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Der Schauspieler Florian Stetter beim Spaziergang in dem Kiez, in dem für ihn alles begann.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Schauspieler Florian Stetter: Mit allen Spreewassern gewaschen

Am Gorki spielte er, drehte auf der Monbijoubrücke und an der Oranienburger Straße: mit Schauspieler Florian Stetter auf einem Spaziergang durch Mitte.

Ja, das Gorki. Diese drei hölzernen Portale, eingerahmt von klassizistischer Fassade, die mag er besonders, das weckt den Nostalgiker in ihm. Natürlich muss er hier anfangen, wenn er über Berlin sprechen will. Sein Berlin.

Florian Stetter sitzt auf den Stufen, die fast ein bisschen zu bescheiden wirken für so ein kleines prächtiges Gebäude. Bald 200 Jahre ist es alt, hat viel Geschichte kommen und gehen sehen. Stetters eigene Berlin-Geschichte beginnt hier, er lässt den Blick hoch schweifen, blinzelt in die Sonne. Ein Bayer, aufgewachsen in Regensburg, Schauspielschule in Bochum, Stationen unter anderem am Münchner Volkstheater, bei den Salzburger Festspielen, am Schauspielhaus Zürich – und dann 2006 der Anruf von Armin Petras, dem damaligen Gorki-Intendanten. Ob er nicht mal vorbeikommen wolle, sich kennenlernen, ein bisschen rumprobieren auf der Probebühne in Weißensee. Wollte er. „Und dann war schnell klar, dass ich das mache.“

Mit München war er durch, in Zürich ging’s irgendwie auch nur ums Geld. „Ich wollte etwas Wilderes, nicht so was Strukturiertes, etwas, das nicht so leicht zu überblicken ist. Eine gute Überforderung.“ Was man eben so denkt, wenn man noch nicht ganz 30 ist und mit Berlin liebäugelt.

Am Gorki gab er dann den Ferdinand in „Kabale und Liebe“, schwärmt heute noch von den Kollegen, Peter Kurth und Anja Schneider, von den Theaterleuten, über die er begann, Berlin kennenzulernen, Techniker, die ihm erzählten, wie es zu DDR-Zeiten zuging. „Sightseeing hat mich weniger interessiert. Es sind ja die Menschen, die eine Stadt zu einem Zuhause machen.“

Proben, Premieren, Aufführungen

Sein erstes Zimmer hatte er nicht weit vom Gorki, auf der anderen Seite der Spree. Sein Leben: Proben, Premieren, Aufführungen, und wieder Proben, Proben, Proben. Es war nichts für ihn, das hatte er schon früher gemerkt und gehofft, dass ihn das Gorki doch noch zum leidenschaftlichen Theaterschauspieler machen würde. „Aber ich komme mit dem Takt nicht klar, ich brauche Pausen zwischendurch, auch um mal sechs Wochen einen Film machen zu können.” Und darum fiel der letzte Vorhang für ihn schon 2007, zumindest am Gorki. Berlin blieb er treu, bis heute. Und das Gorki? Hat immer noch einen speziellen Stellenwert für ihn, hat ihn ja nach Berlin gebracht. Aber vor der Kamera fühlt er sich wohler, wurde später etwa für seinen Schiller gelobt, den er 2014 in Dominik Grafs „Die geliebten Schwestern“ an der Seite von Hannah Herzsprung und Henriette Confurius gab.

Das Theater ließ er also hinter sich, leichten Herzens, so wie vieles im Leben, das ihm zu eng wurde. Das bayerische Gymnasium – abgebrochen. Die Schauspielschule – abgebrochen. „Da bin ich konsequent, wenn ich merke, dass etwas nicht das Richtige für mich ist.“ Auf seinem alten Arbeitsweg geht er nun in Richtung Spree, Am Kupfergraben entlang, durch die historische Mitte, wo Berlin vielleicht noch am ehesten an bayrische Opulenz heranreicht.

Museumsfan und Spreeschwimmer

Aber das ist wirklich vorbei, Stetter ist jetzt Berliner, spätestens seit er zwei Berliner produziert hat. Seine Kinder, sieben und zehn Jahre alt, machen, dass er hier einen Alltag hat, andere Eltern auf dem Spielplatz trifft, solche Sachen. Gern geht er mit den Kindern ins Museum, ins Bode oder ins Pergamon zum Beispiel. „So was zieht mich an. Meine Mutter ist mit meinen zwei Schwestern und mir auch oft nach München gefahren, um uns Kunst nahezubringen. Als Kinder haben wir herumgemault, aber letztlich ist viel davon geblieben.” Und, zum Glück: Seine Kinder mögen Museumsbesuche.

