zum Hauptinhalt
Nach dem Willen von Landeschefin Franziska Giffey soll die Mietenproblematik vor allem durch Neubau bekämpft werden.

© Christoph Soeder/picture alliance/dpa

Update

Rot-Grün-Rot ist dafür, doch die Opposition tobt: Berliner Senat prüft Abgabe auf überhöhte Mieten

Nach dem Scheitern des Mietendeckels ist keine wirksame Mietenregulierung in Sicht. Zwei SPD-Abgeordnete wollen das ändern. Die Reaktionen sind heftig.

Um den steigenden Mieten in der Hauptstadt etwas entgegenzusetzen, prüft der Berliner Senat die Einführung einer sogenannten Mietenabgabe. Das bestätigte die Senatsverwaltung für Finanzen auf eine noch unveröffentlichte parlamentarische Anfrage hin, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Vorschläge für eine progressive Steuer oder Abgabe auf überdurchschnittlich hohe Mieteinnahmen würden gemäß der zwischen SPD, Grünen und Linken geeinten Richtlinien der Regierungspolitik geprüft, heißt es in der Antwort. Die Ende 2021 ursprünglich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erdachte Mietensteuer auf deutlich über dem Vergleichswert liegende Mieten sei Gegenstand der Prüfung, heißt es weiter.

Die Anfrage gestellt hatten die beiden SPD-Abgeordneten Mathias Schulz und Lars Rauchfuß. Beide wollten vom Senat wissen, wie dieser das DIW-Modell bewertet. Die Antwort, über die zuerst der RBB berichtet hatte, bezeichnete Schulz im Gespräch mit dem Tagesspiegel als „erfreulich“. Finanzstaatssekretärin Barbro Dreher kündigte eine „Gesamtbewertung“ zum Vorschlag der Mietensteuer an.

Vorgehen ohne den Bund scheint möglich

Zwar fehle dafür die Gesetzgebungskompetenz der Länder. „Alternativ bliebe allerdings die Ausgestaltung in Form einer Abgabe“, erklärt sie weiter. Heißt im Klartext: Eine Umsetzung des Modells auch ohne den in Sachen Mieterschutz aus Sicht der Berliner Koalition nur zögerlich agierenden Bund scheint möglich.

Schulz und Rauchfuß, beide Teil des linken Flügels der Berliner Sozialdemokraten, spornt das an. „Wir wollen mit dem Senat in einen Diskurs darüber gehen, wie und nicht nur ob das gehen kann“, erklärte Schulz am Mittwoch. Von einer Maßnahme, „die relativ zügig umzusetzen sein könnte“, sprach Schulz.

Zur Erinnerung: Nach dem Willen von Landeschefin Franziska Giffey (SPD) soll die Mietenproblematik vor allem durch den Neubau von Wohnungen bekämpft werden. Der Vorschlag sei mit ihr „nicht explizit abgestimmt“ worden, erklärte Rauchfuß auf Nachfrage. Er verwies darauf, dass das Vorhaben – wenn auch nicht unter dem Namen Mietensteuer – im Koalitionsvertrag steht. Es sei Teil der „Gesamtlinie“ der Koalition, erklärte Rauchfuß.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Konkret geht es bei der ursprünglich als Alternative zur Vergesellschaftung der Wohnungen von Konzernen vorgeschlagenen Mieten- oder auch Hauszinssteuer darum, dass Immobilieneigentümer, deren Mieten deutlich über dem sonst vor Ort Üblichen liegen, zwischen zehn und 30 Prozent Steuern zahlen müssen.

Gerechtfertigt sehen die DIW-Forscher diese Steuer durch die hohen, gleichsam leistungslosen Gewinne von Hauseigentümern infolge des Immobilienbooms des letzten Jahrzehnts: Weil es an Wohnungen fehlt, stiegen die Preise derselben drastisch, die Mieten ebenfalls.

Ein Teil davon werde gleichsam als ausgleichende Gerechtigkeit dem Staat abgetreten, der dieses Geld einsetzt, um den Wohnungsmarkt zu entspannen. Berechnungen des DIW zufolge könnten mit dem in Berlin anfallenden rechnerischen Ertrag von 200 Millionen Euro jährlich die Mieten von 100.000 Wohnungen um 2,50 Euro je Quadratmeter und Monat gesenkt werden – oder dies als Eigenkapital für den Bau von 7500 Wohnungen genutzt werden.

Allerdings ist fraglich, ob das alles rechtlich möglich ist. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kommt zu einem klaren Ergebnis: Es „fehlt sowohl dem Bund als auch den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung einer Mietensteuer“. Möglich wäre allerdings eine Sonderabgabe, die müsse jedoch an einen konkreten Zweck gebunden sein. Die in dem Modell genannten wohnungspolitischen Aufgaben lägen jedoch im allgemeinen öffentlichen Interesse. Die Anforderungen, damit eine Sonderabgabe verfassungsgemäß ist, seien nicht erfüllt.

