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Viel Platz und weite Sicht. Der Vorstoß für einen erneuten Volksentscheid hat die Debatte über das Tempelhofer Feld neu entfacht.

© Kitty Kleist-Heinrich

Scharfe Kritik an Vorstoß der FDP: So reagiert die Berliner Politik auf die Idee eines neuen Tempelhof-Volksentscheids

Sollen die Berliner erneut über die Randbebauung des ehemaligen Flughafengeländes abstimmen? Die FDP trifft mit ihrem Vorschlag auf Zustimmung – und viel Kritik.

Seit dem 25. Mai 2014 galt die Sache als geklärt: Nachdem sich eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer des Volksentscheids gegen die Randbebauung des Tempelhofer Feldes ausgesprochen hatte, war diese vom Tisch. Weil sich Wohnungsknappheit und Mietenanstieg immer weiter verschärfen, will die FDP nun erneut abstimmen lassen. In Politik und Stadtgesellschaft trifft sie damit einen Nerv.

Unter denen, die den Vorschlag in Teilen begrüßten, war neben CDU-Generalsekretär Stefan Evers auch Daniel Buchholz, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Buchholz erklärte mit Verweis auf einen SPD-Parteitagsbeschluss vom November 2018, es sei „kein Geheimnis, dass wir uns in der Zukunft eine behutsame Randbebauung des Tempelhofer Feldes vorstellen können.“ Klar sei, dass diese einzig und allein durch einen erneuten Volksentscheid ausgelöst werden könne – genau wie von der FDP geplant.

Im Detail wiederum distanzierte sich Buchholz von deren Ideen. Angesichts der Bedeutung des Feldes als Freiluftschneise und Kaltluftentstehungsgebiet müsse hinter die laut FDP-Gesetzentwurf rund um die Freifläche mögliche Bebauung „ein großes Fragezeichen gemacht werden“, erklärte Buchholz. Auch die von den Liberalen genannte Zahl von mindestens 12.000 Wohnungen erscheint ihm deutlich zu hoch und „rein politisch und eher zufällig gewählt“. 5000 bis 6000 Wohnungen könnten am Rande des Feldes errichtet werden, erklärte Buchholz.

SPD: Nur landeseigene Baugesellschaften sollen bauen dürfen

Als Bauherren sollten dabei ausschließlich landeseigene Wohnungsbaugesellschaften sowie gemeinwohlorientierte Genossenschaften zum Zuge kommen. „Nur so können bezahlbare Mieten dauerhaft garantiert werden“, sagte Buchholz. Dem Dreiklang-Modell der FDP, wonach städtische, genossenschaftlich organisierte und private Unternehmen jeweils ein Drittel der Wohnungen errichten sollen, erteilte Buchholz eine Absage.

Dessen Fraktionskollegin Iris Spranger erinnerte daran, dass nicht die FDP das Thema Randbebauung des Tempelhofer Feldes erfunden habe. Aus dem Bezirk Sprangers (Marzahn-Hellersdorf) stammte der Tempelhof-Antrag für den SPD-Landesparteitag. Einer der Autoren, der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier, erklärte via Twitter: „Die Bebauung des Tempelhofer Randes ist zwar kein „Leuchtturmprojekt“, aber trotzdem sinnvoll und notwendig.“

Initiativen von 2014 halten Vorstoß für „oberflächlich“

Ganz anders sehen das Vertreter der Initiativen, die den Volksentscheid von 2014 zum Erfolg geführt hatten. Diego Cardenas, Mitglied des Träger-Vereins „100 Prozent Tempelhofer Feld“, erklärte: „Wir sind überhaupt nicht überrascht.“ Der FDP warf er vor, sich in Szene setzen zu wollen. „Sie nutzt das Instrument der direkten Demokratie für die eigenen politischen Kampagnen“, erklärte Cardenas.

Den Liberalen gehe es „einzig und allein um das Überspringen der 5-Prozent-Hürde und den Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus“. Inhaltlich bezeichnete er den von FDP-Landes-Chef Christoph Meyer und Generalsekretär Sebastian Czaja vorgestellten Plan als „peinlich, weil er nur an der Oberfläche bleibt. Er will emotionalisieren, will reißerisch sein, aber wohnungspolitisch bietet er keine Lösung“, erklärte Cardenas.

