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Sawsan Chebli (SPD) steht vor einem Plakat mit der Aufschrift #KeineExperimente. Sie verlor jetzt gegen Michael Müller im Kampf um die SPD-Bundestagskandidatur.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Sawsan Chebli spricht über ihre Niederlage: „Viele Funktionäre hatten Sorge vor dem Tag danach“

Im Kampf gegen Michael Müller um die Bundestagskandidatur erreichte Chebli 40 Prozent. Es reichte nicht. Was hat Sie jetzt vor?

Sawsan Chebli hat in ihrem Heimatbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf den Kampf um die SPD-Kandidatur für den Bundestag verloren. Sie holte gegen den Regierenden Bürgermeister, Michael Müller, immerhin 40 Prozent der Stimmen. Das wurde in der SPD als respektables Ergebnis gewertet.

Im Interview spricht Berlins Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement und Internationales über Funktionäre, die sich nicht trauten, sie zu wählen. Chebli glaubt, ein „Weiter so“ werde nicht reichen, um die SPD aus dem 15-Prozent-Loch zu hieven. Aufgeben will die 42-Jährige nach der Niederlage nicht.

Frau Chebli, 40 Prozent der SPD-Mitglieder in Charlottenburg-Wilmersdorf wollten, dass Sie und nicht Michael Müller für Ihre Partei in den Bundestag einziehen. Gereicht hat das nicht ganz. Revolution abgeblasen?
Es war von Beginn an klar – auch mir – dass das ein schwerer Kampf wird. Michael Müller hat seit Jahren den Kreisvorstand hinter sich. Ich finde 40 Prozent sind ein gutes Ergebnis. Das ist eine starke Botschaft. Ich habe gezeigt, dass ich Menschen für diese Partei mobilisieren kann. Da ist viel Potenzial.

Sie schrieben heute Vormittag auf Twitter, Sie hätten sich einen Sieg „vor allem für meine Partei gewünscht“. Wie soll Ihre Partei das verstehen? 
Ich habe erlebt, dass Menschen sich der Partei aufschließen, wenn man ehrlich und authentisch auf sie zugeht. Ich habe Menschen erreicht, die unsere Partei nie gewählt haben und Genossinnen und Genossen, die zwar noch bei uns, aber enttäuscht sind. Einige sind der SPD sogar beigetreten. Wir brauchen auch dieses Wählerpotenzial, um aus dem 15-Prozent-Tief herauszukommen. Ein „Weiter so“ wird für die SPD nicht reichen. 

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Sie haben gegen den Regierenden Bürgermeister verloren. Friedrich Merz würde sagen: gegen das Establishment. Zeigt das auch ein SPD-Problem: fehlenden Mut?
Nein. Ich habe ja 40 Prozent geholt. Das zeigt doch, dass in der SPD mehr Bekennermut ist, als viele glauben. Es gibt eine Sehnsucht nach Leben und Aufbruch in der Partei. Viele sind bereit, mutige Kandidatinnen zu unterstützen. Es war keine Entscheidung gegen mich. Bei vielen Funktionären schwang die Sorge vor dem Tag danach mit.

Wie meinen Sie das?
Einige Funktionäre haben mir gesagt: Sawsan, wir würden Dich ja unterstützen, aber wir können es uns als SPD jetzt nicht leisten. Ich glaube nicht, dass dieses Denken uns zur stärksten Partei macht.

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In der SPD wurde kritisiert, dass Sie es auf diesen Zweikampf gegen Michael Müller überhaupt ankommen ließen. Verstehen Sie das?
Das ist mir wichtig: Ich bin nicht gegen Michael Müller angetreten. Meine Kandidatur war lange vorher angekündigt. Aber dieser Kampf war für die Partei nicht umsonst: Es sind Menschen eingetreten, sind wieder aktiv geworden, weil es diesen Zweikampf gab.

Nach ihrer Niederlage kommentierte ein „Zeit“-Journalist, sie trügen ihre Aufstiegsgeschichte vor sich her, viel mehr sei da nicht. Sie schrieben auf Twitter, dass der Autor auch hätte schreiben können: Bis auf ihren G-Punkt hat sie nichts.
Ich will das nicht weiter kommentieren, damit ist alles gesagt.

Das Zitat mit dem „G-Punkt“ stammt aus einem Beitrag des rechtspopulistischen Portals „Tichys Einblick“. Über Sie finden sich dutzende Zitate wie diese...

Für mich ist das symptomatisch: Starken, lauten Frauen, die kampagnenfähig sind, die sich selbst in Szene setzen können, wird oft Selbstinszenierung und Inhaltsleere vorgeworfen. Das kommt bei Männern eher nicht vor.

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Man hat den Eindruck, viele Menschen – vor allem: Männer – sind von Ihnen überfordert: Frau, Muslima, erfolgreich, gut angezogen, laut und selbstbewusst. Erklären Sie sich damit diese starke Ablehnung gegen ihre Person?

Das ist doch verkehrte Welt. Soll ich deshalb schweigen, soll ich meine Religion aufgeben, soll ich einen Sack anziehen, damit der Hass aufhört? Ich werde mich nicht ändern, weil Menschen überfordert sind. Das Gegenteil ist richtig: Wir brauchen mehr Frauen, die sichtbar sind und sich nicht wegdrängen lassen. 

Bis Herbst sind Sie noch Staatssekretärin, dann sind Wahlen. Für den Bundestag hat es nicht gereicht. Was ist ihr Alternativplan?
Jetzt geht es darum, dabei zu helfen, dass die SPD in Berlin wieder stärkste Kraft wird und im Bund ein besseres Ergebnis als bei den letzten Wahlen erzielt. Ich hatte gestern am späten Abend eine Videokonferenz mit meinem Team. Da habe ich nochmal gespürt, dass ich eine Verantwortung habe – auch für meine vielen Unterstützerinnen und Unterstützer. Ich will diese gerade gewonnene Kraft jetzt nicht ins Leere laufen lassen.

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