zum Hauptinhalt
Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister, besucht die Berliner Partnerstadt Tokio.

© Mike Wolff

Reise zu 25 Jahren Städtepartnerschaft: Das will Müller in Tokio für Berlin erreichen

Berlins Regierender Bürgermeister tourt ab Sonntag durch Tokio. Es geht um eine Städtepartnerschaft und Ideen für die Zukunft Berlins - und der ganzen Welt.

Es ist sicher denkbar, dass Berlins Regierender Bürgermeister während seiner am Sonntag beginnenden Dienstreise nach Japan auf seinem Handy die Suchworte „Michael Müller“ und „Tokio“ eintippt. Vielleicht will er kurz nachlesen, was noch geplant ist, oder was die Medien über seine Tour so schreiben. Einer der ersten Suchtreffer wird ihn allerdings zum Internetportal eines Reisefachverlages aus Erlangen führen, der – zufälligerweise – den Namen Michael Müller trägt. Man ist nicht verwandt oder verschwägert.

SPD-Politiker Müller würde dank Verleger Müller nach nur zwei Klicks recht Kurioses über dieses Land erfahren: „Sind Sie zum ersten Mal in Japan, fällt Ihnen sicher auf, dass man Sie für Ihr Heimatland liebt – denn deutsche Urlauber werden dafür verehrt, dass sie keine Japaner sind“, behaupten die Ratgeber unter www.tokio-reise.de.

Ein Japaner, der mit einem Ausländer ein Gespräch anfängt, werde dies als Befreiung empfinden, wird dort behauptet. Es sei ihm dann erlaubt, seine Rolle zu verlassen, er müsse sich nicht an der Hierarchie ausrichten oder eine soziale Choreographie einhalten. „Vergessen Sie aber nicht, dass ein Japaner in Kategorien denkt. Man erwartet von einem Deutschen, dass er etwas von den Brüdern Grimm und von Beethoven erzählen kann, dass er die Bundesliga verfolgt und dass man von der Fingerfertigkeit der deutschen Ingenieure schwärmt“.

Müller nimmt am "Urban 20"-Gipfel teil

Ob das so stimmt? Müller wird es erleben. Unterstellen wir, dass er im Zweifel spontan, kompetent und sogar sehr gern über all diese Themen parliert, auch über einen künftigen Bundesligisten „Eisern Union“, sofern von seinen Gastgebern gewünscht. Wenn auch nicht auf Japanisch. Vielleicht etwas schwieriger, aber möglich, wird es sein, einen weiteren genannten Tipp zu befolgen: „Kritik an den regierenden Politikern ist natürlich absolut tabu, das gehört sich einfach nicht!“

Das ist zumindest herausfordernd, da Müller in Tokio am Bürgermeistergipfel der sogenannten „Urban 20“ teilnehmen wird. In dieser 2017 gegründeten Initiative formulieren Vertreter von 27 Metropolen der Welt ihre gemeinsamen Anliegen und Forderungen, um sie in die Beratungen der G20 – dem Format der 20 größten Industrie- und Schwellenländer – einzubringen. Drei Schwerpunktthemen für die Beratungen der U20 sind der Klimaschutz, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, soziale Inklusion und Integration. Klingt wie aus dem Berliner Koalitionsvertrag von R2G kopiert, ist es aber nicht.

Japan hat in diesem Jahr den Vorsitz der G20. Daher möchte Müller mit Kolleginnen und Kollegen am kommenden Mittwoch das U20-Abschlusspapier mit Forderungen an Japans Premier Shinzo Abe, den diesjährigen G20-Vorsitzenden, persönlich überreichen. Müller hat in Kreisen der Bürgermeister eine besondere Rolle, da er derzeit auch als Präsident von „Metropolis“, dem weltweit größten Netzwerk für Städte und Metropolregionen, amtiert.

Politische Ziele könnten kaum unterschiedlicher sein

Als Gast und zunehmend geübter Diplomat auf internationalem Parkett wird Müller Premier Abe mutmaßlich nicht direkt kritisieren, aber tatsächlich könnten die politischen Ziele dieser beiden Politiker kaum unterschiedlicher sein: Auf der einen Seite steht der SPD-Mann, ein leidenschaftlicher Verfechter europäischer und internationaler Zusammenarbeit. Vor ihm Abe, der langjährige Regierungschef Japans und Vorsitzender der Liberaldemokratischen Partei, einem – nach zentraleuropäischen Maßstäben – nationalkonservativen Bündnis mit ausgeprägtem Rechtsdrall.

Shinzo Abe golft gern mit Donald Trump. Und dessen einstiger Chefstratege Steve Bannon, der derzeit durch Europa tourt, um rechte Netzwerke zu spinnen, lobte Abe und seine Politik unlängst öffentlich über den grünen Klee.

