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Passt viel rein, nimmt aber auch viel Platz weg: ein Lastenfahrrad.

© Wolfram Kastl/p-a/dpa

Rollende Ungetüme: Lastenräder sind belastend!

Sie sind so wendig wie Flugzeugträger, dafür aber CO2-neutral. Besitzer von Lastenrädern wollen die Welt retten – auf Kosten der Fußgänger. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Björn Seeling

Sie heißen Christiania-Bike, Long John oder Longtail. Seit in den Innenstadtvierteln die Hubraum-Scham grassiert wie eine Maserninfektion in einer Prenzlauer-Berg-Kita, tauchen immer mehr Lastenräder in Berlin auf. Als Statussymbol, so scheint es, haben diese rollenden Ungetüme aus bayerisch-schwäbisch- schwedischer Produktion SUVs mittlerweile abgelöst.

Während die Geländewagen wenigstens noch anderen Autos den Platz streitig gemacht haben, so nehmen die Lastenräder vermehrt Kurs aufs Fußvolk. Das sowieso schon genug gepeinigt ist von Radfahrern, die vor dem Autoverkehr auf die Bürgersteige flüchten. Je nach Ausführung sind die Lastenräder auch noch länger als so mancher japanische Kleinwagen. Nicht selten haben sie eine Transportbox, die so groß ist, dass der Inhalt einer Buddelkiste hineinpasst – samt Kleinkindergruppe. Von der Manövrierfähigkeit rangieren die Fahrzeuge irgendwo zwischen Sattelschlepper und Flugzeugträger. Aber trotzdem tun die meisten Nutzer so, als säßen sie auf einem Kinderdreirad.

Hauptantriebskraft dabei sind natürlich das eigene gute Gewissen und das schlechte der Mitmenschen. Es ist ja auch beruhigend zu wissen, dass die Welt ein bisschen besser geworden ist, zum Beispiel dank CO2-neutral zur Post gekarrter Zalando-Retouren. Und wer will schon was dagegen sagen, dass die Palette fair gehandelter Mandelmilch nicht mehr wie früher im Kofferraum des SUV zum trauten Baugruppenheim kutschiert wird? Und überhaupt: Was ist schon ein deutsches Verkehrsschild gegen den grönländischen Eisschild?

Trotzdem sei der Hinweis erlaubt, dass die Rettung der Welt mit dem Lastenrad noch viel schöner wird, wenn sie nicht zulasten der Fußgänger geht. Die Kisten gehören auf die Fahrbahn oder den Radweg. Zugegeben, jetzt mit der Straßenverkehrsordnung zu kommen, ist voll Andi Scheuer. Schließlich hat ja wohl schon jeder mal eine Verkehrsampel in ihrer spätgelben Phase erlebt. Trotzdem, als kleine Gedächtnisstütze: Bürgersteige sind für Bürger da. Sonst hießen sie ja Kneipensteige, Hundesteige, Baustellensteige – oder eben Lastenradsteige. 

Ein Verkehrshindernis – Überholen unmöglich

Wobei: Radweg? Dank weitsichtiger Verkehrsplanung diverser Berliner Landesregierungen ist nicht einmal dort Platz. Denn breite Spuren, für deren jeden neuen Meter sich der aktuelle Senat feiern lässt wie für die Landung auf der erdabgewandten Seite des Mondes, bleiben Ausnahme in der Stadt. So sind Lastenräder auf der normalen Radspur ein Verkehrshindernis – Überholen unmöglich. Ausnahme: Ein Elektromotor sorgt für atemberaubendes Tempo bei den Lastenrädern, die ihrerseits zu halsbrecherischen Überholmanövern ansetzen.

Der Senat unterstützt übrigens die Anschaffung dieser Räder. Im vorigen Jahr stellte er insgesamt 200.000 Euro zur Verfügung. Auf Antrag sollte es bis zu 1000 Euro geben. Das Interesse war so groß, dass das Programm nach einem Tag teilweise gestoppt wurde. Dafür dauerte dann die Auszahlung nur ein halbes Jahr. 2019 soll es die Aktion noch einmal geben – da rollt also was auf uns zu.

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