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Welch ein Elch! Das Kalb Holly, zwar ohne Geweih, dafür aber mit Riesen-Ohren.

© Stefan Jacobs

Riesen-Hirsche in Brandenburg: Die Elche aus der Uckermark

Sollte einem in der Uckermark etwas schwedisch vorkommen, könnte es die Tierfarm in Kleptow sein. Dort leben Elche - und Karibus, und Büffel, und...

Was macht ein Paar, wenn ein Partner auswandern will und der andere nicht? Trennung wäre eine Möglichkeit. Doch Thomas Golz entschied sich vor 20 Jahren für was anderes: Weil seine Frau nicht mit nach Schweden wollte, holte er sich Schweden in die Uckermark. Er arbeitete damals in der Landwirtschaft in Kleptow, einem winzigen Dorf zwischen Prenzlau und Stettin. 1996 baute er hier das erste Wildgehege für Dam- und Rothirsche sowie Mufflons. Da aber selbst das größte Hirschrudel noch kein Schweden macht, schaffte Golz auch Rentiere an. Nicht zum Verzehr, sondern fürs Weihnachtsprogramm und als Zuchtmaterial für die Monate dazwischen.

Nun war Kleptow schon deutlich schwedischer geworden. Doch natürlich ging es nicht ohne Elche. Vor zehn Jahren war es so weit: das nächste Gehege fertig, Golz mit dem großen Pferdeanhänger auf der Fähre nach Trelleborg – leer hin, beladen zurück. Dass Elche die Freiheit lieben, wusste er. Dass man ihnen im Anhänger lieber nicht zu viel Freiheit ließ, lernte er, als auf der Rückfahrt die Fuhre schwankte wie ein schlecht beladener Frachter im Sturm.

Hirsche, Wildschweine, Rentiere, Karibus, Büffel - und natürlich Elche

Lange her. Wer jetzt nach Kleptow kommt, sieht zwischen Wildzäunen nicht nur Dutzende Hirsche – vom mächtigen Wapiti bis zum zarten Dam – grasen, sondern auch Wildschweine durchs Kraut rüsseln, Rentiere und Karibus – das ist die amerikanische XL-Variante – ihre Runden drehen und eine Büffelherde samt Kälbchen ihr Heu mümmeln. Nebenan spazieren vier Elche vorbei: Mutter Lydia, der halbwüchsige Ole, Fräulein Alaska und Kalb Holly. Während die Büffel ebenfalls zum Verzehr bestimmt sind, züchtet Golz die Elche für Tier- und Wildparks in halb Europa.

Doch wo Elche sind, sind Elchfans nicht weit, nicht einmal in dieser Gegend, wo man mit den Windrädern fast allein ist. „Jeden Sonntag früh um acht stand Oppa mit Enkel vor der Tür, weil sie davon gehört hatten“, erzählt Golz. Also durften sie mal gucken. „Und wenn man mit ihnen fertig war, kamen die nächsten.“ So wurde die Wildzucht zum Tierpark: Eintritt fünf Euro, mit Führung sieben. Und weil Kleptow immer noch nicht wie Schweden aussah, baute Golz noch eine Holzhütte, strich sie rot mit weißen Kanten und vermietete sie in den Sommermonaten, in denen sonst nicht so viel zu tun war: Übernachtung mit morgendlicher Elchfütterung und guten Chancen, dass es nachts direkt vor der Tür knackt und schmatzt und schwerer Atem durch große Nasenlöcher strömt.

In der Brunft bleiben Besucher lieber fern

Die Tiere bei Golz machen einen zufriedenen Eindruck. Der ist Elchen mit ihren lustigen Riesennasen zwar naturgegeben, aber auch die anderen rennen nicht stumpf am Zaun entlang oder stänkern miteinander, sofern nicht gerade Brunft ist. Wenn die beginnt, bleiben Besucher lieber fern, Drahtzaun hin oder her. Elche und Deutschland sind ohnehin nicht kompatibel: Die Elche hören und sehen nicht besonders gut und fürchten sich vor nichts. Auch nicht vor Autos. Die Tiere gelten wegen des Straßenverkehrs in Deutschland als nicht überlebensfähig. In Schweden, wo auf einem Drittel mehr Fläche 90 Prozent weniger Menschen leben, ist das Miteinander einfacher.

Golz ist zurzeit oft in seiner verhinderten Wahlheimat: Vergangene Woche hat er den Nachwuchs aus einem südschwedischen Elchpark geholt, um ihn in sein ganz neues Zehn-Hektar-Gehege einzuquartieren. Bald muss er nach Lappland: Ein Kollege hat ihn angerufen, „er hört aus Altersgründen auf und hätte seine Tiere sonst schlachten müssen“. Also fährt Golz hin. Einmal Kiruna und zurück, macht gut 4000 Kilometer.

Jeder Transport wird bei den Behörden angemeldet; Golz bekommt eine Nummer und die Kontakte der Tierärzte an der Strecke. Er fahre nur bei weniger als 20 Grad, damit ihm die Tiere im Fall eines Staus nicht kollabieren. Elche seien empfindlich, „deshalb gibt es außerhalb von Schweden auch keine anderen Farmen“. Sein Arzneischrank sei immer gefüllt, erzählt Golz.

Doch es passiert immer wieder Unerwartetes. Ein Zuchtbulle fiel mit Thrombose tot um, einer bringt mit seinem Durchfall selbst die Tierärzte ans Ende ihres Lateins. Und einer war wohl schwul.

Wildgehege: Kleptow 29, 17291 Schenkenberg, Öffnungszeiten Tierpark noch bis 30. August Do-So 10-17 Uhr, 5 Euro (mit Führung: 7 Euro). Infos: www.wild-golz.de

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