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Den Stoff zu ihrem Film „Schwimmen“ schöpfte Regisseurin Luzie Loose aus den Erinnerungen an Zehlendorf und den Schlachtensee.

©  Thilo Rückeis

Regisseurin Luzie Loose: Schwimm mal wieder im Schlachtensee

Der Debütfilm der Berliner Regisseurin erzählt vom Aufwachsen in Zehlendorf. In Südkorea wurde er gefeiert – nun läuft er beim Festival „Achtung Berlin“.

Es ist kurz nach Schulschluss, die Jungs aus Dahlem sitzen mit freiem Oberkörper auf Bierkisten. Vom Ufer aus schicken die Bluetooth-Boxen blecherne Versatzstücke Deutsch-Rap auf den Spazierweg. Es ist der erste warme Frühlingstag in Berlin, Regisseurin Luzie Loose stellt erleichtert fest, es habe sich nichts verändert. „Am Schlachti hat sich alles abgespielt. Das erste Date, der erste Kuss, das erste Mal rauchen. Und wenn du früher als alle anderen nach Hause musstest – Katastrophe.“

Den Weg vorbei an Lindner, unterm S-Bahnhof zur Wiese am Ufer kennt die 30-Jährige in- und auswendig. Nach der Grundschule zog sie mit ihrer Mutter von Reinickendorf in den Südwesten der Stadt. Die prägenden Jahre zwischen 12 und 19 verbrachte Loose in Zehlendorf. Nach dem Abi zog es sie nach Kreuzberg. Sie studierte an der Universität der Künste, bevor sie an der Filmakademie Ludwigsburg ihr Regiestudium absolvierte.

Für „Schwimmen“, ihren ersten Langfilm, der jetzt auf dem Festival „Achtung Berlin“ seine hiesige Premiere hat, ist sie zurück nach Berlin gekommen. „Es stimmt, dass diese Geschichte auch woanders stattfinden könnte, aber alle diese Erinnerungen, all diese Orte und Ideen, die ich mitbringe, um diesen speziellen Film zu machen, sind eben mit den Orten hier verknüpft.“ Mit Berlin, Zehlendorf, dem Schlachtensee.

Die Suche nach den richtigen Drehorten dauerte genauso lange wie die Suche nach den richtigen Schauspielerinnen. Das Berliner Publikum kann dafür nur dankbar sein, wurde die Stadt in der Vergangenheit auf der Leinwand allzu oft zur kontextlosen Projektionsfläche oder austauschbaren Bühne für die Neurosen ihrer Bewohner degradiert. „Schwimmen“ erzählt die Geschichte zweier Mädchen, die zu ungleichen Verbündeten werden.

Während der Mikrokosmos Schule und die Unbarmherzigkeit der sozialen Medien eine unberechenbare Dynamik entwickeln, werden die beiden jungen Frauen zu gegenseitigen Fixpunkten. Drei Jahre lang hat Loose an dem Film gearbeitet. „Schwimmen“, das war zunächst nur der Name für eine Sammlung von Textstücken, Essays und Artikeln, die sich Schritt für Schritt zum Drehbuch kondensierten.

„Wir“, das ist ein Wort, das die Berlinerin oft verwendet

Irgendwann war klar, dass schwimmen auch sinnbildlich für das Dilemma der Jugend steht – wenn alles immer zugleich aufregend und verunsichernd ist und es nichts zum Festhalten gibt. „Wenn du jung bist, bewegst du dich auf einer ganz anderen Emotionsskala. Ich habe das Gefühl, an diese Spannbreite von Emotionen kommt man, wenn man älter wird, gar nicht mehr ran“, erklärt Loose ihre Faszination von dieser Zeit.

Doch Filme über das Erwachsenwerden gibt es viele und nicht wenige scheitern bei dem Versuch, ein Gefühl abzubilden, aus dem der Autor längst herausgewachsen ist. „Filmemacher betrachten die Jugendliche oft wie exotische Tiere, so nach dem Motto: ‚Ah, ist ja interessant, was die da so alles machen.’ Wir haben versucht, nicht in diese Falle zu tappen“, erklärt Loose.

Luzie Loose Film „Schwimmen“ läuft beim Festival „Achtung Berlin“.
Luzie Loose Film „Schwimmen“ läuft beim Festival „Achtung Berlin“.

© Thilo Rückeis

„Wir“, das ist ein Wort, das die Berlinerin oft verwendet und ihr auch schon mal als Schwäche ausgelegt wurde: „Für mich bedeutet zu inszenieren zum großen Teil einfach gelungene Kommunikation. Das ist für mich ein partizipativer Prozess, in dem es darum geht, die eigene Vision mit den Vorstellungen der anderen zu verknüpfen. Das wird einem von älteren Kollegen nicht unbedingt als Stärke ausgelegt. Da heißt es dann, du musst als Regisseurin mehr Rampensau sein.“

„Das wird also so ’ne starke Stadtfrauengeschichte, oder?“

Mit ihrer Kamerafrau Anne Bolick hat sie schon frühere Projekte realisiert. Sie kennt die Vorbehalte der Filmindustrie gegenüber weiblichen Teams zu Genüge: „Die erste Frage ist meistens, wie alt ich bin. Als ob das irgendetwas zur Sache tue.“ Loose spricht ruhig und bedacht, aber man merkt ihr an, dass das Thema sie ärgert: „Es gibt wahnsinnig viele tolle junge talentierte Regisseurinnen. Das Problem kommt mit den höheren Budgets, da sackt die Frauenquote aber so dermaßen in den Keller, da kannst du dann auf einmal lange nach Frauen suchen.“

Sich mit einem Drehbuch wie „Schwimmen“ durchzusetzen, war ebenfalls nicht einfach: „Viele Leute in Deutschland denken immer noch, dass Filme über Jugend schnell und laut sein müssen.“ Loose hat einen leisen, aber eindrucksvollen Gegenentwurf gewagt. „Viele Leute sagen, der Film erinnere von der Art des Erzählens an französische Filme. Ich nehme das als Kompliment.“ Bei der internationalen Premiere in Südkorea kam diese Form des Erzählens gut an. Jetzt hofft sie, dass auch das kritische Berliner Kinopublikum damit etwas anfangen kann.

Nach zwei Stunden ist der Schlachtensee umrundet. Die Jungs sitzen immer noch am Ufer. Sie rufen uns hinterher: „Das wird also so ’ne starke Stadtfrauengeschichte, oder?“ Luzie Loose lacht und ruft zurück: „Ja, und geht mal wieder mehr ins Kino!“

„Schwimmen“ läuft beim Festival „Achtung Berlin“ an folgenden Terminen: 12.4., 19.45 Uhr, Babylon; 13.4., 18 Uhr, Lichtblick; 14.4., 19.15 Uhr, Filmtheater am Friedrichhain

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Antonia Märzhäuser

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