigen Textur – und in vielen Zusammenhängen auftreten können, das beweist ja allein schon die weite Verbreitung des Mozzarella.

Den Anfang machte „Unicurd Yakko Tofu Soft“. Dieser feine Quark riecht leicht nach trockenem Mehl und Hefe, erlaubt eine feine Hülsenfrucht-Assoziation und schmeckt am Ende leicht metallisch. Das Verhalten im Mund ist bemerkenswert. Dieser Tofu, der roh gegessen, allenfalls leicht erwärmt wird, schmilzt fast auf der Zunge und gewinnt dabei Volumen. Wang kombinierte ihn mit Tausendjährigem Ei, Salzgemüse, Koriandergrün und japanischer Sojasauce. Geröstete Erdnüsse bilden einen Widerpart zur Fügsamkeit des ungekochten Quarks und lassen das Gericht gestufter erscheinen.

Vom Mundgefühl her ähnlich ist der „Unicurd Silken Tofu“. Er ist noch eine Spur weicher und zerbröselt sehr angenehm auf der Zunge. Sein Aroma erinnert an Bohnenschalen und Backhefe, im Abgang ist deutliche Mineralität zu spüren. Hai Wang benutzte ihn, der wie durch ein Sieb gestrichen wirkt, als Farce um eine in Bierteig ausgebackene und mit Orangensauce servierte Garnele. Zum andern kochte er diesen Seidentofu mit Garnelen, Mais, Erbsen und grünen Sojabohnen in einer leicht gebundenen Hühnerbrühe. Insgesamt ein schöner Eindruck von Leichtigkeit.

Prinzipiell wird Tofu gewürfelt und dann für drei Minuten in Kochwasser gesimmert, damit er „aufgeschlossen“ wird, seine Härte, seine relative Zähigkeit verliert. Zum Grillen, Braten und Frittieren eignet sich „Treiber Tofu Natur“. Roh macht er einen unreifen Eindruck, mit leicht bitteren Noten, er ist außerdem schaumiger und griesiger, die leicht poröse Konsistenz erinnert sogar ein wenig an Schafskäse. Man könnte Treiber als Hauptgerichtstofu bezeichnen, der stets etwas Robustes in die Speisen bringt.

Hai Wang bereitete ihn mit gehacktem Schweinefleisch, Lauch, Knoblauch und Chilipaste zu. Als „Ma Po Do Fu“ ist dieses Gericht aus Szechuan fast ein chinesisches Nationalgericht. „Jeder Chinese kennt das Gericht“, sagte Wang, der diese Speise nun in sein tägliches Angebot aufgenommen hat. Dann setzte er noch eine zweite Variante auf den Tisch: ausgehöhlte Bohnenquarkstücke, die wie Dim Sum mit einem Fleischbällchen gefüllt wurden. Ingwer, Koriander und Lauch bilden einen aromatischen Dreiklang.

Der „Treiber Aroma Tofu“ besitzt wesentlich mehr Dichte und lässt sich deshalb gut in Strähnen schneiden – fast wie bei einem Elsässer Wurstsalat. Er ist wesentlich mehr trocken gelegt und gepresst als herkömmlicher Tofu und wäre im fleischigen Biss mit Kalbstafelspitz durchaus vergleichbar. Das Aroma ist klar und frisch. Es berührt die Mandelmilch und weist schöne Eiweißnoten auf. Man kann diesen Bohnenkäse sogar anstelle von Nudeln verwenden. Hai Wang kombinierte die Streifen mit Pilzen und Staudensellerie. Der Aroma Tofu ist wegen seiner Festigkeit, seiner Frische und der Fähigkeit, Marinaden leicht anzunehmen, sicher der vielseitigste Tofu.

Der dunkelbraune, fast schwarze „Treiber Gewürztofu“, ebenfalls von hoher Dichte (fast schon Radiergummi), geht noch einen Schritt weiter. Als Erstes steigt der Duft von Lakritz auf und signalisiert die Eigenwilligkeit dieses Produktes. Dann dringen die klassischen Fünf Gewürze (Sternanis, Zimtkassie, Fenchelsaat, Szechuanpfeffer, Nelke) durch. Dieser Tofu verträgt Sesamöl, süße Sojasauce, Zwiebel, Knoblauch, überhaupt schwere Aromen. Das gilt auch für den gebackenen Tofu. Bei Vinh-Loi sind die frittierten Würfel in schmucklosen Beuteln zu haben. Hinter einer Fettschicht von ungefähr zwei Millimetern ist der Bohnenteig sehr luftig und verhältnismäßig weich. Man kann ihn rasch mit Pak Choi oder anderem Gemüse vereinen und benötigt als Saucengrundlage nur etwas Kecap Manis (am besten „ABC Sweet Soy Sauce“). Dessen malzige Anklänge vermitteln die nötige Substanz.

Doch noch ziemlich schwammig ist das „Vegetarian Chicken“, ein tiefgefrorenes Bündel, das ein bisschen an Dampfnudeln denken lässt. Die äußerst poröse Struktur ist nicht ohne Reiz: Sie eignet sich zum scharfen Anbraten und Schmoren, lagert später die Sauce ein und gibt sie im Mund mit einem Mal ab, so dass der Eindruck von enormer Saftigkeit und Fülle entsteht. Mit geschmorten Auberginen (ohnehin ein Paradegericht des Chi Chi Kan) oder mit Weißkohlstreifen harmoniert das in Scheiben geschnittene Kunsthuhn ausgezeichnet.

Den Abschluss bildeten die ebenfalls tiefgefrorenen „Shanghai Foodstuffs Sheet Bean Curd Knots“, die auf der Rückseite der Packung mit „Sojapapierknoten“ deklariert werden. Tatsächlich sehen sie aus wie verknotete Tagliatellenester. Ihre bröselige Art passt als Kontrast gut zu Pfifferlingen mit ihrer fast seifigen Glätte. Zudem fügt sich der klare Eiweißton vorzüglich zur fetten Art der Pilze. Überhaupt ist es ja die Anpassungsfähigkeit, die Tofu so interessant macht. Wenn wir es nicht gar mit einem Chamäleon zu tun haben.

ChiChiKan, Goltzstr. 52, Schöneberg, Tel. 5471 6651. www.chichikan.de

Bezugsquelle: Vinh-Loi, drei Supermärkte in Berlin, www.vinhloi.de

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