Kritik der „Feldkoordinatorin“: FDP habe sich nicht wirklich mit dem Feld beschäftigt

Nicht weniger deutlich fiel die Kritik von Christiane Bongartz aus. Sie hatte das Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes mitgeschrieben und kümmert sich aktuell als „Feldkoordinatorin“ um die Bürgerbeteiligung zur Weiterentwicklung des Geländes. Bongartz erklärte: „Es ist schon sehr armselig, wenn eine Partei der Besserverdienenden mit diesem Thema versucht, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.“

Inhaltlich habe sich die FDP gar nicht mit dem Feld beschäftigt. Das sei keine „Brache“, wie von Landes-Chef Meyer behauptet, sondern eine „Offenlandschaft“, wichtiger Lebensraum für die Feldlerche und eine Kaltluftzone für das Stadtklima. Diese ökologische Bedeutung ginge bei einer Randbebauung verloren. „Jedes Problem, das die Stadtgesellschaft hat, wird auf dieses Feld gespiegelt“, sagte Bongartz mit Blick auf die Debatte über fehlenden Wohnraum in der Berlin.

Grüne: Volksentscheid sei „sehr billiges Wahlkampfmanöver“

Ganz im Sinne der Initiativen argumentierte Antje Kapek, Vorsitzende der Grünen-Fraktion, die eine Randbebauung des ehemaligen Flughafensgeländes ablehnt. Den FDP-Vorstoß bezeichnete sie mit Blick auf die 2021 anstehenden Abgeordnetenhauswahlen als „sehr billiges Wahlkampfmanöver“ und durchsichtigen Versuch der Liberalen, „sich über die 5-Prozent-Hürde zu hieven“.

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Kapek bezeichnete es als „schwierig“, wenn im Parlament vertretene Parteien ein Instrument der direkten Demokratie „missbrauchen“. Berlin biete neben den neu ausgeschriebenen Stadtquartieren ausreichend Möglichkeiten, über Maßnahmen wie Nachverdichtung oder die Aufstockung bestehende Gebäude Wohnungen zu schaffen. Das Tempelhofer Feld solle als „sehr gute Reservefläche“ erhalten bleiben für den Fall, dass sich „die Situation gravierend ändert“.

Kapek erklärte aber auch, dass sich ihre Partei einem erfolgreichen zweiten Tempelhof-Referendum beugen würde. Durch die aktuell klaren Umfragewerte für eine Randbebauung solle sich aber niemand täuschen lassen. Diese seien „sehr volatil“, erklärte Kapek. Tatsächlich hatte eine Umfrage aus dem Juli einen Stimmungsumschwung mit Blick auf die Randbebauung des Tempelhofer Feldes belegt. Dieser wird durch eine aktuelle Umfrage bestätigt. Darüber hinaus hatte der Grünen-Bezirksstadtrat Jörn Oltmann (Tempelhof-Schöneberg) seine Zustimmung für eine Randbebauung signalisiert.

Linke bleibt bei Absage gegen Randbebauung

Bei ihrem klaren Nein zu derlei Plänen bleibt die Vorsitzende der Linksfraktion, Carola Bluhm. „Die Leute brauchen nicht nur Wohnungen, sie brauchen auch Freiflächen“, erklärte sie mit Blick auf die wachsende Stadt. Gleichzeitig erkannte sie an, dass das „Interesse an den Freifläöchen auf dem Tempelhofer Feld nach wie vor groß ist“.

Mit Blick auf die Umfragen zur Randbebauung sagte Bluhm: „Wenn sich eine Stimmung in der Stadt dreht, müssen Unterschriften gesammelt werden.“ Am Ende könnten nur die Berliner selbst die Entscheidung treffen, wie das Feld künftig gestaltet werden soll. Genau so, wie sie es 2014 getan hatten.

Wichtig war Bluhm, auf einen auch von Kapek identifizierten Widerspruch beim Vorhaben der FDP hinzuweisen. Hätte deren Kampagne für die Offenhaltung des Flughafens Tegel Erfolg, könnten dort viele tausend für den Fall der Schließung geplante Wohnungen nicht gebaut werden. In Tempelhof wiederum, wo der Bau von Wohnungen per Gesetz verboten ist, setzt sich die Partei nun für genau diesen ein. „Komisch“ findet das Bluhm und fragt sich, wie die Berliner diese „Sprunghaftigkeit“ beurteilen werden.

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