Erwartungsgemäß werden alle Beteiligten den Termin am Mittwoch mit Haltung meistern und politische Differenzen japanisch höflich beiseitelächeln. Zumal an anderen Stellen im Reiseplan deutlich harmonischere Begegnungen auf der Tagesordnung stehen: Müller lässt sich von einer Delegation aus Unternehmen und Institutionen unter Leitung des Hauptgeschäftsführers der Industrie- und Handelskammer, Jan Eder, begleiten. Mit dabei sind führende Vertreterinnen und Vertreter sehr großer Arbeitgeber wie der BVG, dem BMW-Motorradwerk oder dem Recyclingkonzern Alba, von mittelständischen wie IVU Traffic Technologies, das ist ein Bahntechnikzulieferer, und von noch relativ kleinen Firmen mit vielleicht großer Zukunft, zum Beispiel der inhabergeführten Lischka GmbH, einem Hersteller von Reinigungsanlagen für medizinisches Gerät aus Marzahn.

Müller: Durch "Kooperation in eine gute Zukunft führen"

Sie werden gemeinsam mit Müller und japanischen Offiziellen an einer Berlin-Tokio-Wirtschaftskonferenz teilnehmen, auf der auch an das 25. jährige Jubiläum der Partnerschaft beider Hauptstädte erinnert werden soll. „Wir können Metropolen wie Tokio oder Berlin angesichts der massiven Veränderungen, denen wir uns ebenso wie alle Metropolen weltweit gegenübersehen, nur gemeinsam durch Kooperation und Voneinander-Lernen in eine gute Zukunft führen“, ließ Müller vor seinem Abflug erklären. Deshalb sei es von „vitaler globaler Bedeutung“, dass man städtische Themen, Perspektiven und Interessen auf der Ebene der zwischenstaatlichen Beziehungen zur Geltung bringe.

Für Müller, den ehemaligen Stadtentwicklungssenator, steht unter anderem ein städtebaulicher Rundgang auf dem Programm, der ihm Themen der „wachsenden Stadt“ zeigen soll. Und ein Gespräch mit einem Vorstand des Industriekonzerns Mitsubishi Electric. Müller und Begleiter möchten das Unternehmen besser kennenlernen. Ein Hintergrund ist vielleicht – aber das ist nur Spekulation –, dass das Unternehmen in Großbritannien vier Tochtergesellschaften unterhält, darunter die Europazentrale in Uxbridge, östlich von London. Sollten die Japaner nach einem Brexit den Exit von der britischen Insel suchen, könnte es ja nicht schaden, wenn Berlins Regierender sich in der Weltzentrale schon mal persönlich bekannt gemacht hat, sollte er Mitsubishi Electric eine neue Heimat in Europa anbieten wollen.

Eine alternde Gesellschaft als wichtiges Thema

Berlin ist auch seit eh und je ein bedeutender Standort der Gesundheitswirtschaft. Zahlreiche medizinische Forschungseinrichtungen, die beiden riesigen Klinikbetreiber Charité und Vivantes, sowie Pharma- und junge Biothech-Firmen: Dieser Sektor gibt rund 230 000 Berlinerinnen und Berlinern Arbeit und ist international zunehmend stark vernetzt. Auch vor diesem Hintergrund ist die Senatskanzlei wegen eines Besuch bei Tokios Städtischer Geriatrischer Klinik und deren Forschungsinstitut im Gespräch. Dort kann die Delegation sicher viel über ein Thema erfahren, das in Japan schon heute den Alltag bestimmt und ihn in Deutschland und Westeuropa zunehmend bestimmen wird: die alternde Gesellschaft.

Trotz der großen Entfernung sei die Partnerschaft mit Tokio sehr lebendig und vielfältig, verkündete Müller vorab. „Politik und Wirtschaft in beiden Städten stehen vor ähnlichen Herausforderungen, insbesondere wegen der Alterung unserer Gesellschaften, oder bei der digitalen Revolution, die alle Bereiche unseres Lebens betrifft“.

Beide Metropolen seien entschlossen, die Chancen der Kooperation noch besser zu nutzen. Deshalb sei es sinnvoll, dass mehr als 30 Repräsentanten von Berliner Unternehmen und Einrichtungen mitreisen. „Senat und Wirtschaft ziehen hier einmal mehr an einem Strang, nicht zuletzt um in Japan für unsere Stadt zu werben.“

Last but not least steht für Müller auch noch ein Empfang beim deutschen Botschafter in Japan, Hans Carl von Werthern, auf dem Plan. Bei ihm soll auch ein Kooperationsvertrag zwischen Alba Basketball und der Deutschen Schule Tokyo Yokohama unterzeichnet werden. Ob neben diesem Programm noch ein bis zwei Stündchen Zeit bleibt, ein traditionelles Sumo-Ringer-Turnier zu besuchen oder in einer Karaoke-Bar den Berliner Bär steppen zu lassen, wird sich zeigen. In der Nacht zu Donnerstag jedenfalls geht der Flug zurück.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false