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Er gibt den aufgefundenen Tieren eine vorübergehende Heimat: Reptilienschützer Marko Hafenberg, hier mit einem Waran.

© Reptilienzentrum Brandenburg

Reptilien im Flugzeug: Boa in der Hose, Skorpione im Handschuhfach

Exotische Tiere sind beliebt, werden aber nicht immer legal in die Region eingeführt – wie kürzlich ein kurioser Fund am Berliner Flughafen Schönefeld zeigt.

Von Sandra Dassler

Rhesusaffen oder Raubkatzen in Zweieinhalb-Zimmer-Wohnungen, Skorpione im Handschuhfach des Autos oder Vogelspinnen im Küchenschrank – Marko Hafenberg hat schon viel erlebt. Aber diese Geschichte, die er am vergangenen Heiligen Abend von Zollbeamten erzählt bekam, fand selbst er ziemlich – nun ja: speziell.

„Ich war eigentlich ganz auf einen gemütlichen Abend eingerichtet“, erzählt der Leiter des Reptilienschutzzentrums in Brandenburg (Havel), als gegen 20 Uhr ein Anruf vom Flughafen Schönefeld kam. Man habe in der Hose eines Fluggastes etwas entdeckt, was dort nicht hingehörte, hieß es. Und ob man ihm die Schlange bringen könne.

Fluggast hatte die Boa in einen Beutel gesteckt und diesen um den Allerwertesten gehangen

Zwei Stunden später konnte Hafenberg das Tier in Empfang nehmen. „Es war eine – mit mehr als 40 Zentimetern Länge und etwa drei bis vier Zentimetern Breite – noch recht junge Boa“, sagt er: „Auch wenn das eine Würgeschlange und ungiftig ist, muss man schon ein wenig neben der Spur sein, um sie in der Kleidung durch die Sicherheitskontrollen schmuggeln zu wollen.“ Jedenfalls war der Mann, der da am Heiligen Abend am Flughafen Schönefeld auf dicke Hose machte, den Mitarbeitern der Sicherheitskontrolle schnell aufgefallen.

Zumal er mit dem Flugzeug nach Israel reisen wollte, wobei man bekanntermaßen mit besonders strengen Kontrollen rechnen muss. „Der hatte die Schlange gefaltet und in einer Art Beutel gesteckt, den er sich dann vor den Bauch beziehungsweise an den Allerwertesten gehangen hat“, sagt Hafenberg.

Mit dieser Boa wollte der 43-jährige Mann nach Israel reisen.
Mit dieser Boa wollte der 43-jährige Mann nach Israel reisen.

© Reptilienzentrum Brandenburg

Das Hauptzollamt Schönefeld bestätigte diese Woche den „kuriosesten Fund des vergangenen Jahres“. Da der Fluggast die nötigen Dokumenten für das Tier nicht vorlegen konnte, habe man die Schlange beschlagnahmt, hieß es. Den 43-Jährigen erwarte ein Bußgeldverfahren, sollte er nach Deutschland zurückkehren.

Die Boa lebt nun in einer Auffangstation - gemeinsam mit Klapperschlangen, Pythons und anderen Exoten

„Keine Ahnung, was er mit dem Tier vorhatte“, sagt Makro Hafenberg: „Vielleicht wollte er es auch mit Gewinn weiterverkaufen. In Deutschland kann man mittlerweile fast alle Tiere im Internet ziemlich preiswert bekommen. In Israel ist das anders.“

Nun lebt die Boa erst einmal in der Auffangstation, gemeinsam mit Klapperschlangen, Pythons und anderen Exoten, die als sogenannte Gefahrtiere eingeschätzt werden: Krokodile, Vogelspinnen, Warane und andere Echsen, Schildkröten und Skorpione. Exotische Tiere werden nicht nur in Deutschland als Haustiere immer beliebter, was leider auch den illegalen Handel fördert.

Auch er landete schon bei Marko Hafenberg: Ein grüner Wasserdrache.
Auch er landete schon bei Marko Hafenberg: Ein grüner Wasserdrache.

