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Gegen Securityfirmen, die Flüchtlingsunterkünfte betreuen, sind massive Vorwürfe laut geworden.

©  Paul Zinken/dpa

Scheinrechnungen und Schwarzarbeit in Berlin: Sicherheitsfirmen sollen bei der Betreuung von Flüchtlingsunterkünften betrogen haben

Sicherheitsfirmen, die Flüchtlingsunterkünfte betreuen, sollen den Staat geschädigt haben. Doch die Senatsverwaltung weiß nichts von "systematischem Betrug".

Der Komplex besitzt einen Innenhof mit großer Rasenfläche, auf der sich mehrere Bäume befinden, eine Tischtennisplatte steht auch da. In der Gemeinschaftsunterkunft im Süden Berlins gibt es schließlich Hunderte Plätze, die Menschen benötigen Freiräume und Erholungszonen. Zuletzt hat die Flüchtlingsunterkunft allerdings auch einen neuen Sicherheitsdienst benötigt. Dem Unternehmen, das bis dahin für Schutz und Ordnung gesorgt hatte, ist gekündigt worden.

Nach Tagesspiegel-Informationen ist die Kündigung wegen fehlender Qualifikation der Mitarbeiter erfolgt. Sachkunde-Nachweise hätten zum Beispiel gefehlt. Auch für eine weitere Unterkunft, welche die Firma bewacht hat, erfolgte demnach die Kündigung. Die Firma antwortete nicht auf eine Tagesspiegel-Anfrage.

Die Kündigungen passen offenbar ins Bild. Sicherheitsfirmen, die Flüchtlingsheime betreuen, sind in den öffentlichen Blickpunkt gerückt. Nach Informationen des rbb seien bei der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften zwei regelrechte Netzwerke aus privaten Sicherheitsunternehmen aktiv, die umfangreichen Betrug betrieben. Subunternehmen würden sich gegenseitig Scheinrechnungen ausstellen, Wachleute ohne fachliche Qualifikation würden eingesetzt, durch Schwarzarbeit würden Steuern und Sozialversicherungen gespart, und es würde mehr Personal abgerechnet als tatsächlich gearbeitet habe. Dem rbb liegen Unterlagen vor, in denen es Hinweise auf Betrug geben soll.

Insgesamt rund 30 Firmen gehörten zu dem Netzwerk. Einige Unternehmen sollen Mitgliedern des Clan-Milieus gehören. Die Netzwerke arbeiteten mit ständig wechselnden Geschäftsführern und liquidierten schnell wieder Firmen, um damit Kontrollen massiv zu erschweren.

Ein Unternehmen hat nach Tagesspiegel-Informationen seinen Auftrag für eine Flüchtlingsunterkunft im Norden von Berlin verloren. In diesem Fall hätte allerdings das unangemessene Verhalten von Mitarbeitern zur Kündigung geführt. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Berlin erklärte dem Tagesspiegel, „dass gegen einzelne Sicherheitsfirmen ermittelt wird, die im Zusammenhang mit Flüchtlingsheimen stehen“. Es bestehe in diesen Fällen der Verdacht auf Schwarzarbeit.

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Ein Polizei-Sprecher teilte dem Tagesspiegel mit: „Phänomene wie ,Wohnzimmerfirmen‘, das Einsetzen von sogenannten Strohmännern beziehungsweise der Verdacht von Scheingeschäftsführern und das Nutzen von Scheingeschäftsadressen werden immer wieder bei der Gewerbeüberwachung festgestellt.“ Auch der kurzfristige Wechsel bei Subunternehmen, das Gründen und zeitnahe Liquidieren von Unternehmen sei ein immer wieder festgestelltes Phänomen. „Diese Erkenntnisse lassen aber nicht den gerichtsfesten Schluss zu, dass es sich um kriminelle Netzwerke handelt.“

Das LAF betreut 81 Unterkünfte für Flüchtlinge

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) betreut aktuell 81 Unterkünfte für Flüchtlinge. Es hat auch die meisten Verträge mit den Sicherheitsfirmen abgeschlossen. Die Fachaufsicht für das LAF hat die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales.

LAF-Sprecher Sascha Langenbach erklärte dem Tagesspiegel: „Hinweise zu Scheinabrechnungen der von uns beauftragten Unternehmen liegen uns nicht vor. Trotz aller vertraglichen Abmachungen und gesetzlicher Vorgaben können wir nicht völlig ausschließen, dass es Menschen mit krimineller Energie geben könnte, die versuchen, die Kontrollmechanismen des LAF zu unterlaufen. Sollten uns derartige strafrechtlich relevanten Umstände bekannt werden, würden wir diese an ermittelnde Behörden wie das LKA Berlin oder den Zoll abgeben.“

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Eine Kontrolle der Ergebnisse finde über den Bereich Vergaben im LAF statt. Zusätzlich würden die Mitarbeitenden der Dienstleister fortlaufend durch die Qualitätssicherung des LAF überprüft. Außerdem müssten sich die für das LAF tätigen Firmen im Bewacherregister registrieren lassen. Auch dort erfolge eine fortlaufende Prüfung des Geschäftsbetriebs. Eine Abrechnung der Stundenanzahl auf Basis der Dienstpläne finde monatlich durch die Sachbearbeitung der Objekte im LAF statt.

Der Senatsverwaltung ist kein systematischer Betrug bekannt

Ein Sprecher der Senatsverwaltung erklärte, es seien zwar Missstände bekannt, aber die Senatsverwaltung habe keine Kenntnis von systematischem Betrug. Allerdings habe es „in den vergangenen Jahren unterschiedliche Beschwerden bezüglich der Sicherheitsdienste in den LAF-Unterkünften“ gegeben. Daraufhin seien Schutzkonzepte entwickelt und neue vertragliche Regelungen getroffen worden, um die Zusammenarbeit zwischen Betreibern und Sicherheitsdienstleistern zu optimieren.

Schon im Frühjahr hatte es Hinweise gegeben, dass Menschen aus dem Clan-Milieu in Sicherheitsfirmen involviert sind, die Flüchtlingsunterkünfte bewachen. Damals hatte ein LAF-Sprecher erklärt: „Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass Sicherheitsdienste gewissen Familien zugeordnet werden.“

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