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Der Modehandel plant normalerweise langfristig: Die Lager und Geschäfte sind voll. Dass die Ware aber abverkauft werden kann scheint fraglich. Der Händler müssen die Waren womöglich verramschen - wenn der Staat nicht einspringt.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Rettungsvorschlag für Modehändler: Branchenverband will dem Staat die Sommerkollektion verkaufen

Viele Mode- und Schuhhändler sehen auch nach der Eröffnung nach dem Corona-Shutdown kaum Licht. Für sie hat ihr Berliner Chef-Lobbyist eine besondere Idee.

Während viele Lebensmittelläden ihre Umsätze während des Corona-Schließungen stabil halten konnten, dürfte die Lage für Schuh- und Modehändler existenzbedrohend werden. „Die Saison ist schon jetzt praktisch gelaufen“, sagte Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg am Donnerstag in Berlin in einer Online-Diskussionsrunde der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung.

Anders als in den USA zum Beispiel, wo Händler die Ware wieder zum Hersteller zurückschicken könnten, bestehe hierzulande eine Abnahmepflicht, erklärte der Lobbyist, der seit 30 Jahren im Geschäft ist. Die Sommerkollektion sei längst bestellt, bezahlt und geliefert. Doch – anders als offenbar von der Bundeskanzlerin befürchtet – seien die Einkaufsstraßen auch nach den ersten Ladenöffnungen nicht „schwarz vor Menschen“ sondern eher schlecht besucht.

Soll der Staat für Bedürftige einkaufen?

Und das dürfte sich ohne Touristen, die in normalen Zeiten für 20 bis 30 Prozent des Umsatzes sorgen, kaum ändern. Busch-Petersens Vorschlag: „Man“ (mutmaßlich meinte er den Staat beziehungsweise die Steuerzahler) nehme den Händlern die Ware zum Einkaufspreis ab und gebe sie Bedürftigen. „Das wird zwar nicht mit jedem Paar High Heels funktionieren, aber mit vielen Sachen eben doch“.

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Nicole Ludwig, die als wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus „nah dran“ an den Entscheidungen des Senats ist, wie sie sagte, warnte in der Runde vor zu schnellen Lockerungen der Hygieneauflagen, die das Shopping-Erlebnis trüben. „Wir dürfen nicht vergessen: Es sind Menschen gestorben“. Sie erkenne aber die besonderen Nöte der vielen kleinen Modehändler in der Stadt, die bisher keinen oder nur wenig Umsatz im Internet machen können.

Abstandhand halten bleibt schwierig: In einem Schuhgeschäft (hier in Werningerode, Sachsen-Anhalt) bedient eine Verkäuferin mit Mundschutz ein Mädchen.
Abstandhand halten bleibt schwierig: In einem Schuhgeschäft (hier in Werningerode, Sachsen-Anhalt) bedient eine Verkäuferin mit Mundschutz ein Mädchen.

© Matthias Bein/dpa-Zentralbild/dpa

„Für manche wird es ein gesondertes Konjunkturprogramm geben“, kündigte Ludwig an – ohne allerdings konkreter zu werden. Sie mahnte Kooperationen der kleinen Händler an. Diese bräuchten eine Plattform, „eine Art lokales Amazon“. Denn genauso, wie Leute in gern in Shoppingmalls gingen, brauche es digital ein Portal, auf dem Kunden bequem und sicher einkaufen könnten.

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Busch-Petersen würdigte, dass der große digitale Player Zalando seine Plattform für kleine Händler geöffnet habe, gab aber zu bedenken, dass sich viele in seiner Branche schwer täten mit Kooperationen. Nicht ohne Grund spotte man in Fachkreisen, dass es „Einzelhandel“ heißte, weil hier jeder gern „einzeln handelt“, sage der Verbandschef.

Sebastian Czaja, Chef der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, kritisierte den Senat dafür, viele Corona-Auflagen bis ins Details regeln zu wollen. So werde in der Gastronomie zum Beispiel „der Tod nach Fahrplan organisiert“. Er hoffe, dass – ähnlich wie in den ersten Tagen der Krise – Regierung und Opposition gemeinsam an praktikablen Lösungen arbeiten könnten.

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