© Reptilienzentrum Brandenburg

Immer häufiger kommt es dabei zu Notfällen, wenn gefährliche Tiere entweichen, nicht artgerecht gehalten werden oder nicht hinreichend geschützt sind. So stießen die Behörden im April 2017 auf 21 teils hochgiftige Schlangen in der Wohnung eines 44-jährigen Mannes in Tempelhof-Schöneberg. Darunter befand sich wie berichtet eine fünfeinhalb Meter lange Netzpython.

Manche halten Raubkatzen oder Rhesusaffen in der Wohnung

„Bei der Kontrolle eines aus Irland stammenden Autofahrers auf dem Berliner Ring entdeckten Polizisten 17 Skorpione im Handschuhfach“, erzählt Marko Hafenberg: „Und manche halten sogar Raubkatzen oder Rhesusaffen in ihrer kleinen Berliner Wohnung.“

Auch deshalb wurde das Reptilienschutzzentrum im Jahr 2015 als Gemeinschaftsprojekt der Tierschutzorganisation „aktion tier“ und des Vereins Reptilienschutzzentrum Berlin/Brandenburg e.V. ins Leben gerufen. Sein Leiter Marko Hafenberg betreut nicht nur die Tiere, sondern setzt auch auf Aufklärung und Prävention, besucht Schulklassen, hält Vorträge.

Seine Station gehört zu den wenigen in Deutschland, die eine Erlaubnis zur Aufnahme und Haltung gefährlicher Reptilien besitzen. Im Gegensatz zu Tierheimen erhält sie aber keinerlei finanzielle Unterstützung von kommunalen oder staatlichen Stellen. Im Gegenteil: „Neulich hatte mich eine Veterinärbehörde gebeten, die in einer Wohnung in Berlin entdeckten Wasserschildkröten und Vogelspinnen zu untersuchen, das Geschlecht zu bestimmen und zu kategorisieren. Es war eine aufwendige Arbeit und am Ende hieß es, man könne mich dafür aber nicht bezahlen.“

Köngispython in der externen Festplatte, eine Giftschlange an der Flugzeugdecke

Ohne die Unterstützung von „aktion tier“ wäre die Unterbringung von derzeit mehreren hundert Tieren, darunter Schildkröten und Krokodile, die um die hundert Jahre alt werden können, nicht möglich, sagt Hafenberg. Natürlich versucht er, die Tiere weiterzuvermitteln, am liebsten in Zoos mit Artenschutzstationen. Ungiftige Tiere können auch an private Halter abgegeben werden. Allerdings müssen diese ihre Sachkunde nachweisen.

Schlangen in Flugzeuge zu schmuggeln, zeugt jedenfalls nicht von Tierliebe. Dennoch geschieht es immer wieder. Im Juli 2018 wurde gemeldet, dass eine Passagierin in Miami eine Königspython in einer externen Festplatte ins Flugzeug nach Barbados schmuggeln wollte. Im März 2017 vergaß ein Passagier seine illegal auf einem Pendlerflug in Alaska mitgeführte eineinhalb Meter lange Schlange an Bord. Erst auf dem nächsten Flug nach Anchorage wurde sie dort von einem Jungen hinter seinem Sitz in der letzten Reihe entdeckt. Sie war eher inaktiv – im Gegensatz zu einer ebenfalls etwa eineinhalb Meter langen Giftschlange, die sich im November 2016 an Bord eines Flugzeugs von Torréon nach Mexico City plötzlich an der Decke entlang schlängelte und sich mehrfach in Richtung der Sitze und Passagiere hinab streckte. Sie konnte letztlich mit einer Wolldecke bewegungsunfähig gemacht werden.

Auch diese Weichschildkröten wurde von Reptilienschützer Hafenberg schon aufgenommen.
Auch diese Weichschildkröten wurde von Reptilienschützer Hafenberg schon aufgenommen.

©  Reptilienschutzzentrum Brandenburg

Dieses Schicksal blieb der jungen Boa vom Flughafen Schönefeld erspart. Ein neues Zuhause hat sie bislang noch nicht gefunden. „Vielleicht kommt ihr Herrchen ja doch noch mit den entsprechenden Papieren zurück“, sagt Marko Hafenberg. Es klingt wenig überzeugt.

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