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Ziegelsteine statt Licht: Alexander Kaufhold steht in seiner Lichtenberger Wohnung vor einem der Fenster, das die Howoge von außen zumauern ließ.

© Pauline Faust

Schlechte Aussichten: Diesem Lichtenberger Mieter mauerte die Howoge das Fenster zu

Wegen eines angrenzenden Neubaus mauerte die Howoge seine Wohnungsfenster zu – ein Lichtenberger Mieter wehrt sich.

Von Pauline Faust

Steine statt Natur: Das ist seit Kurzem die Aussicht aus Alexander Kaufholds Wohnzimmerfenster. Seine Vermieterin, die Howoge, hat zwei Fenster seiner Wohnung im Lichtenberger Weitlingkiez zugemauert. „Dieser Umbaumaßnahme habe ich nicht zugestimmt“, sagt Kaufhold. Fast zehn Jahre wohnt er in der Rupprechtstraße – bis vor zwei Wochen mit je zwei Fenstern in Wohn- und Schlafzimmer. Der früher lichtdurchflutete Flur ist jetzt duster, auf die Grünfläche vor dem Haus kann man durch die grauen Ziegelsteine auch nicht mehr schauen.

Die Howoge will einen Neubau an die Wand des Mietshauses setzten. „Es handelt sich um eine Blockrandbebauung, einen klassischen Lückenschluss“, erklärt Unternehmenssprecherin Sabine Pentrop. Entstehen soll ein Mehrfamilienhaus mit 33 Wohnungen, davon werden 17 Sozialwohnungen sein. Fertigstellung ist voraussichtlich im November 2022. Alexander Kaufhold möchte den Neubau gar nicht verhindern, sagt er, ärgert sich aber über das Vorgehen der landeseigenen Gesellschaft.

Im April 2020 informierte die Howoge die vier betroffenen Mietparteien über ihre Pläne für die Fenster. Bis auf Alexander Kaufhold stimmten alle den Maßnahmen zu. Der 33-jährige IT-Trainer arbeitet seit Beginn der Pandemie im Homeoffice: „Mir war klar, dass ich ein Jahr Bauarbeiten nicht ertragen möchte“ – hinzu komme die verminderte Lebensqualität. In die Wohnung sei er auch gezogen, weil sie so hell war. „Ich habe der Howoge angeboten, vor Beginn der Bauarbeiten für eine Kompensation von 10.000 Euro umzuziehen“, sagt Kaufhold, „bei einem Privatunternehmen hätte ich das Doppelte gefordert.“ Das seien marktübliche Preise.

Die Howoge habe ihm daraufhin ein Angebot über 2000 Euro gemacht. „Davon kann ich nicht mal einen Umzug bezahlen – ganz zu schweigen von einer höheren Miete.“ Im Moment zahle er 565 Euro kalt für 70 Quadratmeter – ähnliche Konditionen jetzt auf dem Berliner Mietmarkt zu finden, dürfte fast unmöglich sein. Auch auf den Vorschlag in eine andere Howoge-Wohnung zu ziehen, sei diese nicht eingegangen.

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Die Howoge schätzt die Lage ganz anders ein. „Dass Neubaumaßnahmen in so enger Nachbarschaft zum Bestand eine besondere Belastung für die Mieter:innen darstellen, ist uns bewusst“, sagt Sprecherin Sabine Pentrop. Die Howoge leiste mit jeder Baumaßnahme jedoch einen wichtigen Beitrag zur Entspannung der Wohnungsmarktlage in Berlin. Sie lehnt die von Kaufhold via Anwalt gestellte Schadenersatzforderung „sowohl in der Sache als auch in der Höhe“ ab. Kaufhold habe sich zahlreichen Gesprächsangeboten und Kontaktaufnahmeversuchen verweigert. Um das Bauvorhaben starten zu können, habe die Howoge eine Duldungsklage eingereicht, der stattgegeben wurde. Als Kaufhold die Bauarbeiter nicht in die Wohnung ließ, wurden dann die Fenster von außen zugemauert.

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Pro Wohnung sind laut Howoge ein Fenster in einem Wohnraum und einer Kammer betroffen, in beiden gibt es ein zweites Fenster. Die „Kammer“ ist bei Kaufhold das Schlafzimmer und deutlich größer als die vom Vermieter gewählte Wortwahl vermuten lässt. Als Ausgleich, so kündigte es die Howoge an, wolle man das Fenster im Wohnraum durch ein bodengleiches ersetzen. So sei eine gute und den gesetzlichen Vorgaben genügende Belichtung gewährleistet. Die Kammer sei mit einem Fenster ausreichend belichtet.

Mieterverein: Zumauern kommt öfter vor

„Leider kommt es im Zusammenhang mit Neubauten immer wieder vor, dass die Wohnqualität von Bestandsmieter:innen nachhaltig beeinträchtigt wird“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Das Zumauern von Fenstern sei zwar nicht an der Tagesordnung, komme aber immer wieder vor. „Gebäudeeigentümer nutzen hier Regelungslücken im Baurecht.“ Baugenehmigungen werden erteilt, wenn der Nachbareigentümer keine nachbarrechtlichen Einwände vortragen.

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Sind die Grundstückseigentümer identisch, erfolgt kein Einwand, der Konflikt mit dem Mieter wird zivilrechtlich ausgetragen. „Von Mieter:innenseite gegen einen angrenzenden Neubau vorzugehen, ist rechtlich schwierig und wegen drohender Entschädigungszahlungen wirtschaftlich nicht machbar“, sagt Wild.

Ein Vermieter kann durch Modernisierung die Wohnung verändern, es sei denn die Maßnahme stellt eine Härte dar. „Es könnte also durchaus sein, dass bei einer Duldungsklage vor Gericht eine unzumutbare Härte festgestellt wird“, sagt Wild. Daher gingen die Wohnungsunternehmen auch nicht vor Gericht, um Zugang zur Wohnung zu bekommen, sondern mauerten von außen zu. So müsse der Mietende aktiv werden. „Dass ein kommunales Wohnungsunternehmen auch so verfährt, ist allerdings befremdlich“, sagt der Mieterschützer. Pauline Faust

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