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Schauspieler Trystan Pütter ; fotografiert beim Spaziergang in der Sonnenallee in Berlin-Neukölln.

© Thilo Rückeis

Schauspieler Trystan Pütter: Zwischen Wochenmarkt und Wettbüro

Zwölf wilde Jahre verbrachte der Schauspieler Trystan Pütter in Nordneukölln und tanzte im Köfteladen. Ein Kiezspaziergang

Ein kalter, sonniger Vormittag in Neukölln. Trystan Pütter steht in der immer geschäftigen Karl-Marx-Straße und legt den Kopf in den Nacken. Da oben, in der Wohnung im dritten Stock, zur Straße hin, hat er zwölf Jahre lang gewohnt. „Als ich da reingegangen bin, konnte ich das nicht fassen“, erzählt der Schauspieler, der zuletzt mit der Serie „Parfum“ und der „Ku'damm 59“-Filmreihe Erfolge feierte.

Eine Altbauwohnung mit Südbalkon, weiß gestrichen, weiße Böden. „Es war so wahnsinnig hell, dass man eigentlich eine Sonnenbrille gebraucht hätte.“ Für ihn der perfekte Ort. Dabei sah einer der heute vielleicht hippesten Ortsteile Berlins Mitte der Nullerjahre noch ganz anders aus.

„Das Leben zwischen Döner und Baklava mochte ich sofort“

Die Rütli-Schule machte Negativschlagzeilen, Bekannte warnten ihn vor Neukölln. Doch Pütter, der ursprünglich aus der Nähe von Frankfurt am Main kommt, ließ sich nicht beirren. „Ich mochte das Leben hier sofort, zwischen Dönerläden und Baklava.“ In der Shisha-Bar „Barbar Aga“ habe er immer gesessen, Apfel geraucht und die Autos der schweren Jungs vorbeifahren sehen, erzählt Pütter und zieht den Kragen seiner dunklen Jacke höher.

Heute wohnt der 39-Jährige mit seiner Partnerin Heike Makatsch und der gemeinsamen Tochter im Prenzlauer Berg. Der sei bereits „zu Ende gentrifiziert.“ Wenn es ihm dort zu viel wird, flüchtet er in seinen alten Kiez, wo es neben der Biocompany Brathähnchen für zwei Euro gibt.

Zu früh für Bier

Doch natürlich hat sich auch hier viel verändert. „Als wir in das Haus gezogen sind, waren wir die einzigen ohne Migrationshintergrund“, erzählt Pütter, während wir in die Weichselstraße einbiegen. „Jetzt wohnen da nur Kartoffeln.“ Ein paar Kneipen aus der Zeit sind noch da, das „Gift“ oder das „Guggenheim“ zum Beispiel. „Ich habe in jedem Laden hier schon alle Biere ausprobiert“, sagt Pütter lachend.

Für Bier ist es aber noch zu früh. Also geht es in sein Stammcafé auf der Sonnenallee, das „Espera“. Das kleine Café wird von Frankfurtern betrieben, man kennt sich. Mit frischem Minztee in der Hand setzt sich Pütter auf eine der Bänke vor dem Laden und erzählt von seinem neuen Film, der gerade in den Kinos angelaufen ist.

Schauspieler Trystan Pütter beim Spaziergang in der Sonnenallee in Berlin-Neukölln.
Schauspieler Trystan Pütter beim Spaziergang in der Sonnenallee in Berlin-Neukölln.

© Thilo Rückeis

„Jede Menge Grautöne“

In dem Thriller „Freies Land“ von Christian Alvart spielt er einen Kommissar, der Anfang der 90er aus Hamburg strafversetzt wird nach Mecklenburg-Vorpommern. Dort soll er das Verschwinden zweier Mädchen aufklären, gemeinsam mit einem ostdeutschen Kollegen, der vor rabiaten Methoden nicht zurückschreckt – und dessen dunkle Vergangenheit nach und nach ans Licht kommt.

