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Eine Polizeischülerin trainiert auf einem Schießstand in Berlin.

© picture alliance / dpa

Schießstandaffäre bei der Polizei: Ein Vermerk des Innensenators mit politischer Sprengkraft

Der Entschädigungsfonds bringt keine Ruhe in die Schießstandaffäre. Ein Vermerk der Innenbehörde zum Opferverband von Polizisten sorgt nun für Empörung.

Ein von Innensenator Andreas Geisel (SPD) abgezeichneter Vermerk zum Entschädigungsfonds für die Schießstandaffäre entwickelt politische Sprengkraft. In der Polizeibelegschaft herrscht Unruhe und im Abgeordnetenhaus ist die Empörung über die Grenzen von Koalition und Opposition hinweg groß.

Der von Geisel und Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) abgezeichnete Vermerk vom 27. Februar zum „Umgang mit Widersprüchen gegen Entscheidungen der Bewertungskommission und neuen Anträgen“ lässt die Bewertungskommission als wenig neutral erscheinen. Dabei besteht Geisel darauf, dass die Kommission unabhängig gewesen sei.

In dem Vermerk, der dem Tagesspiegel vorliegt, wird eine Stellungnahme der Vorsitzenden der Kommission, Monika Paulat, immerhin frühere Präsidentin des Landessozialgerichts, angeführt. Paulat berichtete also der Verwaltung.

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Es ging darum, wie mit der Interessengemeinschaft von Betroffenen, mit dem Verein „Biss“, umgegangen wird. Denn der, heißt es, habe „das Thema mit zum Teil falschen Informationen befeuert“, um die „Sinnhaftigkeit des Ausgleichsfonds zu hinterfragen“.

Paulat wirft dem Verein „Militanz“, „besserwisserische Uneinsichtigkeit“, „Ignoranz“ und „Selbstüberzeugtheit“ vor, das „darf nicht das gesamte Projekt überschatten“ und „beherrschen“. Es handle sich um eine „überschaubare Gruppe zum Teil hochgradig Unzufriedener“. Es gehe beim Ausgleichsfonds um eine „Befriedung“.

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger verwies darauf, dass die Innenverwaltung auch die Anerkennung von Erkrankungen als Dienstunfälle ablehnt. „Die arrogante Überheblichkeit des Dienstherrn unterminiert ein weiteres Mal die Loyalität der Polizisten und Polizistinnen. Ich fordere eine öffentliche Entschuldigung des Innensenators“, sagte Dregger.

Der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber nannte Paulats Äußerungen eine grenzenlose Frechheit. „Das ist ein unwürdiges Verhalten. Ich erwarte eine Klarstellung. Es bestätigt am Ende nur die kritischen Stimmen. Den Schaden tragen alle Seiten.“ Er vermisse einen „empathischen Umgang“, sagte Schreiber.

Selbst der Verfassungsgerichtshof hatte Geisels Aussage widersprochen, die Kommission sei unabhängig gewesen. „Ziel war nicht ein faires, transparentes Verfahren, wie es das Parlament beschlossen hat, sondern politische Befriedung“, sagte der FDP-Politiker Marcel Luthe nun.

„Die angebliche Neutralität und Unabhängigkeit war nur ein weiteres Märchen des Senators", erklärte Luthe. Zugleich legte er Geisel den Rücktritt nahe, weil er „nicht die Wahrheit sagt, sondern ein Schauspiel orchestriert“.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter wies Paulats Vorwürfe zurück: „Im Vordergrund sollten für alle Beteiligten nicht persönliche Befindlichkeiten stehen, wie im Vermerk deutlich geworden, sondern sachgerechte Lösungen für die Betroffenen.“

Geisels Sprecher wollte Paulats Stellungnahme nicht kommentieren. Der Senator habe sich die Äußerung nicht zu eigen gemacht, als er den Vermerk abgezeichnet hat. Er habe nur den Vorschlag der Verwaltung zum Umgang mit Widersprüchen abgesegnet.

Sprecher des Senators: Fonds ist weiter offen

In dem Vermerk wird empfohlen, dass die Kommission nur Fälle neu bewertet, wenn fristgerecht eingereichte Atteste und Akutbeschwerden nicht berücksichtigt wurden. Ohne Nachweis einer Gesundheitsstörung soll es keine neue Überprüfung geben. Für Fälle, in denen noch eine Erkrankung auftritt, soll es eine Nachfolgeregelung geben.

Der Fonds sei weiter offen, sagte der Sprecher. Zudem betonte er, die Kommission habe unabhängig gearbeitet, es habe keine politische Einflussnahme gegeben. Es sei darum gegangen, eine unbürokratische Entschädigung zu organisieren, dies werde nun im Nachhinein diskreditiert, durch Leute, die sich nicht gerecht behandelt fühlten.

Vielschießer erhielten nur geringe oder keine Entschädigung

Der Opferverein hatte Geisel und der Kommission massive Fehler vorgeworfen, weil Vielschießer nur geringe oder keine Entschädigung erhielten. Dabei hatte das Abgeordnetenhaus entschieden, dass Beamte für die Belastungen infolge des „häufigen und regelmäßigen“ Schießtrainings auf veralteten Anlagen einen Ausgleich erhalten sollen.

3,27 Millionen Euro wurden ausgezahlt, von 786 Anträgen 297 abgelehnt. Am häufigsten gab es 3000 Euro. 113 Widersprüche wurden eingereicht, zudem werden Klagen erwartet. Zwei liegen bereits vor.

Innenbehörde und Polizei bestreiten einen Zusammenhang zwischen der Schadstoffbelastung in maroden Schießständen und schweren Erkrankungen von Polizisten. Beamte waren giftigen Dämpfen ausgesetzt, die Polizeiführung wusste über Jahre davon.

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