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Der entgleiste letzte Wagen. Die in den Boden eingedrungene  Stromschiene hat die Heckscheibe durchschlagen.

© Berliner Feuerwehr

S-Bahn-Entgleisung in Lichtenberg: Technischer Fehler an einer alten Weiche löste Unfall aus

Der Unfall in Lichtenberg vor zehn Tagen ist offenbar durch einen Fehler an einer Weiche verursacht worden - das Personal im Stellwerk trifft keine Schuld.

Der Hergang des Unfalls in Lichtenberg ist bizarrer als bislang bekannt. Der letzte Waggon des Zuges soll auf den letzten gut hundert Metern Fahrt auf zwei parallelen Gleisen gefahren sein, bis er an der nächsten Weichenverbindung zurück aufs Hauptgleis gelenkt wurde und dann endgültig aus den Schienen sprang.

Sekunden später war der Zug zum Stehen gekommen. Den Fahrdienstleiter im Stellwerk trifft nach Informationen des Tagesspiegels keine Schuld. Die Bundespolizei ermittelt nicht gegen einzelne Mitarbeiter im Stellwerk. Wie ein Sprecher der Bundespolizei sagte, sei die Ursache weiterhin unklar, ausgeschlossen werde bislang nur ein Anschlag. Der Unfall geschah Mittwochabend gegen 21.15 Uhr, die S75 fuhr Richtung Nöldnerplatz, also Richtung Innenstadt.

So sieht es aus, wenn eine Weiche sich unter dem Zug verstellt und ein Drehgestell eine andere Richtung fährt.
So sieht es aus, wenn eine Weiche sich unter dem Zug verstellt und ein Drehgestell eine andere Richtung fährt.

© Internet (Archiv Hasselmann)

Die Entgleisung hatte beträchtliches Aufsehen erregt, weil ein Stück Stromschiene sich durch den Wagenboden in den Fahrgastraum gebohrt hatte und die Heckscheibe des Zuges durchschlug. Diese Schiene soll die Entgleisung aber nicht ausgelöst haben, sie wurde von dem entgleisten Zug aus der Verankerung gerissen und bohrte sich so in den Boden.

Zum Glück soll nur eine Frau im letzten Wagen gesessen haben, sie blieb wie die anderen etwa 15 Fahrgäste unverletzt. Sehr groß war der Schaden an den Gleisen und Weichen. Mehrere Tage hatte es Einschränkungen im Betrieb gegeben. 

Störmeldungen waren wohl bekannt, kein Kommentar der Bahn

Die Bahn wollte sich am Sonnabend unter Verweis auf die laufenden Ermittlungen, wie üblich, nicht äußern. In einem Eisenbahnerforum hieß es, dass es in der Woche vor dem Unfall mehrere Störmeldungen an der Weiche gegeben habe. Der Fehler sei nicht gefunden worden.

Wie ein Bahntechnik-Experte dem Tagesspiegel sagte, habe sich die Weichenzunge von sich aus unter dem Zug verstellt. Klar ist, dass diese Kreuzungsweiche mit Nummer 350 ziemlich alt ist, weitaus älter als die anderen Weichen dieser Kehranlage westlich des Bahnhofs Lichtenberg.  Die Bahn wollte sich nicht dazu äußern, ob der Fehler möglicherweise an anderen Weichen auftreten kann.

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Die Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) hat die Entgleisung als „Unfall“ eingestuft  und die Untersuchungen zur Ursachenermittlung aufgenommen, wie es auf der Internetseite der Behörde heißt.

Schnell wird es allerdings keinen Bericht der BEU geben, ein Ergebnis dauert meist mehrere Jahre. Vor wenigen Tagen ist ein nicht einmal zwei Seiten umfassender „Zwischenbericht“ zu einer Entgleisung eines Güterzuges in Bebra im Jahr 2012 veröffentlicht worden.

Schneller geht es offenbar, wenn die Sache klar ist. Bereits nach einem Jahr stellte die BEU vor wenigen Wochen fest, wieso im April 2019 ein Triebwagen im Brandenburgischen Joachimsthal entgleist ist: Im Stellwerk war unter dem fahrenden Zug die Weiche verstellt  worden.

Dieser – klassische – Stellwerksfehler war zunächst auch in Lichtenberg vermutet worden. Auch der schwerste S-Bahn-Unfall der vergangenen Jahre, 2012 inTegel, war durch eine zu früh gestellte Weiche verursacht worden.

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