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Bisams pflanzen sich fast das ganze Jahr über fort. Dadurch werden sie in Brandenburg zur Plage.

© dpa

Schluss mit Schutz: Nutrias und Bisams dürfen in Brandenburg gejagt werden

Nutrias und Bisams werden in Brandenburg zunehmend zur Plage. Um die Deiche zu retten, erlaubt Brandenburg jetzt den ganzjährigen Abschuss der Nager.

Von Sandra Dassler

„Da werden viele im Land Brandenburg aufatmen“, sagt Hilmar Schwärzel. „Gerade hier bei uns, wo durch Bisamratten und Nutrias so viele Schäden, vor allem an den Hochwasserschutzdeichen, entstehen.“ Schwärzel leitet in Müncheberg im Landkreis Märkisch-Oderland eine „Obstbauversuchsstation“, und er weiß, dass Nutrias und Bisams zwar seit Sommer dieses Jahres theoretisch in Brandenburg gejagt werden dürfen. Praktisch war dies aber gar nicht möglich, denn die Aufnahme in das Jagdrecht bedeutete auch, dass sie während der Trage- und Aufzuchtzeit sogenannten Elternschutz genießen.

„Im Gegensatz zu den heimischen Nagern pflanzen sich die aus Südamerika stammenden Nutrias oft drei- bis viermal im Jahr und die aus Nordamerika kommenden Bisams sogar das ganze Jahr über fort, sind also faktisch ununterbrochen mit dem Nachwuchs beschäftigt“, erläutert Julia Götze, Referentin der Obersten Jagdbehörde des Landes Brandenburg: „Deshalb mussten wir eine Ausnahmeregelung beschließen.“

Die gilt nun und soll vor allem dem Hochwasserschutz dienen. Denn während sich Nutrias unter anderem im Spreewald wohlfühlen und rasant vermehren, wühlen sich die kleineren Bisams gerne in die Deiche im Oderbruch. „Das potenziert sich ungeheuer“, sagt Hilmar Schwärzel, „vor allem, weil die Fortpflanzung so rasant vor sich geht: Wenn ein Muttertier im April sechs Junge wirft, sind die bereits ein paar Monate später auch schon wieder geschlechtsreif. Wenn die Hälfte wiederum sechs Junge hat, kann man erahnen, was aus den Hochwasserschutzdeichen wird.“

Jagdreferentin Julia Götze kennt die Antwort: „Schweizer Käse“, sagt sie: „Jede neue Bisamfamilie gräbt und baut sich ihre eigene Höhle, es ist eine Frage der Zeit, bis die Deiche instabil werden.“ Bisams werden oft auch als Bisamratten bezeichnet, was aber nicht korrekt ist, denn eigentlich gehören sie zu den Wühlmäusen, während Nutrias zu den Stachelratten zählen. Manche nennen sie deshalb auch Biberratten.

Nutrias und Bisamratten verdrängen heimische Säugetiere

Gemeinsam ist beiden Tierarten, die vermutlich im vergangenen Jahrhundert zur Pelzgewinnung nach Deutschland gebracht wurden, dass sie ebenso wie Waschbären und Marderhunde die einheimischen kleinen Säugetiere wie Stein- und Baummarder, Mauswiesel oder Iltis verdrängen. Und Vogelarten, die am Boden brüten, ausrotten.

Das ist wohl auch der Grund, warum die meisten Naturschützer nicht gegen die ganzjährige Bejagung zu Felde ziehen, zumal Nutrias und Bisams auch von der Europäischen Union als gebietsfremd und für die hiesige Flora und Fauna bedrohlich klassifiziert werden. Allerdings weisen sowohl die Verantwortlichen in der EU als auch im Land Brandenburg darauf hin, dass die Bedrohung und Gefährdung, die von den sogenannten Neozoen und Neophyten ausgeht, von Land zu Land unterschiedlich ist.

In Berlin genießt der Nutria noch Elternschutz.
In Berlin genießt der Nutria noch Elternschutz.

© Steffen Schellhorn

So genießt der Nutria in Berlin nach wie vor Elternschutz und auch die Bisams richten dort bislang nicht so viel Schaden an. Aber selbst wenn sie bundesweit ganzjährig bejagt würden –„die Bisams kann kein Jäger mehr ausrotten“, sagt Christiane Schröder vom Naturschutzbund Brandenburg: „Das sind nunmal die Begleiterscheinungen von Globalisierung, Handel und Klimawandel.“

Damit wird man auch künftig leben müssen. Nicht allerdings mit der – im wahrsten Sinne des Wortes – Untergrabung von öffentlichen Geldern, die beispielsweise in den Hochwasserschutz geflossen sind. An der Oder sind die Deiche durch die invasiven Nagetiere inzwischen sogar in ihrer Standsicherheit gefährdet, heißt es beim Gewässer- und Deichverband Oderbruch.

Knapp 500 Schadstellen wurden bereits gemeldet, weshalb das Landesumweltamt eine Ausnahmeregelung zur Aussetzung des Elterntierschutzes beantragt hatte. Die wurde nun beschlossen. „Leicht gefallen ist uns das nicht“, sagt Jagdreferentin Julia Götze: „Aber das Land hat viel Geld für den Hochwasserschutz aufgebracht. Und der Schutz von Menschen beziehungsweise ganzen Dörfern geht nun einmal vor.“

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