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Wer eine Badestelle oder -insel stellt, muss per Gesetz auch genügend Rettungsschwimmer stellen.

© Monika Skolimowska/dpa

Rettungsschwimmer gesucht: Warum Badestellen in Berlin und Brandenburg womöglich schließen müssen

Kommunale Badestellen könnten bald verschwinden – wie am Güterfelder Haussee. Hier finden die Betreiber der Badestelle keine Badeaufsicht.

Von Sandra Dassler

Im Internet sparen die Besucher nicht mit Lob. „Ein wunderschöner öffentlicher und kostenfreier Badesee mit Imbiss und WC“, schreibt ein Mann. Ein anderer bemerkt: „Kulinarische preiswerte Speisekarte lohnt sich alles auch für Berlinbewohner“. Und eine Frau ist der Ansicht: „Traumhaft schön!“

Doch der Traum ist eigentlich vorbei. Denn die Gemeinde Stahnsdorf hat die gepflegte Badestelle am Güterfelder Haussee gesperrt. Sperren müssen, wie der Fachbereichsleiter Verkehrs- und Grünflächen, Frank Piper, dem Tagesspiegel bestätigte.

„Die aktuelle Rechtssprechung verpflichtet uns dazu. Wir haben alles nochmal durch unseren Rechtsberater und durch die den öffentlich-rechtlichen Versicherer Kommunaler Schadenausgleich (KSA) überprüfen lassen - aber es gibt keine andere Möglichkeit.“

Viele Einwohner sind empört über die Sperrung „ihrer“ Badestelle. „Wir nutzen sie schon mehr als 30 Jahre und auf einmal soll das nicht mehr gehen?“, fragt eine Frau: „Was soll das denn für eine Rechtssprechung sein?“

Frank Piper hat Verständnis für den Frust der Einwohner, aber er möchte auch nicht haftbar gemacht werden, wenn doch einmal ein Badeunfall geschieht. Im Februar war der Bürgermeister der nordhessischen Stadt Neukirchen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 Euro verurteilt worden.

Betreiber von Badestellen müssen Rettungsschwimmer stellen

Das Amtsgericht Schwalmstadt warf ihm vor, die Verkehrssicherungspflicht für einen Löschteich in Neukirchen verletzt zu haben. 2016 waren dort drei Geschwister – zwei Jungen und ein Mädchen – im Alter zwischen fünf und neun Jahren ertrunken.

Der Fall selbst und auch die Verurteilung des Bürgermeisters hatte deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. Dabei hatte der Bundesgerichtshof bereits Ende 2017 geurteilt, dass Betreiber von Badestränden eine Schwimmaufsicht stellen muss, wenn Anlagen an der Badestelle stehen.

Auslöser für dieses Urteil war der Unfall eines zwölfjährigen Mädchens, das sich in einem kommunalen Schwimmbad mit einem Arm im Befestigungsseil einer Boje verfangen hatte. Das Kind trug irreparable Hirnschäden davon.

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Nach dem Urteil hatte der KSA deutschlandweit die Kommunen gewarnt, Badeinseln, Badestege oder andere Gefahrenquellen zu schaffen, weil sie dann ihre sogenannte Verkehrssicherungspflicht erfüllen müssten. Viele Gemeinden vor allem in den westlichen Bundesländern hatten daraufhin ihre Badestellen geschlossen beziehungsweise alle Anlagen abgebaut.

Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft klagt deutschlandweit über zu wenig Nachwuchs.
Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft klagt deutschlandweit über zu wenig Nachwuchs.

© Marcel Kusch/dpa

„Das können schon Papierkörbe oder eben ein einfacher Steg sein“, sagt Frank Piper: „Noch schlimmer ist es, wenn da wie in unserem Fall ein Lebensmittelkiosk und eine öffentliche Toilette stehen.“

Gute Wasserqualität in Brandenburgs Badeseen

Die Nachricht vom Badeverbot in Güterfelde trübt ein wenig die Sommerlaune – ausgerechnet zum offiziellen Start der diesjährigen Badesaison in Brandenburg. Dieser war wegen Corona auf den Anfang dieser Woche verschoben worden. Dafür dürfen sich die Märker und ihre Gäste über sauberes, klares und vor allem gesundheitlich unbedenkliches Wasser freuen.

Die 256 Badestellen des Landes werden nun bis September engmaschig überwacht. Zeitweilige Badeverbote gibt es derzeit keine, dauerhafte nur an zwei Orten im Süden des Landes.

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Auch im Rüdersdorfer Haussee ist das Wasser klar, umso schwerer fällt es der Gemeinde Stahnsdorf, das Badeverbot durchzusetzen. „Aber nach Ansicht unserer Rechtsberater haben wir nur zwei Möglichkeiten“, sagt Frank Piper: „Entweder wir bauen alles ab und verwandeln das betroffene Areal in eine sogenannte naturnahe Badestelle, wo die Gemeinde dann keine Verkehrssicherungspflicht mehr hat, oder wir finden doch noch eine Badeaufsicht.“

Deutschlandweit zu wenig Rettungsschwimmer

Genau das habe die Gemeinde in den vergangenen Wochen bereits versucht, es sei jedoch ein aussichtsloses Unterfangen: „Sowohl die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) als auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) haben uns mitgeteilt, dass sie uns nicht helfen können“, sagt Piper.

Tatsächlich ist der Mangel an Bademeistern und Rettungsschwimmern deutschlandweit ein Problem. Selbst eine so reiche Gemeinden wie Titisee im Schwarzwald konnte niemanden finden und musste im vergangenen Jahr das Freibad am Titisee schließen.

Eine Hoffnung hat Frank Piper noch: „Vielleicht können wir wenigstens für die Sommerferien einen Bademeister finden und wenn es nur für ein paar Stunden ist.“ Das sei eigentlich auch das Anliegen der zu Unrecht verteufelten Rechtssprechung, sagt der Potsdamer Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Ronald Radtke: „Es geht ja nicht darum, zu verhindern, dass ein Bürgermeister verurteilt wird. Die Verkehrssicherungspflicht soll und kann ja vielmehr dazu beitragen, dass Leben gerettet werden. Immerhin ist Ertrinken in Deutschland die häufigste Todesursache bei Kindern unter fünf Jahren. Und auch manchem Rentner, der es nicht mehr bis zum Ufer schafft, könnte geholfen werden, wenn ein Bademeister anwesend wäre.“

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