zum Hauptinhalt
Fahrweg statt Gehweg: Die Fußgänger spielen keine Rolle.

© imago/Stefan Zeitz

Immer diese Rowdys unter Radfahrern: Stoppt die Anarchie auf zwei Rädern!

Auf Straßen, Gehwegen und Parks schaffen sich Raser freie Bahn. Ohne Rücksicht auf andere. Berlin darf sich das nicht länger gefallen lassen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Die gefährlichste Zeit meines Tages verbringe ich auf dem Fahrrad. Wenn ich von der Tagesspiegel-Redaktion am Askanischen Platz über Schöneberg nach Hause fahre, bin ich jedes Mal froh, wenn ich unfallfrei und unverletzt in Zehlendorf ankomme. Manchmal sind es Autofahrer, die spontan bremsen, den  Mindestabstand nicht einhalten oder ihre Tür gerade dann öffnen wollen, wenn ich auf gleicher Höhe neben ihnen bin.

Das größere Problem sind aber andere Radfahrer. Viele glauben, sie werden allein dadurch zu besseren Wesen, dass sie Rad fahren, doch das stimmt nicht. Auf der Straße herrscht Krieg.

Meine Mitradfahrenden drängeln, schneiden mich, nehmen mich in die Zange oder bremsen mich aus, wenn ich einfädeln möchte. Vor der roten Ampel sammeln sie sich wie die Fahrer der Formel-1, um einen möglichst schnellen Start zu erwischen und das Feld abzuhängen. Es wird gerempelt und geschimpft.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Fahrradwege werden gern auch in der Gegenrichtung befahren. Wer ausweicht, ist nicht eine Frage der Straßenverkehrsordnung, sondern der Chuzpe. Wie gut, dass meine Kinder erwachsen sind. Wie soll man Kleinen die Verkehrsregeln beibringen, wenn sich die Großen nicht daran halten?

Gleisdreieckpark: Radfahrer und Fußgänger sind auf denselben Wegen unterwegs.
Gleisdreieckpark: Radfahrer und Fußgänger sind auf denselben Wegen unterwegs.

© Kitty Kleist-Heinrich

Passanten werden weggeklingelt

Auch Bürgersteige sind dem Radwahnsinn längst unterworfen. Störende Passanten werden weggeklingelt. Wehe, wenn sie das nicht hören.

Die Unsitte hat längst auch auf die Parks übergegriffen, etwa am Gleisdreieck. Von friedlicher Koexistenz zwischen Fußgängern und Radfahrern kann zumindest an warmen Sonnennachmittagen nicht die Rede sein. Passanten, vorsichtig fahrende Radfahrer, auch Eltern mit Kindern, werden mit einem affenartigen Tempo überholt. Das lässt Schlimmes befürchten, wenn noch mehr Radwege durch die Grünanlagen führen sollen.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen rund um das Coronavirus. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]

Jeder ist jetzt mit dem Rad unterwegs

Vor 30 Jahren habe ich das Auto abgeschafft, seitdem fahre ich Rad. In Berlin ging das eigentlich immer recht gut. Seit Corona ist das anders. Jeder ist jetzt auf dem Rad unterwegs. Auf autofreien Strecken wie der Friedrichstraße ist für einen solchen Andrang Platz genug, auch die Pop-up-Radwege haben eine Entlastung gebracht, doch leider ist der Spaß ja wohl bald vorbei.

Viel Platz. Die Friedrichstraße ist vorübergehend autofrei.
Viel Platz. Die Friedrichstraße ist vorübergehend autofrei.

© dpa

Eine massentaugliche Lösung können solche Modelle aber ohnedies nicht sein. Denn dann müsste die City komplett für Radfahrer reserviert sein. Statt der Anarchie freie Bahn zu lassen, müssen die Regeln durchgesetzt werden, es gibt sie ja. Jetzt, wo es bald Winter wird und weniger Menschen auf dem Rad unterwegs sind, sollte man die Zeit nutzen, um sich für die nächste Welle zu wappnen.

Vielleicht helfen mehr Polizei-Kontrollen, notfalls müsste man vielleicht sogar eine Führerscheinpflicht fürs Rad samt Verkehrskunde und -prüfung einführen. Möglicherweise kennen viele Radfahrer die Regeln nicht. Vielen sind sie aber auch einfach egal. Auf Einsicht, fürchte ich, kann man nicht hoffen. Die Anarchie geht weiter.

Zur Startseite