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Haste Töne? Besucher Oliver und Helfer Johnny suchen im Repair Café den Fehler bei einem fünf Jahre alten Verstärker.

© Thilo Rückeis

Saubere Sache - Gemeinsame Sache: Treptow: Der Umwelt eine zweite Chance geben

Ab in die Tonne oder doch reparieren? Im Treptower Repair Café helfen sich Berliner, Geräte länger zu nutzen.

Jeden Morgen verwendet Jürgen Wandersleben seinen kleinen, weißen Minibackofen für das Frühstück. Vor dreieinhalb Jahren hat der 58-Jährige das Gerät bei einem Discounter gekauft, doch seit Kurzem schaltet es sich immer gleich wieder ab. Die Garantie ist vor fünf Monaten abgelaufen, derselbe Discounter hat gerade wieder Minibacköfen im Angebot.

Soll Jürgen Wandersleben sich einfach einen neuen holen oder ist der alte doch noch zu reparieren? Dafür ist er mit seinem Minibackofen von Rudow nach Treptow gefahren, wo seit April 2014 jeweils am zweiten Freitag im Monat im Café Grenzenlos das „Repair Café Treptow“ stattfindet.

Idee kommt aus den Niederlanden

Handys, Kaffeemaschinen, Wasserkocher, Fernbedienungen und Spielkonsolen – quer durch die Stadt treffen sich regelmäßig Berliner, um gemeinsam Geräte zu reparieren und sie länger zu nützen. Ganz pragmatisch und als Zeichen gegen die Wegwerf-Industrie.

Sie bekommen dabei Tipps und Hilfe von Hobby-Bastlern, leidenschaftlichen Reparateuren und Fachleuten im Ruhestand. Die Idee kommt aus den Niederlanden und hat sich international verbreitet: in Australien, Japan, in der Schweiz, Brasilien und Kanada gibt es Repair Cafés. In Berlin sind es mittlerweile 17 regelmäßige Treffen, von Lichtenberg bis Charlottenburg.

Meistens seien es Haushaltsgeräte, aber auch schon ein Rasenmäher stand im kleinen, sozial orientierten Cafe Grenzenlos, erzählt Nicole Katschewitz, eine der Organisatorinnen. Auch zum Aktionstag kann man prinzipiell alles mitbringen, bei außergewöhnlichen Gegenständen empfiehlt sich aber vorher eine kurze Nachricht.

Beim Reparieren helfen

Gesucht werden auch Freiwillige, die andere beim Reparieren anleiten und ihnen helfen. Dazu muss man kein Profi sein. Auch Werkzeugspenden oder Leihgaben sind willkommen, besonders Spezialwerkzeug. Die Pools an freiwilligen Helfern mit ihren jeweiligen Spezialgebieten variieren von Café zu Café. Das Repair Café Steglitz sei zum Beispiel auf Fahrräder spezialisiert.

Manche Helfer seien richtige Multitalente, meint Katschewitz. Einer könne zum Beispiel großartig nähen, aber auch die kleinteilige Technik von Smartphones reparieren. Garantie gibt es keine, manchmal gehen Dinge beim Reparieren auch endgültig kaputt. Die meisten Besucher seien aber froh, es zumindest versucht zu haben, so Katschewitz.

Doch schnell kommt beim Reparieren die Frage auf, warum die Dinge überhaupt so schnell kaputtgehen. „Fünf Jahre – ist das ein Alter?“", fragt sich der 33-jährige Oliver, der mit seinem Verstärker einer renommierten HiFi-Marke gekommen ist. Wenn er ihn einschaltet, knackst es in den Boxen nur noch. „Geplante Obsoleszenz“ ist das Stichwort, das gleich an mehreren Tischen im Repair Café fällt. Eingebaute Schwachstellen. Etwa das Plastikzahnrad in der Waschmaschine, statt des nur ungleich teureren, aber stabileren Metallzahnrads.

„Freude am Helfen“

Manchmal ist aber auch gar nichts kaputt, sondern eingebaute Chips bestimmen ein künstliches Ende der Funktionstüchtigkeit nach einer bestimmten Dauer. Bei Druckern sei das zum Beispiel der Fall, sagt Helfer Andreas E., ein Exemplar einer Frau aus Hellersdorf steht vor ihm auf dem Tisch.

Ist eine bestimmte Zahl erreicht, streikt das ansonsten intakte Gerät. Manchmal könne er den Zähler zurücksetzen, in neueren Geräten verhindere die Software aber solche Eingriffe. Bei vergleichsweise günstigen Produkten nehmen Konsumenten das häufig so hin, meint Andreas E., es gehe aber „auf Kosten der Umwelt“. Der 43-Jährige mit Spezialinteresse Software und Hardware kommt aber auch einfach aus „Freude am Helfen“ ins Repair Café. „Mut, die Geräte aufzumachen“, soll das Repair Café machen, sagt Benjamin Surangkanjanajai, der die Treffen in Treptow initiiert hat.

Menschen haben Angst, etwas kaputt zu machen

Oft hätten Menschen Angst, etwas kaputt zu machen, dabei sei Reparieren häufig leichter, als es aussieht. Manchmal helfe es schon Platinen zu säubern, etwa bei einer verdreckten Fernbedienung.

Für den 29-jährigen Psychologen geht es aber auch um den sozialen Aspekt: Menschen unterschiedlichen Alters, Berufe und Hintergründe kommen zusammen und widmen sich gemeinsam einer Sache. Manchmal würden sogar kleine Wunder passieren, scherzt Surangkanjanajai: dass der kaputte Staubsauger, im Repair Café angesteckt, plötzlich wieder funktioniert, ganz ohne Reparatur.

Jürgen Wandersleben hatte mit seinem Minibackoffen an diesem Tag nicht so viel Glück. Das Problem liegt am internen Schalter, der ist aber so geschickt verbaut, dass selbst die fachkundigen Helfer nicht drankommen. Das gibt es öfter und ist für die Reparierwilligen besonders ärgerlich. „Ab in den Mülleimer“, sagt Wandersleben am Weg aus der Tür.

Aktion im Repair Café im Café Grenzenlos, Plesser Straße 1, 12435 Berlin am Fr., 18.9., 16 bis 19 Uhr. Übersicht der Berliner Repair Cafés: http://repaircafe.org

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