Kritik aus der Opposition

Die Opposition aus CDU, FDP und AfD reagierte erwartungsgemäß kritisch auf den ursprünglich auf die Hauszinssteuer aus den 1920er zurückgehenden Vorstoß.

Dirk Stettner (CDU) warf der SPD vor, „den Berlinern neuen Sand in die Augen“ zu werfen. Schon jetzt sei klar, dass die Mietensteuer genauso wenig Bestand vor der Verfassung hätte wie Mietendeckel und Enteignungen, erklärte Stettner. Die geplante Abgabe bezeichnete er als „teuren Etikettenschwindel“, Steuern und Abgaben müssten am Ende die Mieter zahlen. „Das wäre unzumutbar, schafft nicht eine zusätzliche Wohnung und somit keinerlei Entspannung auf dem Wohnungsmarkt.“

Björn Matthias Jotzo (FDP) erklärte, mit der "Mietensteuer" wiederhole der Berliner Senat seine Fehler. „Sie würde wiederum dazu führen, dass das Angebot an Mietwohnungen noch weiter abnimmt“, sagte Jotzo und forderte den Senat dazu auf, den Neubau von Eigentumswohnungen sowie Miethäuser mit fairen Mieten anzukurbeln.

AfD-Bauexperte Harald Laatsch erklärte, der SPD-Vorschlag sei „ein durchsichtiger und rücksichtsloser Versuch, die in der Frage der Enteignung heillos zerstrittene rot-grün-rote Koalition zu befrieden.“ Leidtragende wären diejenigen, die in Berlin Wohnraum suchen, sagte er weiter.

Grüne und Linke sind dafür - und äußern Bedenken

Zustimmung zu dem Vorhaben kam – ebenfalls nicht unerwartet – von den Koalitionspartnern Grüne und Linke sowie vom Berliner Mieterverein. Katrin Schmidberger (Grüne) bezeichnete die Sonderabgabe von Vermietern auf hohe Mieten „eine wichtige zusätzliche Maßnahme, um gerade die Eigentümer*innen in die Pflicht zu nehmen, die in den letzten Jahren besonders vom angespannten Wohnungsmarkt profitiert haben.“

Zusätzlich würde sie indirekt den Anreiz von zukünftigen Mietsteigerungen etwas dämpfen, „wenn auch leider so das Problem nicht grundsätzlich gelöst würde.“ Eine sozialere Gestaltung des Bundesmietrechts könne die Abgabe ebenso wenig ersetzen wie die Vergesellschaftung oder Rekommunalisierung von Wohnraum, stellte Schmidberger klar.

[Wo entstehen neue Wohnungen - konkret in Ihrem Kiez? Eines der Top-Themen in unseren Newslettern aus den zwölf Bezirken. Die Newsletter gibt es kostenlos und schnell hier: leute.tagesspiegel.de]

Dass der SPD-Vorstoß darauf abzielt, die Umsetzung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ zu torpedieren, fürchtet offenbar auch Niklas Schenker, baupolitischer Sprecher der Linksfraktion.

„Eine Mietensteuer ersetzt keinesfalls die Notwendigkeit von Mietendeckel und Vergesellschaftung“, erklärte er, bezeichnete es aber dennoch als „richtig, die Immobilienwirtschaft als Profiteurin der Krise am Wohnungsmarkt stärker zu besteuern und ihre Gewinne abzuschöpfen.“ Eine Mietensteuer wäre nur dann hilfreich, „wenn ausgeschlossen ist, dass die Kosten direkt oder indirekt auf die Mieter*innen umgelegt“ werden, schränkte Schenker ein.

Letzteres fordern auch Schulz und Rauchfuß, die die Anfrage beim Senat gestellt hatten. Das DIW hatte eine Umlage auf die Mieter ebenfalls ausgeschlossen. Daran, dass der Ausschluss in der Praxis auch umgesetzt werden kann, äußerte Schenker Zweifel. Schulz und Rauchfuß wiederum betonten, der Vorschlag stehe für sich. Eine Verknüpfung zur Debatte um den Volksentscheid gebe es nicht.

Der Berliner Mieterverein begrüßte den Vorstoß grundsätzlich. Geschäftsführer Reiner Wild gab jedoch zu bedenken, dass die ortsübliche Vergleichsmiete mit ihrer schwierigen Ermittlung ist als Grundlage jedoch nicht geeignet sei.

„Die Sonderabgabe sollte zudem progressiv aufgebaut werden. Wer die Schwellenwerte hoch überschreitet, sollte auch eine prozentual höhere Sonderabgabe entrichten“, forderte er und machte deutlich, dass die Mietensteuer „keinesfalls einen Ersatz für wirksame Mietenregulierungen darstellen kann.“ (mit axf)

Zur Startseite