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Mickriges Ergebnis: Nicht einmal 60 Prozent der Stimmen erhielten Giffey und Saleh bei ihrer Wiederwahl als Landesvorsitzende.

© IMAGO / Metodi Popow

Schlechte Zustimmung für Giffey und Saleh: Das schlimme Ergebnis hat sogar die Parteilinken überrascht

Von 90 auf 59 Prozent – das gab es nicht mal bei Michael Müller. Giffey sollte den Denkzettel sehen und gemeinsam mit Saleh den Kurs überdenken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Die Fassade ist Franziska Giffey und Raed Saleh wichtig. Beide geben sich größte Mühe, Geschlossenheit zu demonstrieren. Das gilt für die Arbeit im Senat wie für die Partei. Nach dem Parteitag am Sonntag aber blättert mächtig rote Farbe ab, es kommen schwere Risse zum Vorschein. Droht sogar Einsturzgefahr?

Nicht einmal 60 Prozent der Stimmen erhielten Giffey (59 Prozent) und Saleh (57) bei ihrer Wiederwahl als Landesvorsitzende. Für Giffey, vor eineinhalb Jahren als Hoffnungsträgerin der Partei gestartet, gleicht das einem Absturz. Entsprechend war ihre Miene bei Verkündung des Ergebnisses. Bei ihrer Erstwahl zur Vorsitzenden Ende 2020 hatte sie 90 Prozent erhalten.

Die Liste der Vorwürfe gegen die beiden Vorsitzenden war vor dem Parteitag lang gewesen: das unerwartet schlechte Abschneiden der SPD bei den Abgeordnetenhauswahlen 2021, die ablehnende Haltung zum Enteignungsvolksentscheid, zu bürgerliche Politik, fehlende Diskussionskultur in der Partei. Dennoch hatten mit einem derart schlimmen Ergebnis für die beiden selbst parteiinterne Gegner kaum gerechnet.

Zwar hat das Abstrafen von Parteichefs in der Berliner SPD Tradition, doch ist das jetzige Ergebnis noch schlechter, als die knapp 65 Prozent, die der damalige Rathaus- und Landeschef Michael Müller 2018 bei seiner Wiederwahl erhielt – was er damals selbst als „Denkzettel“ bezeichnete.

Für ihn war es der Anfang vom Ende. Wenig später verabredeten sich Giffey und Saleh, um Müller zu ersetzen, die Partei neu auszurichten. [Lesen Sie hier bei T-Plus das Porträt von Raed Saleh: Unterschätzt, gefürchtet, oben angekommen.]

So weit wie damals ist es jetzt wohl nicht. Eine Mehrheit steht trotz allem hinter den Vorsitzenden: auf dem Parteitag, aber auch im Landesvorstand. Im Rathaus ist Giffey frisch im Amt.

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Saleh und Giffey haben viele Teile der Partei auf sich zugeschnitten. Es fehlt eine echte innerparteiliche Konkurrenzfigur – gerade vom linken Parteiflügel, dessen Delegierte maßgeblichen Anteil an der Klatsche haben.

Doch dabei blieb es am Sonntag nicht: Noch stärker als ihr schlechtes Ergebnis muss die Pragmatikerin Franziska Giffey besorgen, dass ihre Partei plötzlich auf Enteignungskurs schwenkt. Wenn die Enteignungskommission für die grundsätzliche Möglichkeit von Enteignungen votiert, soll der Senat schnellstmöglich ein Gesetz erarbeiten. So wurde es beschlossen.

Für Giffey und Saleh wird es nun entscheidend, wie sie mit der Niederlage umgehen: Lassen beide mehr innerparteilichen Diskurs zu, mehr Themen für die linke Parteiseele oder drücken sie weiter mit Macht ihren bürgerlichen Kurs durch? Passiert letzteres, wäre eine ernsthafte Konkurrenz wohl nur noch eine Frage der Zeit.

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