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Erik Westmann ist Texter und Liedermacher und Kandidat von "Die Partei" im Ortsverband Steglitz-Zehlendorf.

© Saara von Alten

Satiriker tritt zur Wahl in Steglitz-Zehlendorf an: „Den Wannsee trocken legen für eine neue Spielstätte für Hertha-BSC“

Der Kandidat für „Die Partei“ in Steglitz-Zehlendorf möchte die dortige Bezirksverordnetenversammlung aufmischen. Einer seiner Pläne: eine Mauer zwischen den Altbezirken errichten.

Es war lange vorbereitet, doch dann läuft nichts wie geplant. Erik Westmann (38) hat sich für diesen Termin herausgeputzt. Er trägt das klassische Outfit der Satirepartei „Die Partei“. Blaues Hemd, rote Krawatte, graues Jackett, außerdem ein farblich passendes Basecap. Nun sollte es eigentlich losgehen mit dem Wahlplakate kleben. 

Das dürfen die Parteien offiziell seit Sonntag, 8. August, 0 Uhr. Doch viele begehrte Plätze sind schon am späten Samstagabend vergeben. „Die anderen Parteien halten sich nicht an diese Regel wie man überall sehen kann“, sagt Westmann, der sich ganz regelkonform am späten Samstagabend vergangener Woche an einer Kreuzung in der Steglitzer Albrechtstraße mit anderen Mitgliedern der Spaßpartei verabredet hat. Doch bevor sie loslegen können, fängt es in Strömen an zu regnen.

Während seine Parteifreunde trotz Nässe die Plakate, auf denen sie unter anderem „Für mehr Pop Up Zebrastreifen“ werben, präparieren, stellt sich Westmann unter die offene Heckklappe ihres Kombis und baut sich eine Zigarette. Er ärgert sich, weil seine eigenen Plakate, die er selbst viel lustiger findet, für den Pressetermin noch nicht eingetroffen sind.

Doch die Fotos verschickt er später auf dem Handy. „Stärker gegen Clans vorgehen“ lautet einer seiner Wahlsprüche – im Hintergrund ein Senior in traditionell schottischer Tracht. Das World-of-Warcraft-Motiv wäre ihm noch lieber gewesen, aber das hätte wahrscheinlich rechtliche Probleme ergeben, erzählt er.

Erik Westmann ist eigentlich Musiker, Liedermacher, Webdeveloper und Manager von Berliner Szenemusikern wie Ipp Halver, Klapse Mane und Rocco Vice. Weil die Corona-Pandemie Teile seines Business stilllegte, arbeitete er zuletzt vermehrt als Veranstaltungstechniker bei Fußball- und Basketballspielen. Corona hatte für diesen Job viel Positives, erzählt er. „Es gab keine Fans, die auf die Kabel treten. Man konnte alles so verlegen, wie man wollte und danach in Ruhe die Spiele gucken.“

Seine Ideen kommen ihm zu Hause auf dem Sofa

Da er im Pandemie-Jahr mehr Zeit hatte, entschied er sich, für „Die Partei“ für die Bezirksparlamentswahl zu kandidieren. Ohne zu grinsen, beschreibt er sich selbst als „politisches Naturtalent“. „Beim zweiten Stammtischbesuch wurde ich sofort zum zweiten Vorsitzenden gewählt“, sagt er während seine Parteifreunde im Regen weiterarbeiten.

Sollte „Die Partei“, die mit den Satirikern Martin Sonneborn und Marc Bülow bereits im Europa-Parlament und im Bundestag vertreten ist, tatsächlich bei der Wahl für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz-Zehlendorf auf etwa drei Prozent der Stimmen  kommen, würde Westmann, der den ersten Listenplatz belegt, gemeinsam mit seinem Parteifreund Richard Kummert in das Bezirksparlament einziehen.

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Es wäre allerdings das erste Mal. „Bei der letzten Wahl kamen wir auf 1,8 Prozent der Stimmen“, sagt Richard Kummert, der jetzt ebenfalls während des nicht enden wollenden Starkregens am Kombi steht.

Ob der Reiz für Erik Westmann als Texter, vor allem darin liegt, sich flotte Wahlsprüche auszudenken, möchte keiner der beiden bestätigen. Nicht alle seine Ideen, die er sich zu Hause auf dem Sofa ausgedacht hat, werden am Ende an den Laternenmasten seines Bezirks zu sehen sein. Einige sollen in den nächsten Wochen hauptsächlich über Social-Media-Kanäle verteilt werden.