Auf der Monbijoubrücke macht Stetter Halt, unten schiebt sich ein Touristendampfer durch das brackige Wasser. Nein, mit so einem Ding sei er nie gefahren, aber geschwommen sei er da unten. Wie bitte? „Das muss im Oktober oder November gewesen sein, 2008, war schon ziemlich kalt.“ Friedemann Fromm hatte ihn für das TV-Dokudrama „Die Wölfe“ engagiert, die Geschichte einer Gruppe von Jugendlichen zwischen Berlin-Blockade, Teilung und Mauerfall. Im Film ist die Monbijoubrücke ein Grenzübergang, Stetters Figur will in den Westen fliehen, doch der Lkw, mit dem dies gelingen soll, stürzt ins Wasser. Stetter musste aus dem Fahrzeug heraustauchen, in der Szene schießen sie von oben, während er sich unten durch die eisigen Fluten kämpft – vergebens.

Der Mief der 1980er

Der Schauspieler mag solche Herausforderungen bei Drehs. Für das Reinhold-Messner-Biopic „Nanga Parbat“ drehte er bei minus 20 Grad in einer Kühlkammer. Mit seinem Körper hat der 42-Jährige schon einiges angestellt, war als Kind lange Zeit Leistungsturner, klassischer Sechskampf, Spagat, Flicflacs, Übungen am Reck. Den Spagat schafft er nicht mehr, einen Rückwärtssalto würde er noch hinkriegen. Die Bewegungsmuster hat er abgespeichert, eingetrichtert von einem Trainer mit militärischem Drill. Von dem erzählt er so, dass man den Mief der 80er fast riechen kann.

Das ist auch ein zentrales Motiv in seinem neuesten Kinofilm „Petting statt Pershing“, eine bissige Komödie, in der spießige BRD-Provinztristesse und friedensbewegte Libertinage aufeinandertreffen: Stetter spielt einen Sponti-Lehrer, der etwas dringend benötigte Farbe in ein hessisches Nest bringt – und Frauen jeden Alters den Kopf verdreht mit seiner gefühlvollen Feingeistigkeit, seinen Reden von einer besseren Welt. Doch sobald es Probleme gibt, ist er weg. Eine Figur, der man den Hals umdrehen möchte. „Er nutzt das Vertrauen aus, um zu verführen, ist immer auf der Flucht, wie ein Betrüger, der nicht enttarnt werden will. So könnte ich nicht leben.“

Das andere Mitte

Stetter mag es ruhig, hat seit einiger Zeit ein Grundstück in Brandenburg, nördlich von Berlin, nicht in der Uckermark, die manche ja schon als „Berliner Hamptons“ bezeichnen, so viele Großstädter treiben sich dort herum. „Eher der weniger schicke Teil des Landes. Bei uns kann man kann den ganzen Tag im Schlafanzug oder in Jogginghosen herumlaufen. Wunderbar.“ Was man so denkt, wenn man 42 ist und mit dem Dorfleben liebäugelt.

In Berlin wohnt er am Rand von Mitte, nicht im Epizentrum, dem er sich jetzt durch den Monbijoupark nähert. „Ich möchte nicht pauschalisieren, aber hier in Berlin, vielleicht gerade in Mitte, sind viele sehr mit sich selbst beschäftigt und damit, wie sie nach außen wirken. Ich habe keine Lust auf diesen Ego-Stress.“ Er kann sich noch an ein anderes Mitte erinnern, das der 90er Jahre, mit Brachen und Baulücken, mit Prostituierten auf der Oranienburger Straße, alle paar Meter eine.

Es war seine erste Berlin-Erfahrung, Ende der 90er Jahre. Hier drehte er eine Szene für seinen ersten Film „L’Amour“. Damals drehten sie in einer Silvesternacht, mit Genehmigung. „Das war den Zuhältern egal, die wollten uns weg haben, meinten, wir würden die Kundschaft vertreiben.“ Die Polizei zu rufen, hätte nicht geholfen, das war klar, die Männer hatten das Sagen. „Dann machte ein Set-Ausstatter einen Anruf, er kannte einen der Zuhälter über mehrere Ecken. Irgendwann durften wir dann doch weiterdrehen. Total irre.“

Und irre, wie lang das her ist. Die Frauen mit den Lackmiedern und den Plateaustiefeln sind weggentrifiziert, und, so staunt Stetter, wir leben in einer Zeit, in der Kinder enormen Einfluss auf ihre Eltern haben. Seine Freundin, Schauspielerin Jördis Triebel, war mit ihren Kindern schon bei einer Klimademo. Auch Stetter will seine Kinder bald mal begleiten, erzählt er auf dem Weg durch den James-Simon-Park zurück zum Gorki. Und wenn sie freitags deswegen nicht mehr zur Schule gingen? „Diese Art von Rebellentum finde ich gut.“ Seine Kinder beschwerten sich auch, wenn das Essen in zu viel Plastik eingepackt ist. Stetter mag jetzt innerhalb Deutschlands nicht mehr fliegen, nimmt lieber die Bahn. Und schließt zurück am Gorki sein Fahrrad ab.

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