Pütter gefiel, dass in dem Projekt nicht nur Ost-, sondern auch Westdeutschland problematisiert wird. „Es gibt kein Gut oder Böse, nur jede Menge Grautöne.“ „Freies Land“ besticht vor allem durch seine dichte, düstere Atmosphäre. Gedreht wurde in der Ukraine, sechs Wochen lang bei bis zu minus 20 Grad. „Das war hardcore“, sagt Pütter. Damit man den Atem beim Sprechen nicht sieht, hätten die Schauspieler vor den Szenen Eiswürfel in den Mund genommen.

Frischgepresste Orangen-Kiwi

Auch vor dem Neuköllner Café wird es kalt, wir trinken aus und laufen die Reuterstraße hoch. Gestern ist Pütter aus Wales wiedergekommen, erzählt er, seine Mutter ist Waliserin. Drei Tage lang hat er dort mit seiner Großfamilie den 50. Geburtstag seines Cousins gefeiert. „Ich habe immer noch Promille“, sagt Pütter und lacht.

Wahnsinnig herzlich seien die Menschen in Wales, alle seien kleingewachsen und hätten immer ein Lied auf den Lippen. Wir kommen am Maybachufer an, gerade ist Wochenmarkt. Händler preisen ihre Waren lauthals an. Pütter hat früher oft hier eingekauft, vor allem wegen der leckeren Pasten. Seine liebste? Knofi natürlich. Am Saftstand bestellt er frischgepressten Orange-Kiwi.

Ein Traum geht in Erfüllung

Auch auf dem Markt macht sich die Veränderung des Kiezes bemerkbar. „Was zur Hölle ist das?“, fragt Pütter vor einem Stand, an dem eine schwarze Masse minimalistisch-schick verpackt verkauft wird. Schwarzkümmel, wie sich herausstellt. „Schnell weiter.“ Am Ende des Marktes liegt die Kneipe „Fuchsbau“, das Stammlokal des Fußballvereins, in dem Pütter lange spielte.

„Berlin war die erste Stadt, in die ich gezogen bin, einfach weil ich da sein wollte“, erzählt er. Ein „geiles Gefühl“ sei das gewesen. Kaum angekommen, rief die Volksbühne bei ihm an. Mit René Pollesch hatte er bereits als Schauspielschüler in Wien zusammengearbeitet. Pütter wurde Mitglied des Ensembles, ein Traum ging in Erfüllung. In den letzten Jahren war Pütter viel beschäftigt, spielte unter anderem in den neuen Staffeln der Serien „Babylon Berlin“ und „Bad Banks“ mit.

„Kottbusser Damm können nur wenige“

Dann legte er eine Pause ein, um zu reflektieren und aus dem Hamsterrad herauszukommen, wie er sagt. Ein Traum ist für ihn, einmal selbst Regie zu führen. Momentan sei er noch auf der Suche nach der richtigen Geschichte, seiner Geschichte. Weiter geht es den Kottbusser Damm hinunter, an Handyläden und Wettbüros vorbei. „Ein Prachtboulevard“, sagt Pütter grinsend.

Er liebe es hier. „Unter den Linden kann jeder, Kottbusser Damm können nur wenige.“ Wir kommen am „Gel Gör Köfteci“ vorbei. In dem kleinen Lokal landete Pütter mit seinen Freunden immer nach dem Ausgehen, erzählt er. Dort tanzten sie einfach weiter. „Bester Laden“, sagt Pütter. „Leider bin ich Vegetarier geworden.“ Am Hermannplatz endet der Spaziergang.

Hier kam Pütter damals an, völlig pleite, lief durch die Straßen auf der Suche nach Aushängen in den Fenstern – so fand er seine geliebte Wohnung in der Karl-Marx-Straße. Wo es jetzt noch hingeht? Erstmal Termine für den Film, dann holt er seine Tochter von der Kita ab. „Heute ist super Wetter, ab auf den Spieli.“ Statt Tanzen im Köfteladen also jetzt Spieli im Prenzlauer Berg? „Gott nein, schreib das nicht“, sagt er lachend. „Ich wollte doch Rockstar werden.“

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