Wahlplakat von "Die Partei"
Wahlplakat von "Die Partei"

© Promo/Die Partei

Eine seiner größten politischen Einfälle, „den Wannsee trocken zu legen, um dort eine neue Spielstätte für Hertha-BSC zu schaffen“, dürfte wohl nicht jedem Zehlendorfer gleich gut gefallen. Doch er beruhigt: „Alle Unternehmen, die vom Wasser abhängig sind, werden zum Heiligensee umgesiedelt. Versprochen.“

Außerdem möchte er die BVG verklagen, weil sie täglich mit der Beseitigung von Graffiti Kunstwerke an ihren Zügen und U-Bahnhöfen zerstöre. „Zur Strafe muss das PR-Team der BVG mit dem von Hertha-BSC tauschen.“ Andere Wahlplakate lauten „Erik Westmann: Weil Zehlendorf mehr verdient“ oder „Scheiß DFB? #nurderdfb“.

Lange nachgedacht, und zwischenzeitlich fast verworfen, habe er seine Idee, Putzfrauen stärker zu besteuern. Weil er auch nicht die vielen gutsituierten Wähler verprellen möchte. Empfindet er nicht auch andere Sprüche wie „Dann geh doch zu Butter Lindner!“ als Wählerbeschimpfung? „Ich bin ohnehin ein notorischer Lügner. Die Leute mögen das doch“, rechtfertigt er sich.

Um den Steglitzern etwas zu bieten, möchte er eine Mauer aufbauen

Befreundete Musiker und Jugendfreunde, die die Autorin ausfindig gemacht hat, wollen ihren Namen nicht im Zusammenhang mit Erik Westmann in der Zeitung lesen, beschreiben ihn aber als „sympathischen Verschwörungstheoretiker“. Er verneint das mit dem Hinweis, dass er Verschwörungstheorien nur so lange gut fand, als sie noch „nicht Mainstream“ waren.  

Erik Westmann kandidiert für "Die Partei"
Erik Westmann kandidiert für "Die Partei"

© Promo/Die Partei

Sich selbst beschreibt er „als anständigen Menschen“, der lieber hart in anderen Jobs schuftete als sich auf Corona-Soforthilfen auszuruhen. Als Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung würde er stets immer nach seinem logischen Verstand stimmen und auf den unabhängigen Expertenrat, „statt auf Lobbyisten“ vertrauen. 

Nur ein einziges Mal als er im Gespräch etwas ernster wird, verrät er, dass ihn die Themen Pazifismus und Antirassismus am meisten am Herzen liegen würden. Wie steht er also zur Umbenennung des U-Bahnhofs Onkel-Toms-Hütte? Immerhin ist er in diesem Kiez aufgewachsen.

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Ernste Gespräche mag Westmann nicht. Er windet sich, sagt dann aber, dass er gegen „blinden Aktionismus“ sei und den Roman „als Geschichte von Vergeltung“ gelesen habe. „Man müsse aber darüber reden“.

Für Unentschlossene verteilt er Blanko-Wahlversprechen

Wie passt allerdings zu seinem pazifistischen Grundgedanken eines seiner weiteren Wahlversprechen, dass er zwischen Steglitz und Zehlendorf eine Mauer aufbauen möchte? Da sich seine meisten Sprüche auf Zehlendorf konzentrieren, habe er auch den Steglitzern etwas bieten wollen, erklärt er. „Laut Internet-Definition muss eine Mauer nur wenige Zentimeter hoch sein und könnte aus einer Reihe Ziegelsteine bestehen.“ Das bekomme er hin, gibt er sich siegessicher.

Für die Steglitzer, die nach Zehlendorf fahren, würde es dann ein Schild geben, auf dem „Scheiß Bonzen!“ steht. Für die Leute, die von Zehlendorf nach Steglitz müssen, den Schriftzug „Scheiß Pöbel!“. Der passende Wahlslogan lautet: „Keiner hat die Absicht, wieder eine Mauer zu bauen!“ Bei der Vorstellung dieser Idee, musste er im Vorgespräch selber ziemlich lachen.

Auf die Frage, ob das nicht spalterisch wirke, weicht er gekonnt mit einer weiteren Idee aus, die es bisher aber noch nicht auf ein Plakat geschafft habe. Um dem Pöbel zu gefallen, möchte er gerne „Hartz-IV-Empfänger aus Zehlendorf rausschmeißen - ob er will oder nicht“.

Für alle Wähler, die weder Fußballfans noch reiche Bonzen sind, hat er noch einen Joker. „Ich verteile Blanko-Wahlversprechen. Jeder kann bei mir per E-Mail einen Zettel mit Unterschrift bestellen. Und sich seinen eigenen Wahlwunsch aufschreiben“, verspricht Westmann. Die E-Mail-Adresse soll hier nicht bekannt gegeben werden.

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