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Provisorium. Der Europaplatz sollte mal schöner werden - dann kam wieder eine Baustelle dazwischen.

© Kai-Uwe Heinrich

Rundgang am Hauptbahnhof: Was der Europaplatz mit der EU gemeinsam hat

Baustellen, vorbeihastende Menschen, Riesenmülleimer - passt der Bahnhofsvorplatz in Mitte zu Europa?

Europa hat sich einen Platz verdient in Berlin. Er liegt, er liegt in … Wo jetzt gleich? In Mitte, direkt nördlich vor dem Hauptbahnhof, dort wo die Busse und Straßenbahnen fahren und die Taxifahrer eine winzige Vorfahrt benutzen dürfen, die eher nach Berlinchen als nach Berlin aussieht. Man hastet ohne viel Nachdenken drüber, denn der Europaplatz ist nur insofern ein Platz, als er mit seinem rauen Asphaltüberzug verhindert, dass die Passanten im Untergrund versinken, ein Provisorium.

Bauzäune stehen überall in östlicher Richtung, überwölbt von den notorischen Grundwasser-Pumprohren, die mit ihrer knallblauen Farbe schon andere zentrale Stellen Berlins über Jahre optisch zerstört haben. Fahrräder und Motorroller kreuzen durch die Fußgängerscharen, geordnet wird nichts, es muss halt irgendwie gehen. Ein paar Leihfahrräder stehen im Weg, feuchte Konzertreklame wölbt sich auf Anschlagflächen, hoch drüber die Anzeigetafel mit den BVG-Abfahrten. Ein Riesen-Mülleimer grüßt zynisch „Welcome to Berlin“.

Rundherum Klötzchenarchitektur - typisch europäisch

Bekannt oder gar populär ist dieser Platz nicht, das ist auch kein Wunder, weil er einerseits keine Aufenthaltsqualität hat, andererseits aber auch keine braucht. Denn die Leute vor dem Bahnhof sind naturgemäß meist in Eile, weil sie es sich gleich auch im Zug gemütlich machen können. Insofern ist der Name Europaplatz nichts als ein Zugeständnis, ein Lippenbekenntnis einer Stadt, die Europa was schuldig zu sein glaubt; auch Wien, Graz und Mönchengladbach beispielsweise haben große Bahnhofsvorplätze dem europäischen Gedanken gewidmet, das macht man eben so.

Was hat er mit Europa zu tun, außer, dass im Bahnhof nun mal Züge in mehrere europäische Länder abfahren? Und dass gegenwärtig eine Vielzahl von mehr oder weniger schmuddeligen Wahlplakaten zumindest das Thema sichtbar macht? „Irgendwas“ fordert „Die Partei“, das passt hier perfekt zur Umgebung. Möglicherweise hat er den Namen, weil er irgendwie als Tor zur Europa-City gilt, die wiederum deshalb nach Europa benannt wurde, weil die Projektentwickler den Plan-Namen „Quartier Heidestraße“ offenbar zu piefig fanden – die zügig aus dem Boden schießende investorenfreundliche Klötzchen-Architektur mag als typisch europäisch gelten, was nicht unbedingt ein Ruhmesblatt für Europa ist.

Wie die EU kann auch dieser Platz nur besser werden

Immerhin: Niemand hat den Platz so gewollt, wie er heute aussieht, es handelt sich um ein übrig gebliebenes Provisorium, das anfangs durch einen städtebaulichen Wettbewerb angemessen veredelt werden sollte. Doch dann kam die Bahn mit den Bauarbeiten für die S-Bahn-Linie 21 dazwischen, nannte Termine, verwarf sie wieder. Im August 2018 wurde der östliche Teil des Platzes wieder Großbaustelle, denn es muss eine riesige Grube am Friedrich-List-Ufer ausgehoben werden, um den unterirdischen Bahnsteig für die Neubaustrecke der S 21 vom Nordring zum Hauptbahnhof bauen zu können.

Seit März dieses Jahres steht immerhin fest, was aus dem Europa-Platz werden soll, ein Traum in Grün mit acht verschiedenen „Modulen“: Fahrradparkhaus, Fahrradwerkstatt, Co-Working, Gastronomie, Pop-Up-Stores, Mobilitätsstation für Car-Sharing und Leihräder, Ladetechnik für Busse, Erholungsbereiche. Die Ausschreibung zeigt die üblichen hübschen Computersimulationen, der Baubeginn ist für 2021 vorgesehen. Und was die Fertigstellung angeht, hängt auch dies wieder teilweise vom Baufortschritt der Bahn ab.

Insofern hat der Platz mit Europa also nicht nur das Provisorische, Zusammengestückelte gemeinsam, sondern vermittelt auch die Hoffnung auf eine große Zukunft – er kann über die Jahre eigentlich nur noch besser werden. Sofern er, anders als Europa, auch irgendwann mal fertig wird.

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